Hallo Michael,
danke für deine ausführliche Antwort. Was ich mich dann aber
frage: wie entstanden diese grammatikalischen Geschlechter?
Nicht etwa doch wieder aus den natürlichen Geschlechtern? Dann
wäre die Erklärung aber eher im Laufe der Entwicklung wahr
geworden, aber nicht wirklich ursächlich wahr. Oder wie sind
sie entstanden?
Die Frage nach der Entstehung von Genussystemen wird man wohl so einfach nicht beantworten können. Schließlich gibt es viele Sprachen, die ohne Genus auskommen. Dann gibt es auch Sprachen, die mehr als drei Genera besitzen. Es geht also auch anders
Die Frage der Einteilung der Genera ist natürlich wieder mal die Frage nach der Logik in einer Sprache. Aber mit Logik hat eben Sprache nicht immer etwas zu tun, schon gar nicht das Genussystem in der deutschen Sprache.
Es stellt sich eigentlich nur die Frage, welchen Vorteil ein solches System haben kann, wenn es sich entwickelt hat.
Da fällt mir im Moment nur einer ein, der sich durch die Benutzung von Pronomina ergibt.
Beispiel:
Der Hund jagd die Katze bis sie müde wird.
Es ist eindeutig wer gemeint ist.
Genauso: Der Hund jagd die Katze bis er müde ist.
Im Englischen funktioniert das so einfach nicht.
Haben Substantive verschiede Genera, so ist ein Verweis durch ein Pronomen ohne Mißverständnisse möglich.
Das schließt natürlich nicht aus, daß ursprünglich mal das grammatische Geschlecht mit dem biologischen übereinstimmte oder sich sich aus dem biologischen entwickelt hat. Aber das ist Spekulation. Ich glaube nicht daran da, wie schon erwähnt, die „Frage“ ja erst dann entsteht, wenn man die Gruppe der „Das-Wörter“ sächlich oder Neutrum nennt, also einen unzutreffenden, oder besser gesagt, irreführenden Oberbegriff wählt.
Die Weiterentwicklung des Genussystems beruht auf jeden Fall auf reiner Willkür (oder Zufall), auch wenn sich dabei bestimmte Gesetzmäßigkeiten herauskristallisiert haben, die aber eben auch wieder nichts mit Logik zu tun haben.
Das immer wieder zitierte Beispiel mit dem „sächlichen Mädchen“ zeigt eben, daß es ein Einteilungsschema gibt, das sich an den grammatischen Genus orientiert und nicht am biologischen. Denn grundsätzlich sind alle Wörter, die auf „chen“ enden sächlich, also auch Frauchen, Weibchen, Männchen und Herrchen. Und alle Wörter auf „ung“ sind weiblich, egal ob es die Hoffnung oder die Heizung ist, und Wörter auf „er“ sind i.d.R. grammatisch männlich, wie Lehrer Schraubenzieher, Keller und Teller (Ausnahme Mutter). Wortschöpfungen, wie Lehrerin, konnten sich nur deshalb entwickeln, weil eben immer wieder der grammatische mit dem natürlichen Geschlecht verwechselt wird oder in einen Topf geworfen wird. Im Englischen existieren auch die „er“-Wörter, wie teacher, aber niemand würde dort auf die Idee kommen, daß damit nicht auch eine she gemeint sein kann, genauso wie im Deutschen „die“ Person oder „die“ Geisel biologisch durchaus männlich sein kann. Aber das ist ein anderes Thema …
Noch eine Anmerkung zur Entwicklung der Artikels:
Im Vor-Althochdeutschen folgten die Substantive einem kompliziertes Flexionssystem mit wichtigen Informationen wie Kasus, Numerus und Genus in der Endsilbe.
Durch den Verlust der Akzentuierung der Endsilbe im Althochdeutschen, verloren sich auch die verschiedenen Flexionsformen und damit deren Informationsgehalt. An diese Stelle trat dann der Artikel, der sich aus den Demonstrativpronomina, also Wörter wie dieser oder jener, entwickelte.
Der, die und das entwickelte sich aus den althochdeutschen Demonstrativpronomen „der“, „diu“ und „daz“.
So, das ist jetz alles was ich über das Genussystem weiß. Schön wäre es, wenn sich noch ein Sprachwissenschaftler findet, der das Ganze zerrupft, ergänzt oder bestätigen könnte.
Gruß
Roland