Feile und Schmirgelpapier
Hallo naaa,
noch ein paar Einzelheiten, zusammen mit der nochmaligen Empfehlung, auf die Interpunktion zu achten. Speziell die Kommasetzung ist heute nicht mehr so sehr wichtig, weil sie auch von vielen Muttersprachlern nicht beherrscht wird, aber die französische Verwendung von drei oder vier Punkten am Satzende (…) und von Ausrufezeichen (kommen in Deinem Text nicht vor, ich sag es bloß dazu, weil dieser Unterschied auch häufig nicht beachtet wird) lässt sich ins Deutsche nicht 1:1 übertragen. Ist eine Feinheit - meine Gattin, ihres Zeichens Übersetzerin, hat den Kampf mit einer französischen Werbeagentur aufgegeben, die diese Unterschiede stur bestreitet und auf diese Weise Kataloge herausgibt, die in der deutschen Version ziemlich lächerlich wirken. In diesem Zusammenhang auch: Die alte Buchdruckerregel „Zahlen bis zwölf immer ausschreiben, ab 13 Ziffern verwenden“ gilt heute nicht mehr, aber im Zweifelsfall sollten kleine Zahlen, soweit sie nicht zusammen mit einer Maßeinheit verwendet werden, auch heute noch als Zahlwort ausgeschrieben werden.
Also los:
ersten Teil, die Mobilität von
Wenn Du den Satz nach Hauptsatz und Nebensätzen auseinandernimmst, wird Dir auffallen, dass kein Nebensatz da ist - kein Komma.
skizziren.
Diese Schreibweise wurde noch im 19. Jahrhundert verwendet, gilt heute aber als falsch. „skizzieren“ mit „ie“.
Kulturräume zu entdecken…
Hier sind sie, die französischen „…“. Im Deutschen werden sie an dieser Stelle nicht verwendet, eiin einfacher Punkt genügt. Das „offene Ende“ einer Aufzählung ließe sich mit „usw.“ oder „etc.“ bezeichnen; das ist aber technischen Texten vorbehalten und in einem Text wie dem vorliegenden Referat schlechter Stil.
Tatsächlich möchten
Das „tatsächlich“ kann an dieser Stelle stehen bleiben. Bloß grundsätzlich die Warnung: Das französische „En fait“ gehört zu den fiesen kleinen Feinden der Übersetzer - in den meisten Fällen wird es im Deutschen schlicht durch " " (nichts) wiedergegeben, aber man muss es trotzdem jedes einzelne Mal in die Hand nehmen und entscheiden, ob es nicht doch etwas bedeutet, was explizit im deutschen Text stehen sollte. Hier geht es wie gesagt, aber bei freier Formulierung eines deutschen Textes ist es nützlich, von vornherein auf klassische rhetorische Floskeln („en fait“, „nonobstant“, „ceci étant“ etc. etc.) zu verzichten - ein einfaches Mittel, um den Text gleich viel „deutscher“ klingen zu lassen. Der andere einfache Trick ist übrigens das Verzichten auf Partizipialkonstruktionen: Ein preußischer Offizier sagt, was zu sagen ist, und macht dann einen Punkt. Dann kommt der nächste Satz.
anfangen, zu studieren.
Ich glaube, dieses Komma ist auch obsolet - ich weiß es aber nicht genau.
Interrail Ticket
schreibt sich eigentlich mit Bindestrich, wird unter dem Einfluss der Sprache der Werbung, die gerne grob geschnitzte Blöcke schreit, auch ohne Bindestrich verwendet.
ist mit 5 Freunden 4 Wochen
Hier sind die Ziffern im fortlaufenden Text störend, weil „Freunde“ und „Wochen“ keine Maßeinheiten sind. >> „fünf“ und „vier“ ausschreiben.
Um das zu rechtfertigen,
Das „rechtfertigen“ an dieser Stelle ist mir beim ersten Lesen durch die Lappen gegangen. Geht im Deutschen in dieser Bedeutung nicht, das deutsche „rechtfertigen“ ist „justifier“ im engen Sinn von „légitimer“. Im Sinn etwas abweichend, aber hier vielleicht passend, wäre etwas wie „Um das näher zu beleuchten“, „Um das näher zu untersuchen“, „Um diese Tendenz besser kennenzulernen“.
Es handelt sich um Jugendliche,
Das bezieht sich auf den Text selbst. Daher besser „Er handelt von Jugendlichen, die“
als Au-Pair-Mädchen
Das „Mädchen“ an dieser Stelle ist nicht falsch, aber auch nicht besonders günstig. „Mädchen“ und vor allem „Fräulein“ für junge Frauen besser nicht verwenden. Man kann es an dieser Stelle einfach weglassen: „Sie hat als Au-Pair gearbeitet“ ist ausreichend und korrekt.
Sie hoffen, Studiengänge oder Ausbildungen finden.
Hier fehlt ein „zu“ vor dem Infinitiv „finden“.
_Sie verbessern ihre Sprachkenntnisse
Dadurch können sich ihre berufliche Chancen verbessern._
Die beiden „verbessern“ stehen zu nahe beisammen. Es klingt besser, eines von beiden durch ein anderes Verb zu ersetzen. Ohne zu starke Veränderung des Sinns könnte man für das erste „verbessern“ z.B. „vertiefen“ schreiben.
Nachdem ich das Abitur gemacht/geschafft/absolviert/hinter mich gebracht habe
Die strikte Beachtung der Zeitenfolge klingt ein wenig französisch. Im Deutschen genügt „Wenn ich das Abitur…“. Als Verb ginge „gemacht“ oder „bestanden“; „geschafft“ und „hinter mich gebracht“ sind zu persönlich, „absolviert“ zu administrativ-technisch.
Ich persönlich, kann ich nicht alles
Das Komma ist überflüssig (Probe mit Auflösung in Hauptsatz und Nebensätze!). Das zweite „ich“ funktioniert im Deutschen nicht - weglassen.
besseres leben für ihre Kinder
„Leben“ als Substantiv groß schreiben.
sie treffen einen schwierige Entscheidung,
„Entscheidung“ ist feminin, also „eine“ ohne -n.
ihre Freunde aber vor allem ihre Kultur und ihr soziales Leben.
Nach „Freunde“ fehlt ein Komma.
Zwar ist das Leben für einige Familien besser aber das Leben im Ausland
Nach „besser“ fehlt ein Komma.
Um zu kommunizieren kann man verschiedene Mittel benutzen,
Nach „kommunizieren“ fehlt ein Komma.
gegen technischen Fortschritt aber ich meine, der Zugang zum Internet sollte
vorsichtig damit umgehen, weil das Risiko sonst hoch ist.
Nach „Fortschritt“ fehlt ein Komma. „Der Zugang“ und „vorsichtig damit umgehen“ passt vom Sinn her nicht zusammen („l’accès devrait le manier avec précaution“). Möglich wäre „man sollte vorsichtig mit dem Zugang zum Internet umgehen“ oder, wenn das „man“ wegen Stils vermieden werden soll, „der Zugang zum Internet sollte vorsichtig gehandhabt werden“.
Die Mobilität kann positiv und negativ erleben sein.
Der Infinitiv „erleben“ passt zusammen mit dem „sein“ nicht. Je nach beabsichtigter Bedeutung z.B. „Man kann Mobilität positiv und negativ erleben“.
Austausche hat viele Aspekte.
„Austausch“ im Singular ohne -e.
Entschluss wäre, meine Heimat zu verlassen, wenn ich es müßte.
Die geänderte Schreibweise „müsste“ mit zwei s statt ß gehört zu den wenigen Dingen, in der die misslungene Rechtschreibreform konsequent ist: Nach kurzem Vokal zwei s, nach langem Vokal ß.
Eine Übersicht zu den wichtigsten Änderungen gibt es beim Duden: http://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/beis…
– So, jetzt bin ich aber doch noch neugierig: Wie hast Du es geschafft, noch vor dem bac so gutes Deutsch zu lernen?
Als ich das Abitur gemacht habe (ist allerdings über dreißig Jahre her), haben unsere Austauschpartner aus Frankreich Deutsch wie Latein oder Griechisch gelernt, und auch ihre Lehrer waren nicht in der Lage, in einer Gaststätte ein Schnitzel und ein Bier zu bestellen. Ich habe einmal 1976 in der Jugendherberge von Dijon für einen jungen Franzosen und einen jungen Engländer gedolmetscht. Der Jux dabei war, dass der Franzose Englisch sprach und der Engländer Französisch, aber sie hatten das beide nicht gemerkt, weil die Sprache des anderen bei beiden ungefähr wie ägyptisches Arabisch mit Texas-Akzent klang. Deutschsprachige Kontakte wurden noch in den 1990er Jahren überall zwischen Pau und Calais von den allgegenwärtigen Elsässern besorgt - es gab in den Unternehmen sonst niemanden, der ein halbwegs verständliches Deutsch konnte.
Im Vergleich dazu kommt es mir vor, wenn ich Dein Deutsch lese, dass entweder der Fremdsprachenunterricht in F innerhalb von zehn oder zwanzig Jahren um Lichtjahre fortgeschritten ist, oder jemand von Deinen Eltern oder Großeltern Deutscher ist - typische Elsässerfehler machst Du nämlich auch nicht.
Schöne Grüße!
MM