Unterschied Netzwerk&Organisation Soziologie?

Was ist der genaue Unterschied zwischen Netzwerk und Organisation in soziologischer Hinsicht?

hi,
sorry, die Soziologie liegt bei mir zu lange zurueck. Habe jetzt auch mal mein Profil aktualisiert. Sorry dass ich nicht helfen kann.
Gruss
jersche

Was ist der genaue Unterschied zwischen Netzwerk und
Organisation in soziologischer Hinsicht?

Der Unterschied ist ziemlich groß - Netzwerk- und Organisationssoziologie sind Begrifflichkeiten unterschiedlicher Ebene. Ohne allzusehr in die Tiefe zu gehen:

1.) Organisationssoziologie: Untersucht mittels soziologischer Methoden und Theorien das soziale Gebilde „Organisation“; Organisationssoziologie ist somit ein spezieller Zweit der Soziologie(n). Im Fokus sind dabei Strukturen, strukturelle Bedienungen, Reproduktion, Systemerhaltung, aber auch zb Effizienz der organisationsinternen Abläufe, Organisationsentwicklung, Konfliktbewältigung, … Die Untersuchungsgebiete können also relativ breit gefächert sein. Auch Netzwerksoziologien können bei Organisationssoziologie eine Rolle spielen, indem deren Betrachtungsweise sozialer Beziehungen eingenommen wird. (Siehe nächster Absatz)

2.) Netzwerksoziologie oder Relationale Soziologie untersuchen Relationen (also Beziehungen) zwischen Individuen, Organisationen, Gesellschaften… (je nach Ebene). Hierbei sind die Beziehunge zwischen den Entitäten (Untersuchungseinheiten: also zb. den Individuen) selbst im Fokus der Untersuchung und nicht die Individuen. Netzwerksoziologien heißen so, weil zb. Individuen durch Netze von Beziehungen miteinander verknüpft sind. Manche Soziologien gehen dabei davon aus, dass auch nicht-menschliche Akteure Teile solcher relationalen Netzwerke sein können (Acter-Network-Theory).

Ich hoffe

Was ist der genaue Unterschied zwischen Netzwerk und
Organisation in soziologischer Hinsicht?

Hallo,

hier mal ein paar Gedanken zum Thema Organisation aus soziologischer Perpektive:

Fortschreitende Differenzierung (Modernisierung) der Gesellschaft (Arbeitsteilung) führt zu steigender Anzahl von Organisationen. (Explosionsartige Vermehrung durch Sozialgesetzgebung und Industrialisierung)
Arbeit findet man nicht mehr innerhalb der Familie sondern auswärts. Ein Leben ausserhalb von Familie ist möglich und wird auch praktiziert.
Folge: Viele Funktionen, die vorher die Familie innehatte, werden nun von Organisationen übernommen. (Z.B. Rente, Schule, Pflege).
In der modernen Gesellschaft wird im Grunde der gesamte Alltag von Organisationen bestimmt. (Schule; Uni; Vereine; Arbeitsplatz. Nach Weber das stählerne Gehäuse der Hörigkeit. Fussnote: Nach Goffman Krankenhaus sogar als totale Organisation, wie Gefängnis. Organisation die ihre Mitglieder zu 100% kontrolliert, wie in Orwells 1984.)
Auch die Freizeit ist heute mehr und mehr durch Organisationen bestimmt (Z.B. Vereine.) (Von der Arbeitsorganisation in die Freizeitorganisation.)

Definition Organisation: Die bewusste Geplantheit des zielgerichteten Handelns einer Gruppe oder Institution. Im allgemeinen hierarchisch gegliedert und arbeitsteilig organisiert. Bestimmbare Zahl der Mitglieder; Zielorientierte rationale Ordnung; Prinzipielle (gedankliche) Abhebbarkeit u. Unabhängigkeit der soz. Verhaltensstrukturen von den konkreten Mitgliedern. D.h. nicht die einzelnen Mitglieder (mit ihrer Persönlichkeit) machen die Organisation aus, sondern formale Regeln, die unabhängig von Personen bestehen. Verhaltenserwartungen hochgradig standardisiert und formalisiert.
Die Organisation ist formal, wenn sie die Identität des Systems gegenüber wechselnden Personen und Orientierungsinhalten sichert.

Organisation als strukturiertes hierarchisches System von aufeinander bezogenen Positionen und Rollen.
Die Organisation besteht aus Rollenhandlungen.
Mitgliedsrolle: Komplex von Erwartungen und Normen, die sich auf das Mitglied einer Organisation richten. (Die M. gibt die Kriterien der Zugehörigkeit zu einer Organisation an (Eingrenzung des Kreises von mögl. Mitgliedern), definiert die Bedingungen des Zugangs zu anderen Rollen in der Organisation, ist Voraussetzung.
Bedeutet: Die Mitgliedschaft ist eine entscheidungsfähige Angelegenheit.
Folge: Identifikation mit der Mitgliedschaft (zumindest in Tendenzbetrieben wie Parteien, Vereinen etc.)
Die Bewusstheit der Mitgliedschaft ist eine Sonderrolle.
Bestandteile der Mitgliedsrolle: Zwecke der Organisation bejahen; Entscheidungsrechte der Organisationsleitung anerkennen, formale Regeln achten, aber auch Identifikation (bezieht vor allem auf Tendenzbetriebe, wie Partei, Verein etc.)
Die Mitgleidsrolle stellt den Rahmen dar.
Kann mit anderen Rollen durchaus in Konflikt geraten. (Bsp.: Was man im einzelnen von mir verlangt deckt sich vielleicht nicht mit dem was für die Organisation von Vorteil ist.)
Die Mitgliedsrolle ist mit den anderen Rollen verschachtelt (Z.B. Disziplin als Bestandteil der Mitgliedsrolle, die sich auf spezielle Rolle überträgt).
Organisationszweck: Grund des Aufbaus; Ziel der Organisation. (Beeinflusst Entscheidungen und Handeln; Legitimationsgrundlage)
Anerkennung des Organisationszweckes ist Bestandteil der Mitgliedsrolle (Allerdings auch hier Unterscheidung von unternehmensähnlichen- u. Tendenzbetrieben: Identifikation oder nur Akzeptanz des Organisationszwecks. Bei Akzeptanz beruht Festigkeit der Formalstruktur weniger auf innerer Anerkennung oder Sanktionen, sondern mehr auf der Möglichkeit einzelne Mitglieder jederzeit auswechseln zu können.)
Rolle statt Person: Denn es herrscht: Affektive Neutralität; Spezifität der Verpflichtung (der Beziehungsinhalte); Universalismus (Austauschbarkeit); Rollenzuschreibung durch Leistung; Selbstbezogenheit!? (denn auch manchmal Kollektivbezogenheit gefordert: siehe Mitgliedsrolle.) (siehe Parsons: Pattern Variables).
Verhaltenserwartungen standardisiert und spezifisch, man ist nicht mit seiner ganzen Person Mitglied. Ausserhalb der spezifischen Rollenerwartung liegende Verhaltensweisen (z.B. persönliche Verhaltensweisen) interessieren nicht bzw. stören.
Personen zur Umwelt: Personen sind sozialwissenschaftlich betrachtet Aktionssysteme eigener Art, die durch einzelne Handlungen in verschiedene Sozialsysteme hineingeflochten sind, als System jedoch ausserhalb des jeweiligen Sozialsystems stehen. Das Individuum gilt als Störfaktor, das Handeln soll Rollenhandeln nicht Personenhandeln sein.
Alle Personen, auch Mitglieder, sind daher für das Sozialsystem Umwelt.
Bzw. mit der Mitgliedschaft erkenne ich an, dass persönliche Eigenschaften und Verhalten nicht gefragt sind. Somit sind die Mitglieder einer Organisation keine Menschen ( Im Sinne von Persönlichkeiten) sondern Rollenhandelnde. Die Persönlichkeit wird ausgeschlossen, gehört zur Umwelt des Systems.

Das Individuum gilt als Störfaktor (s.o.)
Selbstdarstellung und Affekte sollen ausgeblendet werden.
Die Organisation ist am Rollenvollzug interessiert, nicht an der Person, diese ist austauschbar.
Institutionen helfen bestimmte Probleme zu lösen.
Wird die Unpersönlichkeit institutionalisiert, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine Nichtausblendung von Persönlichkeit, im Hinblick auf die Organisationsziele, Nachteile zur Folge hätte.
Also: Unpersönlichkeit bringt in der formalen Organisation Vorteile. Daher wird sie zur Insttitution, zur dauerhaften Einrichtung.

Wie werden die Mitglieder der Organisation motiviert?
Motivation durch Kommunikation und Organisationszweck.
Zunächst Unterscheidung von unternehmensähnlichen Organisationen und Tendenzbetrieben (Vereine, Parteien etc.)
In Tendenzbetrieben dient die Kommunikation der Information aber auch hochgradig der Motivation der Mitglieder. (Bsp. Rede auf einem Parteitag. Mitglieder müssen für bestimmte Ziele motiviert, gewonnen werden.)
Im Unternehemn dient Kommunikation nur noch der Information. (Handlungsanweisungen, Befehle etc.)
Im Unternehemn müssen die Mitglieder nicht für neue Ziele gewonnen werden. Es herrscht bezahlte Indifferenz (Gleichgültigkeit). D.h. die Mitgleider (Arbeiter, Angestellte) werden dafür bezahlt, dass sie tun was ihnen gesagt wird und, dass es ihnen egal ist was sie tun.
Die Motivation erhält das Mitglied hier in einer generalisierten Form (Geld).
In unternehemnsähnlichen Organisationen muss auch der Unternehmenszweck nicht motivieren. (Bsp.:smiley:en Mitgliedern ist egal ob sie Badewannen oder Maschinengewehre produzieren.)
Ganz anders im Tendenzbetrieb (wie der Partei, dem Verein, der Bürgerinitiative, der Kirche etc.). Hier richtet sich die Motivation der Mitgliedschaft nach den Organisationszwecken/zielen, mit denen es sich zu identifizieren gilt.
Werden Organisationsziele verändert, müssen die Mitglieder neu motiviert werden. (Bsp.: Die SPD und das Godesberger Programm.)

Aus diesen Erläuterungen sollten sich schon einige entscheidende Unterschiede ergeben.
Z.B. tritt man in sozialen Netzwerken ja nicht als Rollenträger auf, sondern hier ja gerade als Person, als Individuum. Oder aber verfolgen Organisationen ja immer auch bestimmte Zwecke. Soziale Netzwerke so ja nicht.

Gruß

Was ist der genaue Unterschied zwischen Netzwerk und
Organisation in soziologischer Hinsicht?

Hallo;

super, danke für die ganze Mühe, also wenn ich es jetzt nicht verstehe, dann weiß ich auch nicht.

Wirklich vielen, lieben Dank

Franz