Notausgang ist frei zuhalten

Hallo Forum,

an der Uni Potsdam gibt es seit einiger Zeit Schilder mit der Aufschrift „Der Notausgang ist frei zuhalten.“ Schlimm genug, dass so etwas an einer Universität geschieht und dann gleich gehäuft auftritt.

Aber meine Frage ist eine andere: Wie kommt man auf so was?
Was verleitet einen (hoffentlich) logisch denkenden Menschen dazu, „zuhalten“ zusammenzuschreiben, wenn man nicht möchte, dass die Tür zugestellt, geschweige denn zugehalten werden muss?

Gibt es Arbeiten über derartige Fehler, oder habt Ihr eigene Theorien?

Liebe Grüße
Immo

Hi,
Meine kleine Theorie ist, dass – evtl. durch das Hickhack mit der Rechtschreibreformsreformsreform – viele verunsichert sind, was man nun zusammen( )schreiben darf und was nicht. Ich fand das sogar vor den Reformen nicht immer ganz leicht.
Die Leute wollen also „freizuhalten“ schreiben, wundern sich aber, wie man’s nun schreibt, ob nun zusammen oder getrennt. Da man „freizuhalten“ selten sieht oder schreibt, den meisten aber klar ist, dass z.B. „zuhalten“ (wie in: Du musst das Loch zuhalten!) zusammengeschrieben wird und man das vllt. auch häufiger mal liest, schreiben sie’s dann eben so.

Eventuell ist für sie auch „frei“ stärker mit dem Notausgang verbunden, als Adverb, quasi „auf freie Weise“, was natürlich semantisch nicht gefragt ist und sich auch mit der restlichen Schreibung beißt.

Ob’s da schon Arbeiten gibt, darüber, weiß ich nicht.

Gruß,

  • André

Hi,

kann ich dir nur zustimmen. Vor der REform sagte der Volksmund dass man es im zweifel zusammenschreibt, denn wenn man die bestandteile nicht mehr erkennt, ist ein neues Wort entstanden. Außerdem hat ein Wort nur eine betonte silbe, habe ich mehr als eine betonte silbe, gibt es auch mehrere Wörter (alle Begriffe umgangssprachlich verwendet)
Gerade habe ich mit meinen Schülern den Unterschied zwischen „zusammenkommen“ und „zusammen kommen“ besprochen, weil wir über Getrennt- und Zusammenschreibung im Englischen sprachen und sie es doof fanden, dass Getrenntschreibung für so viel Unterschiede sorgt.

die Franzi

Hi,

kann ich dir nur zustimmen. Vor der REform sagte der Volksmund
dass man es im zweifel zusammenschreibt, denn wenn man die
bestandteile nicht mehr erkennt, ist ein neues Wort
entstanden. Außerdem hat ein Wort nur eine betonte silbe, habe
ich mehr als eine betonte silbe, gibt es auch mehrere Wörter
(alle Begriffe umgangssprachlich verwendet)

Das ist eine gefährliche Definition, denn viele Wortgruppen haben nur eine Betonung, wie z.B. „der Schrank“, „zu sehen“, „auf Deutsch“ und sind doch 2 Wörter. Andere längere Wörter, wie z.B. „Geschenkband“, „Karamel-Waffeln“, „freizuhalten“ haben mehrere Betonungen und werden doch zusammengeschrieben. Ich denke, der Unterschied (so es überhaupt einen gibt) zwischen der Nebenbetonung in einem Wort und einer weniger starken Betonung in einer Wortgruppe ist für Nicht-Phonetiker nur sehr schwer herauszuhören.
Die Regel hilft also nicht viel weiter…

Gerade habe ich mit meinen Schülern den Unterschied zwischen
„zusammenkommen“ und „zusammen kommen“ besprochen, weil wir
über Getrennt- und Zusammenschreibung im Englischen sprachen
und sie es doof fanden, dass Getrenntschreibung für so viel
Unterschiede sorgt.

Ja, da macht die Betonung wirklich einen Unterschied: „zusámmenkòmmen“ vs. „zusàmmen kómmen“, leider ist das nicht immer so leicht. Aber ich benutz die Betonungsregel auch immer, wenn ich mir nicht auf Anhieb sicher bin.

Sehr schön auch hier bei uns in Leipzig, da steht hinter einem Hotel in der Innenstadt über der Tiefgarageneinfahrt: „HOTEL GARAGE“. Was für ein schöner Name. :wink:

die Franzi

  • der André

Hi,

ist natürlich „nur“ etwas, was der Volksmund sagte, eine Faustregel. „Nur“ in Anführungszeichen, weil die Trefferquote höher war als die der heutigen Rechtschreibung.
Was ich dabei aber unterschlagen habe: angewendet hat man die auf Verben (man = meine Mutti, ihres Zeichens Sekretärin und immer noch mein Hauptreferenzwerk in Sachen Rechtschreibung).

die Franzi

Hallo André!

Erst einmal vielen Dank für deine Theorie. Was mich eben irritiert, ist dies:

Da man „freizuhalten“ selten sieht oder schreibt, den meisten
aber klar ist, dass z.B. „zuhalten“ (wie in: Du musst das
Loch zuhalten!
) zusammengeschrieben wird und man das vllt.
auch häufiger mal liest, schreiben sie’s dann eben so.

Das hätte ich nun gerade als _Gegen_argument herangezogen: Zuhalten ist ja gerade das, was man mit der Tür nicht machen soll, also hätt ich’s nicht geschrieben.
Ich habe im Wesentlichen dadurch schreiben gelernt, dass die Graphem-Phonem-Zuordnung, soweit sie im Deutschen erkennbar ist, von meiner Oma immer deutlich hervorgehoben wurde. Wenn ich also „frei zuhalten“ geschrieben hätte, hätte sie gesagt: „Jetzt steht da ja fréi zúhalten!“, und weil ich das nicht meine, hätte ich’s halt anders geschrieben. Da war eine gewisse Scheu vor Homographen.
„frei zu halten“ hätt’ ich ja noch verstanden, mich stört halt das „zuhalten“. (Aber auch bei dieser Variante hätte meine Oma gesagt: „Da steht jetzt frèi zu hálten!“)

Liebe Grüße
Immo

Hallo Franzi,

auch Dir vielen Dank. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Fehler nicht auch vor der Rechtschreibreform so geschehen hätte können. Meine Vermutung war, dass er gerade aus dieser Betonungsregel:

Außerdem hat ein Wort nur eine betonte silbe; habe
ich mehr als eine betonte silbe, gibt es auch mehrere Wörter.

entstanden ist: Der Schreiber hört die Betonung bei „frei“ und bei „hal(ten)“, möchte also gern zwei Wörter schreiben, und weil „freizu halten“ noch blöder aussieht, entscheidet er sich für die betreffs zitierte Variante.

Nebenbei: Die Betonungsregel hilft natürlich nur Menschen, die ein Gefühl für Betonung haben. Ich hatte mal eine Bekannte, die Betonungen nicht unterscheiden konnte. Für sie war „Calau“ auf dem „u“ betont, „Gelenk“ auf „Ge“ - und ich habe es nicht fertiggebracht, ihr die Betonung hören zu helfen. Selbst die Idee, mit dem Fuß zu einem Wort zu stampfen, brachte nichts, weil sie konsequent zur ersten Silbe stampfte.
Mittlerweile habe ich noch eine andere Idee gehabt, konnte sie aber nicht mehr testen, weil betreffende Person nicht mehr mit mir spricht.

Liebe Grüße
Immo

Hi,

also ich betone beim „freizuhalten“ (also dem, was mit dem Notausgang korrekterweise geschehen sollte) nur das „frei“, nix sonst.

Bei „frei zuhalten“ würde ich frei und zu betonen (wie in „Nase zuhalten“)

aber ich kenne das Kreuz mit dem Akzent, ich unterrichte ja russischanfänger. Da gibt es alles! Wenige wissen es und könen mit den Betonungszeichen was anfangen. Ein paar mehr können es korrekt nachsprechen, wissen aber nicht was sie tun - können also mit dem Betonungszeichen nichts anfangen. Und ein paar wenige hören es nicht und können es nciht korrekt nachmachen. *sigh*
Hab jetzt einer Schülerin, die einen Schlagzeuger kennt, die Hausaufgabe gegeben, den mal nach Tipps zu fragen. Mal sehen :smile:

die Franzi

Nebenbei: Die Betonungsregel hilft natürlich nur Menschen, die
ein Gefühl für Betonung haben. Ich hatte mal eine Bekannte,
die Betonungen nicht unterscheiden konnte. Für sie war „Calau“
auf dem „u“ betont, „Gelenk“ auf „Ge“ - und ich habe es nicht
fertiggebracht, ihr die Betonung hören zu helfen. Selbst die
Idee, mit dem Fuß zu einem Wort zu stampfen, brachte nichts,
weil sie konsequent zur ersten Silbe stampfte.
Mittlerweile habe ich noch eine andere Idee gehabt, konnte sie
aber nicht mehr testen, weil betreffende Person nicht mehr mit
mir spricht.

Ich las mal von einem linguistischen Trick, herauszubekommen, wo ein Wort betont ist… und zwar erklärt man dem Sprecher, er solle sich vorstellen, auf einem Berghang zu stehen und das Wort in die weite Landschaft hinauszubrüllen, so laut wie möglich.
Dann ist das, was er langzieht, die betonte Silbe. Das klappt im Deutschen gut, aber ich weiß nicht, wie’s bei Sprachen ist, deren Betonung nicht so klar auf einer bestimmten Silbe liegt (bei Chinesisch oder Japanisch z.B.).

Caaaaaaalau!
Gescheeeeeeeeheeeeeeenk!
Freeeeeeeeeeeeeeizuha(aaa)lten!
Frei zuuuuuuuuuuuhalten!

  • Aaaaaaaaaandré

Volksverdummung
Sowas ist Volksverdummung. Hast Du keinen dicken Edding?? :wink:

LG, Uwe

hi,

Meine kleine Theorie ist, dass – evtl. durch das Hickhack mit
der Rechtschreibreformsreformsreform – viele verunsichert
sind, was man nun zusammen( )schreiben darf und was nicht.

ich glaube, dass diese kleine theorie ganz richtig ist. (*)

ergänzend dazu:
wenn menschen beginnen, über die richtigkeit des ausdrucks nachzudenken, lösen sie sich vom inhalt.

alte scherzfrage für kinder / von kindern:
„wie heißt es richtig? 7 und 5 ist 13 oder 7 und 5 sind 13?“

will heißen: wer darüber nachdenkt, ob man „frei zu halten“ oder „freizuhalten“ schreiben muss, merkt nix von der bedeutung von „zuhalten“.

m.

übrigens: 7 und 5 ist/sind 12.

1 Like

Betonung
Hallo André,

es ist immer richtig interessant, wenn ein Beitrag so abdriftet, dass man wie im Alltagsgespräch vom Hundertsten ins Tausendste kommt. Erfrischend!

Ich las mal von einem linguistischen Trick […]
Dann ist das, was er langzieht, die betonte Silbe. Das klappt
im Deutschen gut.

Ich fürchte, das klappt auch nur, wenn man’s weiß. Es gab vor einiger Zeit mal eine Werbung (ich glaube, für einen Kuchen, den man nicht backen musste), an deren Ende die Mutter was in den Ofen schieben will, worauf das Kind „besetzt“ brüllt, weil sich dort schon Knetfiguren breitgemacht haben.
Das heißt, genau genommen brüllt es eben nicht „besetzt“, sondern

bəəəəəəəəəsää-häätzt!

  • mit einem so schön langgezogenen Schwa, dass jeder, der des Deutschen nicht mächtig ist, zwangsläufig denken muss, bei „besetzt“ würde die erste Silbe betont.

Gescheeeeeeeeheeeeeeenk!

Das geht dann genauso wie „besetzt“.

Caaaaaaalau!

Und das mach ich mindestens mit gleich langen Silben.

Meine Idee war eine andere: Du kannst Dir ja sicher vorstellen, wie ein Kind einem anderen eine lange Nase macht und dabei singt/quäkt: „Nääänänänääänäää!“ (Melodie: Viertel g - Achtel e - Achtel a - Viertel g - Viertel e).
Auf diese Melodie kann man alles mögliche singen - ein Musikbuch meiner Mutter (Titel: "Sing mit, spiel mit!) beginnt z.B. mit einer Vorstellung auf diesen drei Tönen: „Ich bin die Elisabeth“, oder wie immer die Schüler heißen mögen. (Hier wäre die Melodie: gg ea gg e.)
Das Interessante dabei ist nun, dass jeder (soweit meine Erfahrung) die betonten Silben auf die (jeweils ersten) g’s legt, die Nebenbetonungen auf die (jew. ersten) e’s. „Der Notausgang ist freizuhalten“ sänge ich also e-gg-ea-gg-ee.
Wenn man jetzt den Schüler dafür sensibilisieren kann, unter den drei Tönen den mittelhohen herauszuhören, wäre das Lernziel erreicht.

Liebe Grüße
Immo

Hi Michael!

wer darüber nachdenkt, ob man „frei zu halten“
oder „freizuhalten“ schreiben muss, merkt nix von der
bedeutung von „zuhalten“.

Das klingt durchaus schlüssig. Wahrscheinlich ist das tatsächlich eine der Fehlerquellen.

Liebe Grüße
Immo