Altersdemenz: nur Vergesslichkeit oder auch falsche Erinnerungen?

Hallo,

eine alte Verwandte wird immer vergesslicher, ist aber nicht dement im Sinne von Geschäftsunfähig. Zumindest nicht, soweit ich das beurteilen kann.

Allerdings hat mich nach einem Gespräch vor kurzem erstaunt, dass sie mir einen Rat zuordnete, den ich mit absoluter Sicherheit nie gegeben habe.
Klar vergesse ich auch ma etwas, aber in dem Fall passt es einfach überhaupt nicht. Einen solchen Rat hätte ich schon aus loigscher Überlegung nie geäußert.

Meine Frage: führt Altersdemenz nicht nur zu Erinnerungslücken sondern ev. auch zu falschen Erinnerungen? Ist das üblich, möglich?

Danke für Tips, Paran,

Moin,

falsche Erinnerungen sind Bestandteil unseres Lebens und setzen ein funktionierendes Gehirn voraus. Als Symptome einer Demenz sind sie mir noch nicht begegnet (was ja nichts heißen muss).

Gruß Ralf

Servus,

Du gibst selbst das Stichwort „zuordnen“: Eine eigenwillige Herstellung von Zusammenhängen und damit auch manchmal überraschende Interpretation der Wirklichkeit ist typisch für Demente.

„Den Leuten von der Commerzbank traue ich nicht mehr - die stellen sich immer so an, wenn ich etwas abheben möchte (dort liegt ein geschlossener Fonds, der frühestens 2025 verfügbare Mittel bringen kann) - bei der Sparkasse ist eine engagierte und literarisch interessierte Mitarbeiterin - wenn wir der Bücher von H. mitbringen, zahlt sie uns immer gerne Geld aus. (dort liegen 120 Kilo auf dem laufenden Konto herum)“

Schöne Grüße

MM

Hallo,

Du hast verm. recht. Das könnte gut hinkommen.

Hast aber wahrscheinlich keinen Tip, wie man damit umgeht? Jedes Wort auf die Goldwaage legen geht ja auch nicht.

Schon eine blöde Situation.

Wie mies selbst einen beginnende Demenz ist, begreife ich erst jetzt. Das ist richtig happig.

Danke für Deinen Hinweis,
Gruß, paran

Hi

eine eigentlich „nette“ Begegnung mit Demenz hatte ich auf einer Beerdigung:

Bei einem lang verheirateten Paar war der Mann verstorben, die demente Hinterbliebene saß bei der Trauerfeier umgeben von Gesichtern, die sie kannte…
Irgendwann fragte sie: „Wo ist denn der nette Mann, der mich immer besucht…“

Es passt nicht ganz zu falschen Erinnerungen - falsche Zuordnung ist es wohl…

Gruß

Hummel

Hallo paran,

im Kontakt ergibt sich daraus eine Gratwanderung zwischen „realistische Wahrnehmung fördern“ (also nicht jedes fantastisch erscheinende Konstrukt bestätigen, ggf. Hinweise darauf geben, wie es in Wirklichkeit ist) und „Grund-Unsicherheit möglichst auffangen“ - wenn man immer nur (aus der Perspektive der durch den Betroffenen anders wahrgenommenen Realität) seltsame, ggf. unheimliche Dinge erzählt, kann das für ihn bedrohlich wirken - mit der Folge, dass er sich nach Kräften verteidigt und dann überhaupt kein persönlicher Kontakt mehr möglich ist.

Ziemlich fummelig, eine geeignete Mischung aus Bestätigung und Korrektur zu finden.

Schöne Grüße

MM

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Moin,

jeder Kranke ist anders, deshalb ist es schwierig, Ratschläge zu erteilen. Was bei uns geholfen hat, war Ablenkung, womit wir immer vor die Wand gefahren sind, war Widerspruch. Irgendwann habe ich dann gesagt „Man kann die Mutter zu nichts überreden, aber sie zu allem beschwatzen“. Und das war keineswegs zynisch gemeint.

Wie mies selbst einen beginnende Demenz ist, begreife ich erst
jetzt. Das ist richtig happig.

Könnte noch viel schlimmer kommen, wenn die Kranke eines Tages nicht mehr weiß, wo sie ist und wer die Leute um sie herum sind. Die Angstgefühle, die da aufkommen, kann sich unsereins kaum vorstellen.

Gruß Ralf

Hallo,

solche Dinge sind auch durchaus bei Menschen zu beobachten, die nicht im pathologischen Sinne dement sind. Das wird dann oft in die Schiene „Altersstarrsinnigkeit“ geschoben, wenn man älteren Herrschaften nicht mehr klar machen kann, dass Dinge nun mal nicht so gewesen sind, wie sie die darstellen. Tatsächlich dürfte es schon etwas mit „Vergesslichkeit“ zu tun haben, die dann versucht wird durch „Logik“ und „Konstruktion“ zu kompensieren, was oft durchaus klappt, aber eben nicht immer, und dann zu kuriosen Ergebnissen führen kann.

D.h. aus der Freundin, die immer für einen mit einem guten Ratschlag dagewesen ist, wird dann auch die Freundin, die „als übliche Verdächtige für Ratschläge“ auch genau den Ratschlag gegeben haben soll, den sie tatsächlich gerade nicht gegeben hat.

Dabei ist dieser Ersatz von tatsächlicher Erinnerung durch Logik und Konstruktion durchaus nicht nur bei älteren Herrschaften zu beobachten, sondern uns allen auch schon in jungen Jahren gegeben. Ein typisches Beispiel ist der so genannte „Knallzeuge“, vor dem alle Juristen im Referendariat immer wieder gewarnt werden. Das sind Zeugen, die tatsächlich ein bestimmtes Ereignis gar nicht wahrgenommen haben, das sie vor Gericht bezeugen sollen, sich dieses aber aus den ihnen bekannten Folgen „zusammenreimen“. D.h. man hat den Unfall nicht gesehen, sondern sich erst beim Knall umgedreht, sieht das Unfallergebnis, und schlussfolgert auf ein bestimmtes Geschehen, das man für logisch und zwingend hält, aber eben tatsächlich nicht beobachtet hat, und dann oft genug auch ganz anders abgelaufen ist, als es der Knallzeuge angibt.

Je mehr aber durch Vergesslichkeit, abnehmenden Wahrnehmungsmöglichkeiten, … tatsächliche Grundlagen fehlen, um so geringer wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass konstruierte Erinnerungen dann noch zutreffen.

Gruß vom Wiz

Moin, moin!

Könnte noch viel schlimmer kommen, wenn die Kranke eines Tages
nicht mehr weiß, wo sie ist und wer die Leute um sie herum
sind.

Mir geht da ein Bild nicht mehr aus dem Kopf:
Es zeigte eine Bushaltestelle mit älteren Leuten, die ganz normal zu warten schienen…
Die Erklärung, keine normale Bushaltestelle, sondern der perfekte Nachbau in einer Klinik. Demenzkranke flüchten oft irgendwohin, warten dann auf den nächsten Bus…
…der niemals kommt!
Meine erste Reaktion war ein lautes Lachen, dieses blieb mir dann allerdings im Hals stecken!
Mit freundlichen Grüßen
Dino

sowohl als auch
Hallo Paran,

ich schrieb es hier schon öfter, wir sind seit Jahren mit einer Alzheimer-Erkrankung in der Familie im Thema.

Es gibt ein paar Dinge, die sich für uns als sinnvoll herausgestellt haben:

  1. nicht widersprechen (aber bei sinnlosen Dingen auch keinesfalls zustimmen!)
    dadurch behält der Erkrankte seine Würde, weil er nicht von „jungen Leuten“ belehrt wird

  2. Validation: also hinhören und hinspüren, was den Erkrankten zu dieser Aussage geführt haben mag, wie er sich jetzt fühlt. Manchmal hilft, die Stimmung aufzugreifen und zu sagen „Du bist jetzt richtig ärgerlich!“. Dadurch fühlt sich der Betreffende Ernst genommen.

  3. Ablenkung oder Sprichworte/Allgemeinplätze. In Deinem Fall z.B. könnte man sagen „eigentlich ist ja guter Rat teuer, und Du hast ihn geschenkt bekommen“. Mit den geflügelten Worten von früher können alte Menschen eine Menge anfangen, und es gibt ihnen Sicherheit. Zumal, wenn sie die noch ergänzen können. Die Ergänzung kommt meistens nicht aus dem richtigen Erinnern, sondern über Assoziation.

  4. angemessen Loben, auch für kleine Dinge. Dinge, die für Gesunde selbstverständlich sind - aber für einen Menschen mit (beginnender) Demenz eine Hürde darstellen.

Körperkontakt und Lachen sind nach unserer Erfahrung eigentlich das Wichtigste. Viele alte Menschen haben beim wahrsten Sinn des Wortes nichts mehr zu lachen, und sie freuen sich über ein nettes Wort, eine Umarmung, ein Lächeln oder Lachen.

Zur angesprochenen, falschen Erinnerung: für die alte Dame ist es „ihre“ Erinnerung, die wird/muss sich nicht mit Deiner decken. In diesem Fall ja definitiv nicht…

Insofern würde ich es als Wertschätzung sehen, dass in ihrer Erinnerung *Du* ihr einen wertvollen Rat gegeben hast.

Angelika

@MOD: FAQ?
Hallo,

das wäre ein guter FAQ-Eintrag, finde ich.

Viele Grüße,

Jule

Hallo,

Danke. Könnte auch hinkommen.

Muss mich wohl auf mehr Widrigkeiten einstellen, als erwartet.

Gruß und Dank, Paran.

Hallo Ralf,

ja, dass das nicht besser wird ist mir klar. Aber ich muss wohl erst selbst erleben, wie schlimm das werden kann. Im Detail lässt sich das wohl schwer beschreiben und es ist sicher jeder anders.
Sehe dem schon etwas besorgt entgegen.

Und meine Schwiegermutter tut mir leid dabei. Sie ist eine intelligente, resolute Frau, die sich immer, selbst unter üblen Umständen zu helfen wusste und eine Menge durchgemacht hat.
Ich mag sie, nicht unbedingt pausenlos auf Dauer, sie hat auch ihre Macken, aber im Großen und Ganzen ist sie mir sympathisch.

Sie selbst kommt auch immer schlechter mit den falschen oder schlechten Erinnerungen zurecht, was sich meist in Ärger oder Verwunderung äußert.
Sie kann damit garnicht umgehen - kann verm. niemand. Aber jemand, der immer alles gut unter Kontrolle hatte ev. noch schlechter. Ich habe den Eindruck, dass sie darunter zeitweise sehr leidet.
Und ich finde es schade, dass unsere Telefongespräche immer uninteressanter und seltsamer werden.

Wir leben 700 Km entfernt von einander, mein jüngstes Kind geht noch zur Schule und ich habe hier meine Arbeit - ich kann also nicht mal eben hinfahren.

Immerhin hat sie daheim viele Kontakte, vor allem auch Mietern eines Gewerbebereichs an ihrem Haus, die sie fast täglich sehen. Dadurch kann ich zumindest sicher sein, dass ich bei Bedarf verständigt werden würde.

Gruß, Paran

Hallo,

ich wollte schon drum bitten, dass der Artikel „geschlüsselt“ wird. Prima, dass das gemacht wurde. In die FAQs sollte er meiner Meinung nach auch unbedingt rein.

Barbara

Kein Alzheimer, keine echte Demenz
Hallo,

Danke für Deine Mühe, aber Du hast mich wohl missverstanden.
Meine Schwiegermutter hat keinen Alzheimer, ist auch nicht richtig dement. Nur ziemlich alt und etwas vergesslich.
Aber angesichts ihrer 90 Jahre kommt sie noch sehr gut zurecht, regelt ihren nicht unkomplizierten Haushalt alleine und das meiste klappt sehr gut.

Es gibt nur hier und da Missverständnisse wegen Gedächtnissschwächen oder einer leichten Demenz - die in dem Alter wohl einfach normal sind.
Ich jedenfalls kenne nur wenige 90 Jährige, die noch so fit sind.

Es ist nicht mehr so einfach mit ihr, auch weil manche Themen mit ihr schwer zu besprechen sind und schon immer waren. Die Kommunikation war nie einfach, besonders bei wichtigen Themen.
Dazu die Gedächtnissschwäche und schon liegt der Hase im Pfeffer.

Gruß, Paran

Hallo Paran,

die Demenz unseres Verwandten begann auch so, mit Kleinigkeiten.

Natürlich wird man keine aufwändige Diagnostik betreiben, wenn die Vergesslichkeit sich dauerhaft im ungefährlichen Rahmen hält.

Ich habe beruflich häufig mit alten bzw. sehr alten Menschen zu tun, und auch dort hat sich das Verhalten bewährt, das ich in Bezug auf Demenz beschrieben habe.

Das Wichtigste ist - finde ich - dass jeder Mensch grundsätzlich, aber für alte bzw. demente Menschen umso mehr , Zeit und Verständnis aufbringen sollte.

Genau das machst Du, indem Du Dir Gedanken machst und ihn besser verstehen willst, bzw. nach einem konfliktfreien Umgang suchst.

Irgendwann sind wir ja auch „die Alten“…

Angelika

Hallo Angelika,

danke für Deinen Beitrag.

Leider wohne ich weit entfernt von meiner Schwiegermutter und kann meiner Arbeit wegen nur im Sommer für eine Woche hinfahren. Meine KInder sind in den übrigen Ferien schon mal da, können aber Demenz nicht einschätzen.

Bislang ist die Entwicklung langsam. Sie wird sachte Dement, das ist klar, aber sie ist noch weit davon entfernt, nicht mehr zurecht zu kommen. Sie hat auch vor Ort ausreichend Hilfe für die kleinen Probleme des Alltags.

Aber mit wichtigen Entscheidungen überrascht sie mich schon mal, ist der Meinung, ich hätte es ihr so geraten ohne dass wir je konkret darüber geredet hätten. Das führt dann am Telefon schon mal zu Missstimmungen, die ich nicht möchte - sie regt sich dann leicht und überflüssig auf - wirkt desorientiert und aufgelöst, Ich bin 700 Km entfernt, kann schwer darauf reagieren - vor Ort wäre das einfacher.
Aber ich kann auch nicht zustimmen, wenn sie mir falsche Aussagen unterstellt.

Sicher sind es meist blöde Mißverständnisse, schätze ich mal. Aber es ist schwer, damit umzugehen, telefonisch allemal.

Die Wohnorte stehen nicht zur Diskussion. Schwiegermutter will in ihrem Haus bleiben und ich sowie meine Kinder können und wollen hier nicht weg wegen Arbeit und Schule.

Gruß, Paran

Hallo,

Danke für deinen sicher guten Tip.
Aber ich sehe meine Schwiegermutter nur einmal im Jahr persönlich, rufe alle 2-3 Wochen an.

Telefonisch ist es schwierig, die Situation richtig einzuschätzen.
Bekannte haben mir beim letzten Besuch z.B. erzählt, dass sie mit ihrem Dreirad höchst risikoreich herumfährt. Die Bekannten haben ihr dann zum Geburtstag ein Fähnchen fürs Fahrrad geschenkt, damit sie besser gesehen wird.
Schwiegermutters Sicht ist ganz anders. Sie fährt super sicher, absolut verkehrsgerecht.

Sie hat das Fähnchen erst akzeptiert, nachdem ich ihr lange gut zugeredet habe und erwähnte, dass in Berlin auch schnelle, sportliche Liegeradfahrer solche Fänchen nutzen, sinnigerweise. Selbige dort schon üblich wären - was nur halb stimmt. Aber immerhin halb.
Aber die Bekannten hatten von etlichen Autofahrern gehört, dass Schwiegermutter auf dem Rad schwer zu sehen ist und etwas kraus fährt. Ich kann es mir vorstellen.

Aber das sind z.B. Probleme, die ich nur mitbekomme, wenn ich dort bin. Telefonisch bekomme ich nur Schwiegermamas Sicht, die eben inzwischen schon etwas eingeschränkt ist. Und das wird nicht besser.

Öfter hinfahren wäre sinnig, aber ich habe zwei Kinder, arbeite selbständig, habe einen Haushalt zu führen - da bleibt nicht soviel Zeit. Der Urlaub am Niederrhein bei Schwiegermutter ist mein einziger Außerhausurlaub im Jahr. Eine Woche.

In der übrigen freien Zeit ist immer etwas anderes zu tun.
Mal davon abgesehen, dass ich meiner sehr selbständigen Schwiegermutter nicht ohne Not etwas aufzwingen möchte.
Noch ist sie mündig und selbständig - ihre weniger guten Entscheidungen sind verm. noch um Längen besser, als etliche von jungen, aber weniger erfahrene Menschen getroffene.

Sie ist vergesslich, aber nicht dumm.

Gerade darum ist eine Einschätzung per Telefon so schwer.

Gruß, Paran

Hallo,

Zumindest nicht, soweit
ich das beurteilen kann.

Ist eine sehr unzuverlässige Diagnose. Die meisten Demenzdiagnosen werden zu spät gestellt. Ich wäre froh gewesen, bei meiner Frau hätte die Demenz früher diagnostiziert und damit die medikamentöse Behandlung früher eingesetzt werden können.

Allerdings hat mich nach einem Gespräch vor kurzem erstaunt,
dass sie mir einen Rat zuordnete, den ich mit absoluter
Sicherheit nie gegeben habe.

Welche negativen Folgen hatte dies für sie/ für dich?

Meine Frage: führt Altersdemenz nicht nur zu Erinnerungslücken
sondern ev. auch zu falschen Erinnerungen?

Ja, aber nicht nur. Bei meiner Frau zeigte sich die Demenz schon in frühen Jahren in Form von Orientierungproblemen und Augen-Hände-, Augen-Beine/Füße-Koordinationproblemen. Ich könnte noch mehr aufzählen, was nicht mit Vergeßlichkeit im engeren Sinne zu tun hat.

Ist das üblich,
möglich?

Nach meiner laienhaften Erfahrungkann kann vieles „üblich“ sein.

Danke für Tips,

  • möglichst früh Diagnosen durchführen
  • nicht widersprechen oder korrigieren
  • Gefühle verlieren Demente nicht
  • Wohlfühlatmosphäre herstellen, Späße machen, (einfache) Witze erzählen, miteinander singen
  • keine geistige Überforderung, wenn etwas nicht geht unterstützen.

Gruß
Otto, Ehefrau 71, vor 6 Jahren D-Diagnose, vor kurzem eine 5-wöchige Campingreise in Ungarn/Rumänien gemeinsam absolviert

Hallo,

vielen Dank für Deine Antwort.

Die alte Bekannte ist allerdings schon noch recht fit. Etwas und zunehemnd vergesslich - aber sie ist 90, da erwartet man kein Topgedächtniss mehr.
Sie kann noch prima Kniffeln, Besuche organisieren sowie ihren Haushalt problemlos führen.

Ich würde daher von schwacher Altersdemenz ausgehen.

Aber sie hat hin und wieder Erinnerungen, die schlicht falsch sind. Korrigieren geht garnicht - sie ist sich ihrer Erinnerungen sicher (sie ist charakterlich ein starker Typ, ihrer selbst immer sicher gewesen).
Ich habe erst jetzt bemerkt, dass da manches nicht mehr so richtig gut geht und bemühe mich auch, sie nicht aufzuregen.
Sie macht halt Geschäfte mit ihrer Hausbank, die nicht völlig daneben sind, aber auch nicht richtig ratsam. Aber es ist ihr Vermögen, das da ev. Schaden nimmt, ich werde damit nie zu tun haben. Trotzdem habe ich mal versucht, den angeblich von mir stammenden Rat zu korrigieren. Ging einfach nicht, hat sie nur aufgeregt.
Ist mir blöd, wenn ich nachher als Urheber nicht ganz so guter Entscheidungen dastehe.

Finde es auch schad, dass sie, weil alt und inzwischen leichter beeinflussbar, etwas ausgenommen wird. War jetzt nichts Drastisches (bislang), aber schon gelogen.
Vor zehn Jahren hätte sie das sicher nicht gemacht.

Zudem treibt sie die Sorge um, vor ihrem Tod ihren Hausstand zu entsorgen - nat. nicht ganz, aber sie will ihren Erben ein möglichst unkompliziertes Erbe hinterlassen und macht sich überflüssig Sorgen deswegen.
Die künftigen Erben sind jung und werden das schon schaffen, erwarten da auch nichts, da muss sie sich doch mit 90 keinen Kopp und schlaflose Nächte drum machen.
Denk ich mir.

In Ihren Alter sollte man doch eher mit der Einstellung: „nach mir die Sintflut“ leben können, schlicht ohne Sorgen und die restlichen Jahre genießen. Sie ist körperlich recht gesund, wohnt im alten Zuhause, kann also noch einiges genießen. Ist allerdings etwas lebensüberdrüssig, trotz Fitness, guter sozialer Kontakte und Radfahren (das liebt sie).
Ich steige da nicht recht durch. Die morbiden Tendenzen finde ich schade - nachvollziehbar vielleicht - aber ich bin nicht 90, kann mir das auch schwer vorstellen.

Es tut weh, jemanden, den man als sehr aktiv und intelligent kennengelernt hat, so teilweise verworren zu erleben ohne helfen zu können (dazu wohne ich zu weit entfernt, am Telefon geht das nur bedingt, eigentlich garnicht. Hinziehen geht auch nicht wegen Arbeit und Kinder).
Trotz eniger Kontroversen mag ich diese Frau, aus vielen veschiedenen Gründen und nicht uneingeschränkt. Aber trotzdem.
Nur ist sie in letzter Zeit halt nicht mehr ganz so, wie man sie kennt.

Warum wollen eigentlich alle richtig alt werden? So toll scheint das nicht zu sein.

Gruß, Paran