Wie Grundgesetzkonform ist der §10 SGB II

Ich habe eine Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt: Der § 10 des 2. Sozialgesetzbuches (abgekürzt SGB II) verlangt von Empfängern von Hartz IV Leistungen, jede zumutbare Arbeit an zu nehmen. Ich frage mich, wie sich das mit dem Artikel 12 des Grundgesetzes verträgt, in dem es heisst:

Artikel 12 (Berufsfreiheit)

Abs. 1 Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden.

Abs. 2 Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen, allgemeinen und für alle gleiche öffentlichen Dienstleistungspflicht.

Abs. 3 Zwangsarbeit ist nur im Rahmen eines gerichtlich angeordneten Freiheitsentzuges zulässig.

Die im Abs. 2 erwähnte herkömmliche, allgemeine und für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflicht beschränkt sich nach meiner Kenntnis nur auf Leute die der Wehrpflicht bzw. der Pflicht zum Wehrersatzdienst unterliegen nach Artikel 12 A Grundgesetz. Jedoch nicht auf Bezieher(innen) von Sozialleistungen. Ich frage mich daher ob der § 10 SGB II überhaupt verfassungsgemäß ist. Die Meinung von Juristen würde mich hier ganz besonders interessieren.

Bitte genau lesen, was das SGB hier vorsieht.
SGB II § 10 sieht keine Zwangsarbeit vor; es geht darum, dass kein bedingungsloses Grundeinkommen vorgesehen ist, sondern nur - subsidiär, also wenn jemand nicht imstande ist, sich selbst zu versorgen - Grundsicherungsleistungen unter den genannten Voraussetzungen (Arbeitsaufnahme, soweit zumutbar).

Man kann krtisieren, dass nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen für jedermann vorgesehen ist, also niemand zu arbeiten braucht (wenn man das für wünschenswert hält); man kann (m.E. zurecht) problematisieren, dass Arbeit zu Billiglohn als zumutbar angesehen wird, aber man sollte das nicht mit Zwangsarbeit in eins setzen.

Hallo !

Die Rechtsprechung zur Konformität des § 10 SGB II mit dem GG ist inzwischen abschließend:

Lohndumping ist grundsätzlich rechts- und sittenwidrig. In ihrer Weisung zu § 10 SGB II weist die BA in Rz. 10.03 darauf hin, dass gemäß der Rechtsprechung Sittenwidrigkeit vorliegt, wenn der Lohn wemiger als 2/3 unter dem üblichen Tariflohn (bei existierendem Tarifvertrag) oder ortsüblichem Lohn liegt und in diesem Fall ein Jobangebot wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II folgenlos abgelehnt werden kann, d.h. in diesem Fall ein zwingend anzuerkennender wichtiger Grund nach § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II vorliegt, der eine Sanktion ausschließt. Vgl. auch Budesarbeitsgericht (BAG) vom 22.04.2009, Az. 5 AZR 436/08.

Eine Arbeit ist dann wegen Rechtswidrigkeit unzumutbar, wenn sie Tätigkeiten beinhaltet, die gegen geltendes Recht verstoßen und der Arbeitnehmer somit bei Ausübung derselben eine strafbare Handlung begehen würde.

Eine Unzumutbarkeit aus körperlichen, geistigen und seelischen Gründen liegt vor, wenn Arbeiten welche Tätigkeiten beinhalten, die aufgrund festgestellter oder akkut vorliegender körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht ausgeübt werden können.
Die Erwerbsfähigkeit, also die körperliche und seelische Eignung, der Hilfebedürftigen muss immer durch den Amtsarzt, medizinischen Dienst der Krankenkassen oder psychologischen Dienst beurteilt und abschließend festgestellt werden.

Viele Grüße

Thomas B.

Ich habe eine Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt:
Der § 10 des 2. Sozialgesetzbuches (abgekürzt SGB II) verlangt
von Empfängern von Hartz IV Leistungen, jede zumutbare Arbeit
an zu nehmen. Ich frage mich, wie sich das mit dem Artikel 12
des Grundgesetzes verträgt

Hallo Kastanie,

ich kann vollkommen verstehen, dass das eine Ungereimtheit ist.
Ich bin allerdings kein Jurist.
Ich habe nur Sozialversicherungsfachangestellte gelernt.

Nach Artikel 12 des Grundgesetzes heißt es zwar, dass niemand zum arbeiten gezwungen werden kann, aber in Abs.2 heißt es auch, dass es nicht gilt, wenn eine öffentliche u.a. Dienstleistungspflicht besteht.
Bei Bezug von Sozialleistungen besteht in sofern eine öffentliche Dienstleistungspflicht, weil die Bezüge von der „Öffentlichkeit“ gezahlt werden.
Daher sind die Angaben im SGB II Verfassungsmäßig.

Gruß
sydney

Hallo Kastanie,

auf Deine Frage kann ich Dir leider keine zufriedenstellende Antwort geben.

Auf Grundlage meines persönlichen Rechtsempfindens würde ich aber sagen:

Solange sich eine Person, von jeglichen Institutionen unabhängig, selbst versorgen kann, trifft Artikel 12 uneingeschränkt zu.
Aber:
Wenn jemand Hartz4 bezieht, also Geld vom Staat bekommt, so denke ich, kann der Staat auch eine gewisse Gegenleistung vom Empfänger verlangen, auch wenn es vielleicht nicht ganz mit anderen Gesetzen vereinbart scheint.
Allerdings ist im Grundgesetz auch nicht verankert, dass der Staat verpflichtet ist, eine Person bedingungslos zu versorgen.
Also würde ich sagen, nein…

MfG

Hallo Kastanie,

die Frage ist berechtigt,wenn ich den 12.Artikel lese.
Ich kann Dir leider nicht helfen,aber ich würde Deine Frage mal die Sachbearbeiter vom Amt stellen.Wär´ super,wenn Du die Reaktionen und evtl.Antworten hier noch mal posten könntest.

Alles Gute und herzliche Grüße
Seegurke

Sicherlich, hast Du damit Recht, aber Recht ist in Deutschland nicht gleich Recht. Denn in diesem Land werden soviele Gesetze verbogen, da sieht niemand mehr durch. Suche Dir einen Anwalt, beantrage Prozesskostenbeihilfe und lasse den arbeiten.

Ich habe kürzlich bei wer weiss wass die Frage gestellt, wie verfassungsmäßig der § 10 SGB II ist. Bereits im letzten Jahr habe ich mich diesbezüglich an die Fraktion der Linkspartei gewendet, die mir sehr schnell geantwortet haben. Ich habe dieses Antwortschreiben gescannt. Fals Dich das interessiert, kann ich Dir die Kopie als Anhang zu einer E-Mail zuschicken. Ich müsste dann nur eine E-Mail Adresse haben wo ich das hinschicken soll.