Wie bestimme ich D/L, wenn das letzte asymmetrische C-Atom zugleich auch das letzte C-Atom der Kett

Liebe/-r Experte/-in,

Gilt bei 2-Chlor-2-hydroxy-Ethanal nach der Fischerprojektion die D- oder L-Konformation, oder beides oder gar keines? Bin Student einer Maturitätsschule mit abgeschlossener Chemielaborantenlehre. Ich verstehe die Regeln der Fischerprojektion. Mein erfahrener Lehrer konnte in diesem Spezialfall nicht weiterhelfen. Ich hoffe, Sie kennen die Antwort.

Beachten Sie bitte meine Skizze auf http://img600.imageshack.us/i/imagekb.jpg/

Mir ist bewusst, dass das Molekül zwei Enantiomere hat.

Beachten Sie das Eingekreiste. Die beiden eingekreisten Moleküle sind keine (Stereo-)Isomere. Ist das H-Atom (in der Fischerprojektion) unten, dann haben wir die L-Form. Ist aber das Chlorid unten, dann haben wir die D-Form.
(Wir können die drei Substituenten am letzten C-Atom im Kreis um 120°Schritte drehen.)
Gibt es hier eine Regel?
Ich weiss nicht, ob das OH und das H zum Betrachter steht ® oder das OH und das Cl (L).

Besten Dank für Ihre Antwort.

Freundliche Grüsse
D.A.

In der Tat eine sehr hypothetische Frage, denn „2-Chlor-2-hydroxy-ethanal“ dürfte reichlich instabil sein und zu Glyoxal und HCl zerfallen (Halogene und OH-Gruppen an ein und dem selben C-Atom kommen praktisch nicht vor). Womit auch das Chiralitätszentrum futsch wäre.

Aber gut - wenn es also diese höchst hypothetische Verbindung GÄBE; und wenn man für sie die D/L-Nomenklatur für Zucker anwenden WÜRDE (was ich bei dieser Verbindung als fraglich ansehe, denn eine Verbindung, die sofort zu Glyoxal zerfallen würde, als Zucker zu bezeichnen, finde ich gewagt); dann würde die folgende Regel gelten: "Diejenigen Monosaccharide, bei denen das Chiralitätszentrum, das am weitesten von der Aldehyd- oder Ketogruppe entfernt ist, dieselbe absolute Konfiguration wie D-(+)-2,3-Dihydroxypropanal hat, bezeichnet man als D-, diejenigen mit der umgekehrten Konfiguration als L-Zucker („Organische Chemie“, K.P.C. Vollhardt, N.E. Schore, 2. Auflage, S. 1085).

Demnach hätte die von Dir gezeichnete Verbindung L-Konfiguration. Einfacher - und weniger Kopfzerbrechen bereitend - wäre es aber sicherlich, einfach vom S-Enantiomer zu sprechen. Wenn es diese Verbindung denn geben würde.

Schönen Gruß,

Dr. R. Weisser

Hallo,

das Problem hier ist in der Tat, daß 2-Chlor-2-hydroxyacetaldehyd KEIN Kohlenhydrat mehr ist. Die Regeln der Fischer Projektion wurden aber *nur* für Kohlenhydrate gemacht, demenstprechend sind diese Regeln nicht eindeutig auf alle beliebigen Moleküle anwendbar. An diesen Fall hat man schlicht nicht gedacht, weil er bei Kohlenhydraten so nicht auftritt!
Von der Anwendung der Fischer Projektion auf nicht-Kohlenhydrate wird von der IUPAC auch explizit abgeraten.

Die korrekte Antwort wäre also, daß dieses Molekül weder in L- noch D-Form vorliegt. Man könnte jetzt versuchen, Regeln in Analogie zu den Kohlenhydraten hinzuzuerfinden. Dann würden die meisten Chemiker wohl das OH und H horizontal zeichnen und das Cl nach unten. Aber das ist letzendlich willkürlich!

Korrekt und eindeutig benennen kann man dieses Molekül daher nur mit der CIP-Nomenklatur, welche universell ist.

Gruß,
Marcel

P.S.: 2-Chloro-2-hydroxyacetaldehyde scheint auch reichlich instabil zu sein. Man findet keinen kommerziellen Lieferanten trotz der einfachen Struktur. Ob das Molekül physikalisch rechts- oder linksdrehend ist, kann man daher auch nicht so einfach sagen. Wobei sich die physikalische D/L-Eigenschaft eh nicht an die Vorstellungen vom Herrn Fischer hält. Es war reiner Zufall, daß es für Glycerinaldehyd grad so hinkam.

Hallo, Daniel,
ich habe mir die Skizzen angeschaut, vorallem die nicht eingekreisten.
Nach der 3-Finger-regel setzt man den Wasserstoff nach hinten (wie skizziert), dann geht man in der Reihenfolge der Wertigkeit der Substituenten. Im linken Molekül von Cl nach OH nach C-OH rechts rum (im Uhrzeigersinn) = D
Im rechten Molekül von Cl nach OH nach C-OH links herum (gegen Uhrzeiger) = L, so wie es in der Skizze auch schon richtig steht. Alles klar? Es gibt also auch bei diesem Stereozentrum (egal ob Kettenende oder nicht) eine D- unsd eine L-Form. Wir benutzen übrigens eher R- und S-Konfiguration, statt D/L.
Liebe Grüße

Hallo,
das linke Molekül ist nach CIP R-konfiguriert; dies entspräche in der Fischer-Projetion der D-Form: Formyl oben, Cl mit höchster Priorität rechts, H unten OH links. Das Molekül rechts ist S-konfiguriert (also die L-Form) und damit das Enantiomer (eine Form der Konfigurationsisomerie) zum linken.
Die Überführung von Fischer in CIP und umgekehrt bedarf ein wenig Übung; ich kann Dir - falls dies hier nicht ausreichend war - ein paar ppt-Folien schicken.
Grüße
TL

Danke für die interessante Antwort. Der Aspekt der Stabilität hat mir weitergeholfen.

Beste Grüsse
D.A.

Hallo Marcel

Danke für die Antwort.

„Dann würden die meisten Chemiker wohl das OH und H horizontal zeichnen und das Cl nach unten. Aber das ist letzendlich willkürlich!“

Nach der R/S-Nomenklatur kann ich gut verstehen, dass das H hinten (bzw. in der Fischer-Projektion nach unten!) stehen sollte. Allerdings habe ich bisher noch keine Quelle gefunden, die bestätigt, dass das OH und das Cl (falls es eine solche instabile Verbindung überhaupt existiert) nach Fischer vertikal stehen müssen.

Beste Grüsse
Daniel

Hallo Antje

Danke für deine Antwort. Ich denke sie klärt auch meine Frage. Kennst du einen guten Link, der mir die 3-Fingerregel erklärt. Aus der Physik (Elektromagnetismus) kenne ich eine andere 3-Fingerregel, aber von einer aus der Chemie habe ich nie was gehört. Wurde diese 3-Fingerregel in einem Regelwerk von Fischer beherzigt?

Liebe Grüsse
Daniel

Hallo Lemmi

Danke für deine Hilfe. Ich verstehe dies so, dass aus der R-Konfiguration zwangsläufig (ohne Ausnahme) die D-Form und aus der S-Konfiguration die L-Form folgt.
Ich würde mich freuen, wenn du di ppt-Folien schicken würdest, vorausgesetzt du hast Zeit, diese hinaufzuladen.

Liebe Grüsse
Daniel

Meine eMail-Adresse lautet: [email protected].

Liebe Grüsse
Daniel

Hallo, Daniel,

ich kann dir leider keine Literaturstelle nennen, den Trick mit der 3-Finger-Regel hat mir mein Laborleiter bei einer firmeninternen Schulung verraten, nachdem ich an einer Verbindung mit 16 Diastereomeren und 4 Ennantiomeren-Paaren, von denen ich wiederum 4 stereoselektiv herstelle, fast verzweifelt bin. Aber ich frag ihn mal nach Neujahr, wenn ich wieder im Labor bin, ob er ein Buch empfehlen kann und melde mich dann wieder.

Schöne Feiertage und liebe Grüße

Antje

Hallo Daniel,

zeichnen und das Cl nach unten. Aber das ist letzendlich
willkürlich!"
sollte. Allerdings habe ich bisher noch keine Quelle gefunden,
die bestätigt, dass das OH und das Cl (falls es eine solche
instabile Verbindung überhaupt existiert) nach Fischer
vertikal stehen müssen.

Wie bereits gesagt: Es gibt keine eindeutige Regel in diesem Falle. Beide Formen der Fischer Projektion wären also richtig und somit gibt es keine eindeutige D/L Zuordnung.
Wie man es zeichnet ist somit letztendlich Geschmackssache.

Gruß,
Marcel

P.S.:

„Dann würden die meisten Chemiker wohl das OH und H horizontal
zeichnen und das Cl nach unten. Aber das ist letzendlich
willkürlich!“

Und der Grund für diese Annahme von mir ist, daß man es gewohnt ist Fischer Projektionen zu sehen, wo immer die OH und H waagerecht stehen (ergibt sich bei Zuckern eben so), man würde es also intuitiv auch bei deinem Sonderfall so machen. Aber eine Regel gibt es dazu eben nicht!

Hallo Daniel,
das stimmt zwar meistens, ist aber so nicht übertragbar, wie Du am Beispiel Cystein sehen kannst: hier gilt aufgrund der höheren Priorität des Schwefels L=R.
Viele Grüße,
Lemmi

Hallo Lenni,
Ach so, verstehe. Danke für die Antwort.
Liebe Grüsse
Daniel

Hallo Lemmi,
Ach so, verstehe. Danke für die Antwort.
Liebe Grüsse
Daniel