Wirkung und Anzahl von Neurotransmittern

Guten Tag,

als interessierter Anfänger arbeite ich mich gerade in das Gebiet der Hirnforschung ein.
Nun habe ich verstanden, dass Neurotransmitter über den Synaptischen Spalt Aktionspotentiale in Neuronen auslösen oder hemmen können. Und es gibt auch ausreichend Quellen, die verschiedene Neurotransmitter und deren spezielle Wirkungen auflisten.
Ich finde leider aber keine Erklärung wie diese unterschiedliche Wirkung zustande kommt (entscheidend sind wohl auch die Rezeptoren) und warum die Natur eine so große Anzahl an unterschiedlichen Neurotransmittern entwickelt hat.

Hätten ein paar wenige nicht gereicht, wenn es nur um Hemmung oder Aktivierung geht?

Ich freue mich sehr über jede Antwort.

Grüße und Danke
Nils

Hallo Nils

als interessierter Anfänger arbeite ich mich gerade in das
Gebiet der Hirnforschung ein.
Nun habe ich verstanden, dass Neurotransmitter über den
Synaptischen Spalt Aktionspotentiale in Neuronen auslösen oder
hemmen können. Und es gibt auch ausreichend Quellen, die
verschiedene Neurotransmitter und deren spezielle Wirkungen
auflisten.
Ich finde leider aber keine Erklärung wie diese
unterschiedliche Wirkung zustande kommt (entscheidend sind
wohl auch die Rezeptoren) und warum die Natur eine so große
Anzahl an unterschiedlichen Neurotransmittern entwickelt hat.

Hätten ein paar wenige nicht gereicht, wenn es nur um Hemmung
oder Aktivierung geht?

Ich freue mich sehr über jede Antwort.

Nun, wenn man nur wenige zustände beschreiben will (an / aus, ja / nein) oder viel Zeit hat oder sehr schnell Signale modulieren kann (wie z. B. elektrischen Synapsen) - dann reichen wenige Signalmechanismen (wie bei den Axonen die Depolarisation bzw. Hyperpolarisation, o. ä.).
Wenn jedoch die ankommenden elektrischen Signale schnell und fein differenziert über chemische Synapsen übertragen werden sollen, muss das Ganze komplexer geregelt werden. Sei es über („kurzstrecken-“) Neurotransmitter oder („langstrecken-“) Hormone. Nur so kann vom Nervensystem effektiv, schnell und fein differenziert reagiert werden.
Bsp.: Das Renin/Angiotensinsystem (Hormonsystem für’s Pipimachen) wird unterdrückt von Adrenalien (Fluchtsystem), da Abhauen bei Gefahr wichtiger ist, als die korrekte Übermittlung des Füllstandes der Blase. GABA, ein „hemmender“ Neurotransmitter, wirkt durchaus förderlich auf andere Nervenzellen, die wiederum andere hemmen usw…

In der Hoffnung ein bisschen geholfen zu haben
ruruh

Hallo Nils,

ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass es hemmende oder erregende Transmitter gibt. Das ist so nicht richtig. Wie Sie schon vermutet haben kommt es (unter anderem) auf die Rezeptoren an. Auf der Rezeptorseite gibt es zwei große Familien: die ionotropen Rezeptoren und die metabotropen Rezeptoren. Ionotrope Rezeptoren lassen nach Bindung des Transmitters Ionen durch eine Pore durch die Membran durch. Abhängig von der Art des Ions und den Konzentrationsgefällen ist die Wirkung eine Depolarisation oder eine Hyperpolarisation. Depolarisationen bewirken im Allgemeinen dann eine Erregung und Hyperpolarisationen eine Hemmung. Beispiele: nicotinischer Acetylcholinrezeptor, Ionen = Natrium und Kalium, Konzentrationsgefälle = Natrium rein, Kalium raus, da mehr Natrium in die Zelle kommt als Kalium raus, kommt es zu einer Depolarisation. GABA-A-Rezeptor, Ionen = Chlorid und CHO3, Konzentrationsgefälle im reifen Gehirn chlorid rein, Bicarbonat rein, es kommt zu einer Hyperpolarisation; allerdings im embryonalen Gehirn ist der Gradient so, dass Chlorid ausströmt und es zu einer Depolarisation kommt. Man sieht also, der selbe Transmitter und Rezeptor kann im selben Tier zu unterschiedlichen Zeiten in der Entwicklung unterschiedliche Wirkung haben. Was ist der Sinn bei GABA für diese Umkehrung? Das Gehirn braucht elektrische Aktivität, um zu reifen. Es soll aber nicht zu Epilepsie kommen, deshalb soll die Erregung nur moderat sein. Die Kombination aus umgedrehten Chloridgradient und GABA-A-Rezeptor erfüllt diese Anforderung. Später übernehmen dann Glutamat und seine Rezeptoren die Erregung und GABA und seine Rezeptoren die Hemmung.
Noch komplizierter wird es bei den metabotropen Rezeptoren. Diese aktivieren eine Signalkaskade, die dann vielfälltige Wirkungen haben kann. Das kann Zellwachstum, -differenzierung und Genexpression sein, aber auch die Aktivierung oder Deaktivierung eines Ionenkanals. Das heißt, es kann zu Erregung oder Hemmung kommen.
Warum gibt es soviele Rezeptoren und Transmitter?
Alle Verarbeitung im Gehirn hängt von der Stärke der synaptischen Übertragung ab. Information wird in der Veränderung der synaptischen Übertragung gespeichert. Viele Transmitter, die modulierend in die synaptische Übertragung eingreifen können (unterschiedliche Dynamiken, Kinetiken und Ionen oder Signalkaskaden) machen eine feinere Abstimmung der synaptischen Übertragung möglich. Ausserdem sind manche Rezeptoren auch für die Koinzidenzdetektion und Lernen verantwortlich (Stichworte NMDA und LTP, mGluR und LTD).
So ich hoffe, dass beantwortet die Fragen. Weiterführend würde ich auf Lehrbücher wie das von Kandel, Jessel und Schwartz verweisen.

Beste Grüße,

Hallo Marcus (Dr. Wirth?),
herzlichen Dank für die Erläuterung. Zusammenfassend ziehe ich die Information
heraus, dass trotz der riesigen Anzahl an synaptischen Verbindungen das Gehirn
(bzw. der Körper) zusätzlich weitere Feinabstimmungen einsetzt, um die gewollten
Ziele zu erreichen. Hierzu dienen die unterschiedlichen Neurotransmitter.

Würde mich interessieren, ob einige der Transmitter erst in der menschlichen
Evolutionsphase aufkamen und auch, ob einige Transmitter in der Evolution von
anderen abgelöst wurden. Frei nach dem Motto, dass es auch heute noch
funktioniert aber schon bessere Lösungen gibt.

Auf jeden Fall, hat mir die Antwort in meinem Verständnis weitergeholfen.

Beste Grüße
Nils

Hallo ruruh,
vielen Dank für die Antwort. Da ich in diesem Bereich wenig erklärendes und viel
beschreibendes finde, bin ich für jeden Hinweis dankbar. Der Schleier der
Unwissenheit lüftet sich jeden Tag etwas mehr.
Beste Grüße
Nils

Hallo Nils,

ja, es gibt eine Evolution der Transmittersysteme und der Rezeptoren. Innerhalb der Säugetiere sind die Transmitter aber ziemlich konserviert. In Invertebraten findet man aber teilweise ander Transmitter.

Gruss,

Marcus Wirth

Hallo Nils,
wie du sicher schon nachgelesen hast, vermitteln verschiedene Neurotransmitter verschiedene Effekte, beispielsweise ist Serotinin in die Regulation von Schalf involviert. Störungen in der Transmitterbalance spielen bei Krankheiten wie Depression, Schizophrenie, Parkinson usw. eine Rolle. Die Wirkung eines Transmitter kann erregend oder/und hemmend sein, abhängig vom Rezeptor. Serotin-Rezeptoren beispielsweise gibt es viele, und je nachdem, welchen Rez. eine Zelle exprimiert, kann die Substanz erregen oder hemmen, oder gar nichts machen, besitzt die Zelle keinen Rez. Die verschiedenen Rezeptoren werde von Zellen in verschiedenen Regionen unterschiedlich exprimiert, entsprechend unterscheiden sich Wirkung und Funktion lokal.
Warum soviele Rezeptoren weiss sicher keiner genau, Vorstellbar ist, dass durch verschiedene Rezeptoren die Wirkung eines Transmitters unterschiedlich ausfällt, das ist ökonomisch betrachtet man die geringe Anzahl Gene und die unvorstellbare Anzahl von Neuronen, die irgendwie funktionieren. Durch verschiedene Transmitter und Rez. kann ein kominatorischer „Code“ erreicht werden, es könnten so auch Dysbalancen besser ausgeglichen werden, als wenn nur ein Transmitter eine Funktion hat, und dieser vielleicht durch Mutation kaputt wäre. Klar machen die Transmitter am Ende alle Erregung oder Hemmung, aber welche Zellen erregt oder gehemmt werden muss ja reguliert werden, um nicht alle Zellen gleichzeitig zu erregen, und das geschieht durch unterschiedliche Rezeptorexpression.
Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen.
LG
G

Guten Tag,

als interessierter Anfänger arbeite ich mich gerade in das
Gebiet der Hirnforschung ein.
Nun habe ich verstanden, dass Neurotransmitter über den
Synaptischen Spalt Aktionspotentiale in Neuronen auslösen oder
hemmen können. Und es gibt auch ausreichend Quellen, die
verschiedene Neurotransmitter und deren spezielle Wirkungen
auflisten.
Ich finde leider aber keine Erklärung wie diese
unterschiedliche Wirkung zustande kommt (entscheidend sind
wohl auch die Rezeptoren) und warum die Natur eine so große
Anzahl an unterschiedlichen Neurotransmittern entwickelt hat.

Hätten ein paar wenige nicht gereicht, wenn es nur um Hemmung
oder Aktivierung geht?

Ich freue mich sehr über jede Antwort.

Grüße und Danke
Nils

Hallo Geraldine,

herzlichen Dank für die Informationen. Die Erklärung hat weiteres Licht ins Dunkel
gebracht und mir sehr weitergeholfen.

Grüße
Nils

Stimmt. Zwei Neurotransmitter reichen. Es reichen THEORETISCH aber auch zwei
Aminosäuren für eine Proteinbiosynthese oder zwei Nukleotide in der DNA aus,
um das gesamte Erbmaterial zu codieren. Vielleicht gibt es irgendwo im
Universum Leben, das genau so funktioniert - man kann alles binär machen. Hier
auf der Erde scheint sich im Laufe der Evolution aber der Trend durchgesetzt zu
haben, auf „Nummer sicher“ zu gehen und eine größere Bandbreite der
Möglichkeiten zu nutzen. Das ist gemäß Darwin ja auch nützlich und sinnvoll.