-bar-Inflation

Hallo Wissende
Seit einiger Zeit fällt mir auf, dass die Endung „bar“ sehr in Mode kommt. Natürlich gab und gibt es viele legale Anwendungsmöglichkeiten dafür, wie „brauchbar“, „wählbar“, „fahrbar“ etc. etc. …
Wenn ich jedoch lese, dass ein Lied singbar oder eine Frucht erntbar ist, dann sträubt sich etwas in mir. Warum?
Gibt es da Regeln/Erklärungen und wie heissen die?
Auf Antworten freut sich
Erich

im Suffix -bar steckte ursprünglich die Fähigkeit, die einem
Ding innewohnt.

kannst du dafür bitte ein beispiel nennen? irgendwie scheine ich etwas falsch zu verstehen…

einem stück holz wohnt die fähigkeit zu schwimmen inne. ist es deswegen schwimmbar? wohl kaum. schwimmfähig triffts es eher.

Das geht mir ebenso, weil ein jedes Lied gesungen werden kann
(wenn auch nicht unbedingt von mir)

tja, das ist eben der clou. was für mariah carey singbar ist, ist für dich nicht unbedingt singbar.

genauso wie jede Frucht
geerntet werden kann.

da bin ich mir gar nicht so sicher, und selbst wenn, dann auch wiederum nicht von jedem und nicht zu jedem zeitpunkt. wobei ich „erntbar“ selbst auch scheußlich finde, das muß ich zugeben.

Gibt es da Regeln/Erklärungen und wie heissen die?

die regel lautet: drück dich so aus, daß deine mitmenschen dich verstehen. je nach zielgruppe und kontext wird das unterschiedliche strukturen erfordern.

Moin, trotzdem.

kannst du dafür bitte ein beispiel nennen?

Ein streitbarer Recke.

irgendwie scheine ich etwas falsch zu verstehen…

Das ist denkbar (denkbar: Schönes Beispiel für eine hässliche Redewendung, nebenbei gesagt).

einem stück holz wohnt die fähigkeit zu schwimmen inne. ist es
deswegen schwimmbar? wohl kaum. schwimmfähig triffts es eher.

Stimmt. -bar ist schwierig, weil oft nicht klar ist, wer die Eigenschaft trägt. Pilze sind essbar (manche nur einmal). Besser wäre wohl zu sagen, Pilze sind bekömmlich - oder eben nicht.

Wenn gesagt wird, der Gegner sei schlagbar, nehmen wir das hin, meinen aber, wir könnten ihn schlagen. Ich war als Kind auch sehr schlagbar, das hätte meine Mutter jedoch empört zurückgewiesen.

Das geht mir ebenso, weil ein jedes Lied gesungen werden kann
(wenn auch nicht unbedingt von mir)

tja, das ist eben der clou. was für mariah carey singbar ist,
ist für dich nicht unbedingt singbar.

Die singt auch nicht, sondern melismiert (jault).

genauso wie jede Frucht geerntet werden kann.
da bin ich mir gar nicht so sicher, und selbst wenn, dann auch

wiederum nicht von jedem und nicht zu jedem zeitpunkt. wobei
ich „erntbar“ selbst auch scheußlich finde, das muß ich
zugeben.

Du wirst mir sicher noch eine Frucht nennen, die nicht gerntet werden kann. Von wem auch immer.

Gibt es da Regeln/Erklärungen und wie heissen die?

die regel lautet: drück dich so aus, daß deine mitmenschen
dich verstehen. je nach zielgruppe und kontext wird das
unterschiedliche strukturen erfordern.

Wunderbar, dann können wir ja endlich alle Regelwerke auf den Müll schmeißen.

Der Mensch gewöhnt sich an allem (sogar…), woraus folgt, dass nach dem Abklingen des Überraschungseffektes alles gefressen wird, was irgendein Dummbeutel daherschwätzt. Die wahre Leistung liegt bekanntermaßen nicht beim Sprecher, sondern beim Hörer. Daraus abzuleiten, der Hörer solle alles unbedarft weitertragen, was er verstanden hat, dient dem Verbreiten von Unrat.

Gruß, trotzdem.

Moin, moin Ihr beiden - oder drei?

die Lösung ist ziemlich einfach: die Endung -bar ist nur bei transitiven Verben grammatisch richtig. Das heißt nicht, daß sie nicht auch bei intransitiven verwendet würde - das schrecklichste Beispiel ist „unverzichtbar“ -, aber aber die Menge der falschen Verwendungen statuiert keine neue Regel.

Gruß - Rolf

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Hallo geantwortet habende
Es ist wohl erklärbar und nicht sonderbar (wo ist da ein Verb?) dass meine offenbar schwierige Frage nicht direkt beantwortbar ist; dennoch haben mir die trffenden Antworten weiter geholfen.
Bin ich nun wohl helfbar oder nur dankbar?
Erich

Moin, Rolf,

die Lösung ist ziemlich einfach:

wenn man’s weiß :smile:

die Endung -bar ist nur bei
transitiven Verben grammatisch richtig.

Danke, genau das war mir entfallen.

Das heißt nicht, daß
sie nicht auch bei intransitiven verwendet würde - das
schrecklichste Beispiel ist „unverzichtbar“ -,

Sollten wir mal eine Sammlung der grauslichsten Neuschöpfungen anstoßen?

aber die
Menge der falschen Verwendungen statuiert keine neue Regel.

Warte, warte nur ein Weilchen. Der Duden erfindet keine Sprache, er vollzieht nach, was das Volk spricht und würgt für die nächste Ausgabe eine Regel heraus.

Gruß Ralf

Das ist denkbar (denkbar: Schönes Beispiel für eine hässliche
Redewendung, nebenbei gesagt).

das bedeutet: man kann es denken. die fähigkeit zu denken wohnt nicht der sache inne, nur die fähigkeit, gedacht zu werden.

einem lied wohnt wohl die fähigkeit inne, gesungen zu werden. anders gesagt: man kann es singen. also ist es singbar.

Stimmt. -bar ist schwierig, weil oft nicht klar ist, wer die
Eigenschaft trägt. Pilze sind essbar (manche nur einmal).
Besser wäre wohl zu sagen, Pilze sind bekömmlich - oder eben
nicht.

ich sehe da bisher keinen widerspruch zwischen den einzelnen beispielen, nur den widerspruch zwischen deinen definitionen.

die eigenschaft (vorher hast du ja fähigkeit geschrieben! vermutlich war das der fehler) wohnt immer der sache inne. die pilze sind eßbar, weil man sie essen kann. eine hypothese ist denkbar, weil man sie denken kann. ein lied ist singbar, weil man es singen kann. und transitiv sind diese verben auch noch.

Wenn gesagt wird, der Gegner sei schlagbar, nehmen wir das
hin, meinen aber, wir könnten ihn schlagen.

ja, und? worauf willst du damit hinaus?

Die singt auch nicht, sondern melismiert (jault).

dann sind ihre lieder auch noch melismier- oder jaulbar. auch wieder kein gutes gegenargument.

Du wirst mir sicher noch eine Frucht nennen, die nicht gerntet
werden kann. Von wem auch immer.

keine ahnung, bin kein botaniker, aber es wäre durchaus denkbar, daß es früchte gibt, die aus dem einen oder anderen grund nicht geerntet werden können. aber hier geht es nur um grammatische fragestellungen.

Wunderbar, dann können wir ja endlich alle Regelwerke auf den
Müll schmeißen.

nein. regelwerke sind schließlich dazu da, sich die sprechweisen anzueignen, die in bestimmten kontexten erwünscht sind. viel interessanter wäre es, einen flexibleren umgang mit regeln und regelwerken (nicht nur in der sprache) zu lernen und zu pflegen.

Die wahre Leistung liegt bekanntermaßen nicht beim Sprecher,
sondern beim Hörer.

ach so? bekanntermaßen?

Daraus abzuleiten, der Hörer solle alles
unbedarft weitertragen, was er verstanden hat, dient dem
Verbreiten von Unrat.

ich habe nichts dergleichen aus irgendwas abgeleitet, im gegenteil. ich strich und streiche die verantwortung des sprechers, seine sprechweisen dem kontext und der umgebung anzugleichen, hervor. ich verstehe nicht mal ganz, was du mir unterstellen willst, und schon gar nicht, wie du darauf kommst.

das bedeutet: man kann es denken.

und was, bitte, kann nicht gedacht werden? Wo denkbar steht, gehört eher möglich hin.

die fähigkeit zu denken wohnt nicht der sache inne,
nur die fähigkeit, gedacht zu werden.

Das ist eine Fähigkeit der Sache?

einem lied wohnt wohl die fähigkeit inne, gesungen zu werden.

Das ist eine Fähigkeit des Liedes?

anders gesagt: man kann es singen. also ist es singbar.

Nochmal zum Mitschreiben: Alle Lieder können gesungen werden. Wer meint, ein Lied wäre einfach zu singen, der verwende dafür ein passendes Adjektiv wie zB eingängig.

viel interessanter wäre es, einen flexibleren umgang mit
regeln und regelwerken (nicht nur in der sprache) zu lernen
und zu pflegen.

Das wäre sicher interessant für Leute, die nicht begründen können, warum sie gegen Regeln verstoßen. Gewollte (!) Regelverstöße in der Sprache (und anderswo) können durchaus sinnvoll sein können, das setzt aber die Kenntnis der Regeln voraus.

ich verstehe nicht mal ganz, was du mir
unterstellen willst, und schon gar nicht, wie du darauf
kommst.

Ich unterstelle hier gar nichts.

Falls Dich die Regel zur Wortbildung interessiert, schau mal bei Rolf rein.

und was, bitte, kann nicht gedacht werden?

das kann ich dir laut wittgenstein leider nicht sagen…

Das ist eine Fähigkeit der Sache?

mit der fähigkeit hast du angefangen, ich zitiere nochmal aus deinem ersten post:

im Suffix -bar steckte ursprünglich die Fähigkeit, die einem
Ding innewohnt.

ich habe gemeint, ich verstünde nicht, was du damit meinst, und um beispiele gebeten bzw. gegenbeispiele gebracht. natürlich ist es keine „fähigkeit“, gesungen oder gegessen zu werden, sondern eine eigenschaft. wie gesagt, das wort fähigkeit ist von dir, ich habe nur versucht, deine erklärung nachzuvollziehen.

Nochmal zum Mitschreiben: Alle Lieder können gesungen werden.
Wer meint, ein Lied wäre einfach zu singen, der verwende dafür
ein passendes Adjektiv wie zB eingängig.

wenn du „lied“ als etwas, was gesungen werden kann, definierst, hast du sicher recht. wenn nicht, dann nicht. aber gut, dann einigen wir uns darauf:

dieses lied ist singbar. -> falsch
dieses lied ist für mich singbar. -> richtig?
dieses lied ist leicht singbar. -> richtig?

Gewollte (!)
Regelverstöße in der Sprache (und anderswo) können durchaus
sinnvoll sein können, das setzt aber die Kenntnis der Regeln
voraus.

genau das hab ich gemeint.

Falls Dich die Regel zur Wortbildung interessiert, schau mal
bei Rolf rein.

„essen“ ist ein transitives verb, daher ist „eßbar“ erlaubt. „singen“ kann auch transitiv sein, daher müßte „singbar“ ebenfalls erlaubt sein. ich verstehe das problem nicht. einerseits verweist du auf die regel, andererseits kommst du mit irgendwelchen semantischen überlegungen daher…

„verzichten“ ist nicht transitiv, daher brauchen wir über „verzichtbar“ gar nicht erst zu diskutieren.