Begriff 'Monolog'

Hallo Experten,

ich unterhielt mich vor kurzem mit jemand, der meinte, dass „Monolog“ ein literarischer Fachbegriff sei (so weit so gut) und ausschließlich für literarische Werke bzw. die Bühne gilt und nicht für die Realität. So sei der Monologist ausschließlich jemand, welcher auf der Bühne oder im Stück einen Monolog spricht (oder denkt). Ich bin mir nicht sicher, aber spontan würde ich zunächst auch mal sagen, dass ich in der Realität höchstens ein „Selbstgespräch“ führe oder in einer Runde eine „Rede“ halte. An „Monolog“ habe ich in diesem Zusammenhang auch noch nicht gedacht.

Aber irgendwie regt sich in mir dennoch ein Zweifel, dass dieser Begriff wirklich ausschließlich zur Charakterisierung einer Literaturstelle dient. Könnte ich mich nicht auch als Monologisten bezeichnen, wenn ich eben ein Selbstgespräch führe? Was sagen die Deutsch-Fachmänner/-frauen dazu?

Ganz konkret beziehe ich mich dabei auf einen Titel von Mike Keneally, welcher „The happy Monologist“ heißt. Dabei finde ich den Titel schon irgendwie ansprechend, denn mir ist (okay, ich bin nicht besonders belesen, aber dennoch) kein Monolog bekannt, in dem der Sprecher nicht irgendwie in einem wie auch immer gearteten Dilemma oder kurz vorm Suizid steht (z.B. in Goethes ‚Faust‘ oder ‚Iphigenie auf Tauris‘, Schillers ‚Wilhelm Tell‘, Shakespeares ‚Romeo und Julia‘ oder ‚Julius Caesar‘ u.v.m.). Kann mir jemand ggf. Gegenbeispiele nennen, also Beispiele dafür, dass der Monologist zweifellos glücklich ist?

LG
Huttatta

Hallo, Huttata!

„Monolog“ ein literarischer Fachbegriff

Das glaube ich nicht; es ist einfach ein Selbstgepräch, das nun freilich besonders oft im Theater auftaucht.

Könnte ich mich nicht auch als Monologisten bezeichnen, wenn ich eben ein Selbstgespräch führe?

Natürlich. Ich halte gerne Monologe, weil ich da sicher bin, nicht missverstanden zu werden. Und so einen klugen Zuhörer wie mich selber, finde ich nicht immer.

Monologe eignen sich im Theater, in der Oper und in der Literatur natürlich besonders, um in kritischen, problematischen, entscheidenden Situationen, die Gedanken und Gefühle des Protagonisten auszudrücken.

Doch nicht immer sind die düster. Wenn Fritz Wunderlich, den ich eben höre, als Belmonte seine Arie „Oh, Constanze“ singt, drückt er seine Freude aus, die Geliebte wieder zu sehen; ebenso klagt und jammert Wunderlich als Tamino mit dem Bild Paminens in der Hand mitnichten.

Es ließen sich aus Mozartopern, aber auch aus Verdi und anderen solche selige Monologe nennen.

Faust großer Monolog vor seinem Tod ist reines Glücksgefühl!

_ Faust :

Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Verpestet alles schon Errungene;
Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
Das Letzte wär’ das Höchsterrungene.
Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Äonen untergehn. -
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick.

(Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf und legen ihn auf den Boden.)_

Goethe, Faust II, 11560 - 11586

Und das letzte Kapitel des „Ulisses“, der innere Monolog Mollys ist alles andere als tragisch, nichts von Suizid.

Gruß Fritz

Ich halte gerne Monologe, weil ich da sicher bin, nicht missverstanden :zu werden.

Und vor allem, lieber Fritz, unterbricht Dich keiner1

Gruß - Rolf

„Monolog“ ein literarischer Fachbegriff

Das glaube ich nicht; es ist einfach ein Selbstgepräch

sicher?

ist eine rede, ein vortrag oder dergleichen kein monolog? im gegensatz zu dialog, bei dem nicht nur einer, sondern eben zwei sprechen?
heißt selbstgespräch nicht innerer monolog?

Hallo Gyuri,

ist eine rede, ein vortrag oder dergleichen kein monolog? im
gegensatz zu dialog, bei dem nicht nur einer, sondern eben
zwei sprechen?

Das verstehe ich anders. Eine Rede oder ein Vortrag ist ja an Dritte gerichtet, die einbezogen sind als Zuhörer, die das Vorgetragene aufnehmen, u.U. sogar antworten, wenn auch nicht laut.
Ich denke, wenn ein Vortrag als Monolog bezeichnet werden kann, ist es kein guter Vortrag.

heißt selbstgespräch nicht innerer monolog?

Ja, da paßt es ja auch; es sei denn, es handelt sich um eine multiple Persönlichkeit, da hieße es wohl Dialog.

LG,
MrsSippi

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Das glaube ich nicht; es ist einfach ein Selbstgepräch

sicher?

Für mich schon; und Wahrig und Duden und Mackensen und Dornseiff sehen das ebenso, dass bei einem Monolog kein Zuhörer, kein Ansprechpartner vorausgesetzt wird.

ist eine rede, ein vortrag oder dergleichen kein monolog?

Meinem Verständnis nach nicht, obwohl die Rede eines/r Politikerin/s, die Predigt eines Pfarrers, der Lehrvortrag eines Lehrers bisweilen nur körperlich anwesende Leute vor sich haben und keine Zuhörer, werden sie doch auf ein Publikum hin gesprochen.

Natürlich kann man die Rede eines Aufsichtsratvorsitzenden, eines Chrustschows, eines Castros, wenn er ohne Rücksicht auf Zeit, Aufnahmevermögen, Geduld und Sitzfleisch der Zuhörer einen „Monolog“ oder „monologisierend“ nennen, aber nur weil und wenn er den Zweck der Rede zur Selbstdarstellung und geistiger Onanie missbraucht.

gegensatz zu dialog, bei dem nicht nur einer, sondern eben zwei sprechen?

Somit ist Dialog das einzig passende Gegenstück zu Monolog.

Rede, Vortrag, Predigt, Vorlesung, als in der Öffentlichkeit sich ereignend, spielen in einer anderen Liga.

heißt selbstgespräch nicht innerer monolog?

Genau, denn der laute Monolog zeigt doch meist krankhafte Züge, bei manchen alten Leuten, bei Betrunkenen etc.; und ist nur im Theater, in der Oper akzeptabel, weil man die Gedanken, die ein Protagonist hat, und die eine wichtige Rolle im Drama spielen, weil sie die Motivationen und Handlungsantriebe offenlegen, nicht hören kann.

Stell dir den Anfang von Faust vor, gespielt von Minetti, der voraussetzt, dass alle das „Habe nun ach, …“ kennen; der braucht dann erst bei der Stelle: „Enthülle dich!“ laut zu werden.

Stell ich mir großartig vor: Minetti drei Seiten lang bedeutungsvoll schweigend, bedeutungsvoll blickend, bedeutungsvoll schnaufend.

Hallo Huttatta,

ich unterhielt mich vor kurzem mit jemand, der meinte, dass
„Monolog“ ein literarischer Fachbegriff sei (so weit so gut)
und ausschließlich für literarische Werke bzw. die Bühne gilt
und nicht für die Realität.

selbst wenn das mal (ursprünglich) so gewesen sein sollte; Sprache ist nichts statisches. Viele Begriffe haben eine rechtdrastische Wandlung durchgemacht.
Beispiel ‚geil‘
Von lustig über Lüstern wieder hin zu spaßig.

Dann mag das Wort Monolog dereinst nur fürs Theater geschaffen worden sein, durch Abstimmung mit den Füßen respektive Mündern hat sich dessen Bedeutung aber gewandelt.

Gandalf

Monolog
Hi Huttata,

ein Monolog ist kein _Selbst_gespräch (das müßte man eher Autolog nennen), sondern ein _Allein_gespräch. Seit der antiken Tragödie (Sophokles, Euripides, Aischylos) wird so ein Auftritt bezeichnet, in der nur EINE Person eine längere Ausführung macht - egal, ob andere mit auf der Bühne sind oder nicht. Und dieser Monolog kann durchaus z.B. ein Dialog mit einer imaginären Gestalt sein.

Beispiel ebenfalls aus Faust I, Szene Wald und Höhle:

Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust
Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.
Du führst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,
Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste
Und Nachbarstämme quetschend niederstreift
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
Besänftigend herüber, schweben mir
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch
Der Vorwelt silberne Gestalten auf
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
O daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,
Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
Die mich den Göttern nah und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
So tauml ich von Begierde zu Genuß,
Und im Genuß verschmacht ich nach Begierde.
[3217-3250]

Natürlich kann ein Monolog auch ein Selbstgespräch sein.

Hamlet „Sein oder Nicht-Sein - Das ist hier die Frage, ob …“ ist ein Monolog, der zugleich ein Selbstgespräch ist. Aber die Bezeichnung ist unabhängig davon, ob noch andere Personen mit auf der Bühne sind oder nicht.

Aber umgekehrt, ein Selbstgespräch, das du z.B. unter der Dusche führst, ist nicht das, was man Monolog nennt. Abgesehen davon, daß dieses Selbstgespräch ebenfalls ein imaginärer Dialog sein kann. Wenn du aber mit anderen diskutierst und dabei eine längere Ausführung machst, bei der du auf eingeworfenen Argumente nicht eingehst, dann ist das ein Monolog.

Monolog bezeichnet also das kommunikative Szenarium, nicht den Inhalt.
Und vom Inhalt, ob glückselig oder unglückselig, ist das ganz unabhängig.

Gruß

Metapher

Hallo Fritz,

das

Minetti drei Seiten lang
bedeutungsvoll schweigend, bedeutungsvoll blickend,
bedeutungsvoll schnaufend.

stell ich mir eher (lach)tränentreibend vor.

LG,
MrsSippi