Welche Zeitform?

Hallo zusammen!
Vielleicht kennt Ihr den Witz:
Welche Zeit das:
Du hättest nie geboren werden sollen?
Antwort: Präservativ defekt

Ha - und über diesen Scherz kamen wir ins diskutieren:
WELCHE Zeitform ist es denn nun wirklich?
Bitte um Hilfe!
Liebe Grüße#
Birgit

Futur II (im Konjunktiv) o.w.T.

Hallo
Meines Erachtens handelt es sich um das Plusquamperfekt im Konjunktiv.
„geboren werden“ ist ein Infinitiv, der Infinitiv Präsens Passiv
„sollen“ ist der sogenannte Ersatzinfinitiv für das PartizipII, der bei den Modalverben (wie „sollen“) üblich ist.
Also nicht: Du hättest gesollt.
sondern: Du hättest sollen.
Der Ersatzinfinitiv steht immer an letzter Stelle.
Für Belehrungen immer offen
Steffen

Ich habe in die falsche Richtung gedacht!
Hallo,

Meines Erachtens handelt es sich um das Plusquamperfekt im
Konjunktiv.
„geboren werden“ ist ein Infinitiv, der Infinitiv Präsens
Passiv
„sollen“ ist der sogenannte Ersatzinfinitiv für das
PartizipII, der bei den Modalverben (wie „sollen“) üblich ist.
Also nicht: Du hättest gesollt.
sondern: Du hättest sollen.
Der Ersatzinfinitiv steht immer an letzter Stelle.
Für Belehrungen immer offen

nein, das ist nicht nötig, du hast Recht! Ich habe - wie oben geschrieben - in die falsche Richtung gedacht (zeitlich).

Hier zeigt sich wieder einmal, dass man nicht zu schnell sein darf !!!

Ich bitte (leider wieder einmal) um Verzeihung.

Gruß

Thomas Miller

zwischenfrage an den experten
wie heisst besagter satz dann im passiven konditional 2 ?
nur mal so interessehalber…
gruss
khs

wie heisst besagter satz dann im passiven konditional 2 ?
nur mal so interessehalber…
gruss
khs

Verstehe die Anfrage nicht ganz. Mit dem Plusquamperfekt im Konjunktiv liegt der Konjunktiv II natürlich schon vor.
Das eigentliche Gefüge, das sich auf „Du hättest sollen“ reduzieren lässt, kann natürlich nicht ins Passiv gesetzt werden, weil von „sollen“ keine Passivbildung möglich ist.
Bei den eingeschobenen Infinitiven kann natürlich ein Aktivinfinitiv oder ein Passivinfinitiv gebildet werden.
Du hättest lieben sollen.
Du hättest geliebt werden sollen.
Du hättest nie geboren werden sollen.
Du hättest gebären sollen. (Hier ändert sich natürlich auch der Satzsinn.)
Nebenbei:
Anscheinend verwechselst du Konditional mit Konjunktiv II.
Konditional(is)ist eine Teilkategorie des Modus des Verbs, die einen Sachverhalt als bedingt charakterisiert.
Im Deutschen wird es durch würde+Infinitiv (=Konditionalgefüge) oder durch den Konjunktiv II umschrieben.
Konjunktiv II ist der Konjunktiv des Präteritums und des Plusquamperfekts; er hat auch noch andere Aufgaben als den Konditionalis auszudrücken.
Allerdings gibt es hier auch terminologische Verwirrung. In manchen Grammatiken scheint bei „Konditional“ nur die Umschreibung mit „würde“ gemeint zu sein.
Steffen

ich würde sagen…

…Konjunktiv II Perfekt Passiv.

Ciao
Camilla

…Konjunktiv II Perfekt Passiv.

Ciao
Camilla

Hallo,
Perfekt kann nie Konjunktiv II sein, lies dazu meine Antwort auf die Zwischenanfrage.
Steffen

Terminologie
Ich bin dabei eine vollständige Darstellung des Zeit und Aussagesystems derdeutschen Sprache zu gestalten.
Das ist aber schön kompliziert.
Es dauert.

Aber hier erstmal die Lösung der Frage:

Du hättest nie geboren werden sollen?

Dieser Satz steht im Konjunktiv II der Vergangenheit und ist mit einem Modalverb konstruiert. Die korrekte Formel heißt also:
Modalverb im Konjunktiv II der Vergangenheit Passiv, genauer:
2. Person Singular Modalverb Konjunktiv II der Vergangenheit Passiv.

Die Verwirrung bei derartigen Bestimmungen rührt daher, dass die Brüder Grimm und deren Nachfolger beim Aufstellen der grammatischen Terminologie sich zu sehr an die lateinische Begrifflichkeit hielten, die einige Besonderheiten und Unterschiede zwischen den Sprachen nicht exakt trafen.

Gruß Fritz

hallo,
verstehe ich nicht.
Man kann doch den Satz auch mit anderen Verbverbindungen füllen.
Beispiel: Du hättest lieb sein sollen.
Hier würdest du doch auch nicht auf Passiv kommen.
Also:
2.Pers. Sing. des Modalverbs „sollen“, Plusquamperfekt Konjunktiv (Plusquamperfekt im Konjunktiv gehört auch zum Konjunktiv II) AKTIV
„geboren werden“ = eingeschobener Infinitiv Präsens Passiv, kann auch durch andere Verbverbindungen ersetzt werden
„sollen“ = Ersatzinfinitiv, es steht hier für das Partizip II von sollen (Modalverben bilden statt eines regulären Partizip II einen Ersatzinfinitiv)
Von „sollen“ kann kein Passiv gebildet werden. Vergleiche auch die Antwort auf die Zwischenanfrage.
Steffen

Ergänzung
Ergänzung
Übringens, um den Satz im Konjunktiv II Passiv umzuformulieren, müsste man auf das Modalverb „sollen“, von dem ja kein Passiv gebildet werden kann, verzichten.

Also:
(Es wäre besser), du wärest nie geboren.(2. Teilsatz= Nebensatz steht im Plusquamperfekt Zustandspassiv)
(Es wäre besser), du wärest nie geboren worden. (2. Teilsatz = Nebensatz steht im Plusquamperfekt Vorgangspassiv)
Der Konjunktiv II hat (wie auch im Ausgangssatz)die Aufgabe
ein irreales oder hypothetisches Geschehen auszudrücken.
Die Passivform von „gebären“ kann man durch verschiedene Mittel ausdrücken.

  • Einschub eines Infinitiv Präsens Passiv in eine Konstruktion mit einem Modalverb wie im Ausgangssatz.

  • reguläre Passivbildung wie in den Sätzen oben

  • Ersatzformen des Passivs (sogenanntes Passivfeld)
    Bsp. Man hätte dich nicht gebären sollen.(Konstruktion mit „man“)
    Steffen

Hallo lieber Steffen,

du befindest dich mitten in der von mir angesprochenen Begriffsverwirrung:

Plusquamperfekt Konjunktiv (Plusquamperfekt im Konjunktiv gehört auch zum Konjunktiv II)

ist eine Begriffsverwirrung, da es im Konjunktiv kein Präsens, Präteritum, Perfekt und Plusquamperfekt gibt. Diese Bezeichnungen wurden gewählt, weil die Konjunktivformen von diesen Zeitformen abgeleitet werden können.

Präzise gesprochen gibt es den Konjunktiv nur als
Konjunktiv der Gegenwart und als Konjunktiv der Vergangenheit(als Zeit).
Es gibt keine verschiedenen Tempora (als Zeitformen) im Konjunktiv.
Konjunktiv Präsens, Konjunktiv Präteritum, Konjunktiv Perfekt, Konjunktiv Plusquamperfekt und all das ist grammatischer und logischer Nonsens, selbst wenn dieser seit fast zwei Jahrhunderten durch Grammatiken und Lehrbücher geistert.

Es gilt zu unterscheiden zwischen Zeiten, von denen wir drei haben: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
und Zeitformen (Tempora) von denen wir sechs haben:
Plusquamperfekt, Perfekt, Präteritum, Präsens, Futur I und Futur II.

Ich lege das ganze (von wegen, es sind viel Lücken drin) Zeitsystem in einem eigenen Artikel vor.

An meiner ersten Lösung sind mir inzwischen Zweifel gekommen, die mit den besonderen Eigenschaften des Verbs „gebären“ zu tun haben.

Mit besten Grüßen
Fritz

Ich habe schon in meiner Antwort auf Steffen auf meine Zweifel an meiner ersten Formel hingewiesen.

Du hättest nie geboren werden sollen?

scheint mir nun ein Satz im Konjunktiv II der Gegenwart zu sein und ist mit einem Modalverb konstruiert. Die korrekte Formel heißt also:

Modalverb im Konjunktiv II der Gegenwart Passiv, genauer:
2. Person Singular Modalverb Konjunktiv II der Gegenwart Passiv.

Die Verwirrung bei derartigen Bestimmungen rührt daher, dass
die Brüder Grimm und deren Nachfolger beim Aufstellen der
grammatischen Terminologie sich zu sehr an die lateinische
Begrifflichkeit hielten, die einige Besonderheiten und
Unterschiede zwischen den Sprachen nicht exakt trafen.

Fangen wir ganz unten an! Und bitte Geduld!

Im deutschen Zeitsystem unterscheidet man:

A) : Vergangenheit,
B) : Gegenwart und
C) : Zukunft.

Jede Zeit kann eine von drei Modi (Modus) annehmen:

I. Indikativ,

II. Konjunktiv und

III. und Imperativ. (Der tritt nur im Präsens auf, wird deshalb hier vernachlässigt)

Außerdem kann jedes Tempus in einem von zwei Genera (Genus) erscheinen:

a) Aktiv,
b) Passiv.

Für die Vergangenheit A stellt uns die deutsche Sprache drei Zeitformen (Tempora) und zwei Genera zur Verfügung:

AIa1: Indikativ Aktiv Präteritum (auch Imperfekt genannt): ich ging, du lachtest, er wollte, wir dachten, ihr fuhret, sie kamen;

AIb1: Indikativ Passiv Präteritum: ich wurde angegangen, du wurdest ausgelacht, er wurde gepiesackt, …

Achtung: Ich verzichte im Folgenden auf die Angabe aller Personen!

AIa2: Perfekt Aktiv: ich bin gegangen, du hast gelacht, er hat wollen (sic!), wir haben gedacht, ihr seid gefahren, sie sind gekommen;

AIb2: Perfekt Passiv: ich bin angegangen worden, du bist ausgelacht worden, …

und AIa3: Plusquamperfekt Aktiv: ich war gegangen, du hattest gelacht, er hatte wollen (s. o.), wir hatten gedacht, ihr wart gefahren, sie waren gekommen.

AIb3: Plusquamperfekt Passiv: ich war angegangen worden, du warst ausgelacht worden, …

Für die Gegenwart B bietet das Deutsche nur eine Zeitform an:

BIa: das Präsens Aktiv: ich frage, du hast, er will, wir denken, ihr fahrt, sie kommen.

BIb: Präsens Passiv: ich werde gefragt, du wirst belogen, …

Für die Zukunft C können wir zwischen zwei Zeitformen wählen:

CIa1: das Futur (auch Futur I genannt): ich werde fragen, du wirst haben, er wird wollen, wir werden denken, ihr werdet fahren, sie werden kommen.

CIb1: Futur I Passiv: ich werde gefragt werden, du wirst belogen werden, …

und CIa2: das Futur II Aktiv: ich werde gefragt haben, du wirst gehabt haben, er wird gewollt haben, oder er wird [Infinitiv] wollen haben, wir werden gedacht haben, ihr werdet gefahren sein, sie werden gekommen sein.

CIb2: Futur II Passiv: ich werde gefragt worden sein, du wirst belogen worden sein, …

All diese fünf Zeitformen drücken reale Aussagen aus. Diese Aussagenform oder Modus wird Indikativ genannt.

Bei all diesen fünf Zeitformen kann noch angegeben werden, ob die Aussage im Aktiv oder im Passiv steht.
Eine grammatische Analyse einer Verbform nennt:
Person, Numerus, Modus, Tempus, Genus, also
3. Person Singular, Indikativ, Perfekt Aktiv von schlafen:
er/ sie/ es hat geschlafen
3. Person Singular, Indikativ, Perfekt Passiv von schlagen:
er/ sie/ es ist geschlagen worden

Kommen wir jetzt zum zweiten Modus, dem Konjunktiv.

Wir haben zwei Konjunktive:

  1. den Konjunktiv I (fälschlich und irreführend auch: Konjunktiv Präsens bzw. Perfekt genannt)

Diesen Konjunktiv benützen wir zu Wiedergabe der indirekten Rede:
Helmut Kohl sagt: „Ich gebe die Namen nicht bekannt!“ erscheint in der Zeitung als:
Helmut Kohl sagte, er gebe die Namen nicht bekannt.

Für den Konjunktiv haben wir in den drei Zeiten nur je eine Zeitform, von denen die des Futurs so gut wie nie gebraucht wird. (das ist eine Vereinfachung, die verhindert, dass ich noch drei Seiten schreiben muss), also

A. Konjunktiv I der Gegenwart:

Er komme bald. Sie wolle es wissen,

B. Konjunktiv I der Vergangenheit:
Er sei früher gekommen. Sie habe es wissen wollen (sic!)

  1. den Konjunktiv II (fälschlich und irreführend auch: Konjunktiv Präteritum bzw. Plusquamperfekt genannt).

Diesen Konjunktiv verwenden wir, wenn wir über irreale Verhältnisse sprechen, über Wünsche, Möglichkeiten, Hypothesen; auch bei der höflichen Bitte findet dieser Konjunktiv II Verwendung:

Ich habe keine Ahnung! Ich weiß es nicht! aber ich wünsche mir:
Ich hätte gern eine Ahnung! Ich wüsste es gern!

A. Konjunktiv II der Gegenwart:

Er wäre gerne Millionär! Ich wollte, ich wäre ein Huhn, ich hätte nicht viel zu tun. Ich wäre dämlich, aber froh.

B. Konjunktiv II der Vergangenheit:

Er wäre gerne Millionär gewesen. Ich hätte gewollt (sic!), ich wäre ein Huhn gewesen, ich hätte nicht viel zu tun gehabt. Ich wäre dämlich, aber froh gewesen.

Jetzt müssen wir noch über die selben Konstruktionen, aber unter Hinzunahme eines Modalverbs sprechen.

AIa 1: Ich ging. => Ich wollte gehen

AIb1: Ich wurde angegangen. => Ich wollte angegangen werden.

AIa2: Ich bin gegangen. => Ich habe gehen wollen.

AIb2: Ich bin angegangen worden. => Ich habe angegangen werden wollen.

AIb3: Ich war gegangen. => Ich hatte gehen müssen.

AIa2: Ich war angegangen worden. => Ich hatte angegangen werden müssen.

BIa: Ich gehe. => Ich kann gehen.

BIb: Ich werde gefragt. => Ich muss gefragt werden.

CIa1: Ich werde gehen. => Ich werde gehen müssen.

CIb1: Ich werde gefragt werden. => Ich werde gefragt werden müssen.

Ab hier wird es skurril:

CIa2: Ich werde gegangen sein. => Ich werde gegangen sein müssen.

CIb2: Ich werde gefragt worden sein. => Ich werde gefragt sein worden müssen.

Nur noch perverse Deutschlehrer quälen ihre Schüler mit solchen Formen.

Und nun das auch noch für Konstruktionen mit dem Modalverb:

Konjunktiv I der Gegenwart:

Aktiv: Er lese gern Bücher. => Er wolle gern noch mehr Bücher lesen.

Passiv: Er werde gerne gefragt. => Er werde gern gefragt werden wollen.

Konjunktiv I der Vergangenheit:

Aktiv: Er habe gern Bücher gelesen. => Er habe gern noch mehr
Bücher lesen wollen.

Passiv. Er sei gern geschlagen worden. => Er habe gern geschlagen werden wollen. (für Masos)

Konjunktiv II der Gegenwart:

Aktiv: Er wäre gern Millionär. => Er hätte gern Millionär werden wollen.

Passiv: Sie würde gerne geschlagen. => Sie hätte gern geschlagen werden wollen.

Konjunktiv II der Vergangenheit:

Er wäre gern ein Huhn gewesen. => Er hätte gern ein Huhn sein wollen.

Er wäre gern geschlagen worden. => Er hätte gern geschlagen worden sein wollen.

Ich habe den Artikel dreimal eingeben müssen, die Elektronik scheint von seinem Inhalt ebenfalls überfordert zu sein.
Wer bis hierher gefolgt ist, darf sich gern als Masochist outen.

Mit besten Grüßen
Fritz

3 Like

Ergänzung
Übrigens, um den Satz im Konjunktiv II Passiv
umzuformulieren, müsste man auf das Modalverb „sollen“, von
dem ja kein Passiv gebildet werden kann, verzichten.

Das stimmt schon, aber beim Modalverb sollen kann auch eine Passivkonstruktion erscheinen.

Du hättest nie geboren werden sollen!
Du hättest … sollen. Modalverb im Konjunktiv II.
…geboren werden… Passiv

Fritz

Ich oute mich hiermit als…
…Masochistin *g*

und gebe dir sadistischerweise auch noch a Sternderl für deine Fleißarbeit…

oder hätte dir besser ein „Fleißbildchen“ gegeben werden sollen?

Gruß
Uschi :wink:

Hallo Fritz, hallo Gemeinde

folgendes Zitat stammt zwar aus dem vorletzten Schreiben von Fritz, aber ich finde es kommt erst in Kombination mit dem zweiten richtig gut

Ich bin dabei eine vollständige Darstellung des Zeit und Aussagesystems derdeutschen Sprache zu gestalten.
Das ist aber schön kompliziert.

Ixh verstehe nur Bahnhof (noch nicht mal mehr kofferklaun), bin aber trotzdem auf das Buch gespannt.

@fritz: bitte nimm mich in die Subscribendenliste (oder schreibt man das anders?!) auf; ist ernst gemeint!

Andreas

Da spreche ich seit ettlichen Jahren eine Sprache leidlich gut und wußte gar nicht, das die Regeln so kompliziert sind. Wenn ich nicht so verwirrt wäre, wäre ich wahrscheinlich stolz auf mich.

Andreas

Im deutschen Zeitsystem unterscheidet man:

A) : Vergangenheit,
B) : Gegenwart und
C) : Zukunft.

Stimmt so nicht. Was du meinst, ist die absolute Zeitbedeutung. Daneben gibt es noch die relative Zeitbedeutung (Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit). Doch das interessiert hier wenig. Du scheinst Temporalität und Tempus nicht zu unterscheiden. Das Tempus ist eine grammatische Kategorie des Verbs, die Temporalität drückt die relative oder absolute Zeitbedeutung aus. Das Tempus ist ein wichtiges (wahrscheinlich das wichtigste) Mittel, um die Temporalität auszudrücken. Es hat aber auch noch andere Funktionen. Neben dem Tempus gibt es noch andere Möglichkeiten, die Zeit (Temporalität) auszudrücken. Ihre Gesamtheit bezeichnet man als Tempusfeld. Das Tempus kann aber auch noch andere Funktionen erfüllen (z.B. die Verlaufsform oder die Modalität anzeigen)Dazu später mehr.

Jede Zeit kann eine von drei Modi (Modus) annehmen:
Meinst du mit „Zeit“ nun Tempus oder Temporalität? Einerseits stellst du die 3 „Zeitformen“ Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft vor, anderseits sprichst du unten von Präsens und Tempus.

I. Indikativ,

II. Konjunktiv und

III. und Imperativ. (Der tritt nur im Präsens auf, wird
deshalb hier vernachlässigt)

Außerdem kann jedes Tempus in einem von zwei Genera (Genus)
erscheinen:

a) Aktiv,
b) Passiv.
o.k.

Für die Vergangenheit A stellt uns die deutsche Sprache
drei Zeitformen (Tempora) und zwei Genera zur Verfügung:

Das ist verkürzt gedacht, wie ich an eingen Beispielen verdeutlichen werde.

AIa1: Indikativ Aktiv Präteritum (auch Imperfekt genannt): ich
ging, du lachtest, er wollte, wir dachten, ihr fuhret, sie
kamen;

AIb1: Indikativ Passiv Präteritum: ich wurde angegangen, du
wurdest ausgelacht, er wurde gepiesackt, …

Achtung: Ich verzichte im Folgenden auf die Angabe aller
Personen!

AIa2: Perfekt Aktiv: ich bin gegangen, du hast gelacht, er hat
wollen (sic!), wir haben gedacht, ihr seid gefahren, sie sind
gekommen;
Beispiel: Morgen habe ich die Prüfung schon abgelegt.

Vom Tempus her eindeutig Perfekt, es handelt sich aber von der Zeit her (Temporalität) um Zukünftiges. Das Zukünftige wird durch das Temporaladverb „morgen“ ausgedrückt.(Temporaladverbien gehören zum Temporalfeld)

AIb2: Perfekt Passiv: ich bin angegangen worden, du bist
ausgelacht worden, …

und AIa3: Plusquamperfekt Aktiv: ich war gegangen, du hattest
gelacht, er hatte wollen (s. o.), wir hatten gedacht, ihr wart
gefahren, sie waren gekommen.

AIb3: Plusquamperfekt Passiv: ich war angegangen worden, du
warst ausgelacht worden, …

Für die Gegenwart B bietet das Deutsche nur eine Zeitform
an:

BIa: das Präsens Aktiv: ich frage, du hast, er will, wir
denken, ihr fahrt, sie kommen.

Beispiele:
Er wird den Zug verpasst haben.
Vom Tempus her eindeutig Futur II. Es wird aber eine Vermutung für die Gegenwart aufgestellt. Hier hat das Tempus die Funktion, Modalität auszudrücken. Wie bei Tempus und Temporalität muss also auch zwischen Modus und Modalität unterschieden werden. Der Modus ist nicht das einzige Mittel, um Modalität auszudrücken.
Wir treffen uns morgen
Vom Tempus her eindeutig Präsens, drückt aber Zukünftiges aus (=futurisches Präsens).
1954 gewinnt Deutschland die WM. = sogenanntes historisches Präsens. Das historische Präsens wird angewendet, um die Spannung zu steigern. Eine Geschichte im historischen Präsens (auch dramatisches Präsens) ist ein Stilmittel, um die Zuhöreraufmerksamkeit zu steigern.

BIb: Präsens Passiv: ich werde gefragt, du wirst belogen, …

Für die Zukunft C können wir zwischen zwei Zeitformen
wählen:

CIa1: das Futur (auch Futur I genannt): ich werde fragen, du
wirst haben, er wird wollen, wir werden denken, ihr werdet
fahren, sie werden kommen.

Beispiel:
Was wird Peter (jetzt) machen?
Vom Tempus her eindeutig Futur I und trotzdem Gegenwart. Futur I drückt hier den Aspekt der Vermutung aus.

CIb1: Futur I Passiv: ich werde gefragt werden, du wirst
belogen werden, …

und CIa2: das Futur II Aktiv: ich werde gefragt haben, du
wirst gehabt haben, er wird gewollt haben, oder er wird
[Infinitiv] wollen haben, wir werden gedacht haben, ihr werdet
gefahren sein, sie werden gekommen sein.

CIb2: Futur II Passiv: ich werde gefragt worden sein, du wirst
belogen worden sein, …

All diese fünf Zeitformen drücken reale Aussagen aus. Diese
Aussagenform oder Modus wird Indikativ genannt.

Der gleiche Fehler wie immer. Du verwechselst Modus und Modalität. Das ist hier aber unverständlich, da du weiter unter selber Beispiele für andere Einsatzmöglichkeiten des Modus gibst als ein reales oder irreales Geschehen auszudrücken (z.B. Einsatz zur Kennzeichnung der indirekten Rede).

Bei all diesen fünf Zeitformen kann noch angegeben werden, ob
die Aussage im Aktiv oder im Passiv steht.
Eine grammatische Analyse einer Verbform nennt:
Person, Numerus, Modus, Tempus, Genus, also
3. Person Singular, Indikativ, Perfekt Aktiv von schlafen:
er/ sie/ es hat geschlafen
3. Person Singular, Indikativ, Perfekt Passiv von schlagen:
er/ sie/ es ist geschlagen worden
Richtig, das macht eine grammatische Analyse, unabhängig davon wie die reale Zeitbedeutung(Temporalität)ist. Da kann es dann schon einmal vorkommen (wie ich an den Beispielen bewiesen habe) dass ein Satz im Präsens ein Geschehen in der Vergangenheit darstellt, ein Satz im FuturII eine Vermutung in der Gegenwart usw.
Kommen wir jetzt zum zweiten Modus, dem
Konjunktiv.

Wir haben zwei Konjunktive:

  1. den Konjunktiv I (fälschlich und irreführend auch:
    Konjunktiv Präsens bzw. Perfekt genannt)
    Warum fälschlich? Das ist eine Frage des Systems, wobei mein System differenzierter ist. Folgendes Zitat aus Sommerfeldt/Starke, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache: „Im Präteritum unterscheidet sich die Form des Konjunktivs im Aktiv bei schwachen Verben nicht von der des Indikativs.“ Du musst als zugeben, dass es zumindest sinnvoll ist, von Konjunktiv im Präteritum zu sprechen, weil es auf eine Form hinweist, die spezielle Eigenschaften hat.

Diesen Konjunktiv benützen wir zu Wiedergabe der indirekten
Rede:
Helmut Kohl sagt: „Ich gebe die Namen nicht bekannt!“
erscheint in der Zeitung als:
Helmut Kohl sagte, er gebe die Namen nicht bekannt.

Zu ergänzen:
die heischende bzw. voluntative Funktion des Konjunktiv I
Man nehme ein Glas Wein…
Die Verwendung in Vergleichssätzen
Mir war, als ob es geklingelt habe.

Für den Konjunktiv haben wir in den drei Zeiten nur je eine
Zeitform, von denen die des Futurs so gut wie nie gebraucht
wird. (das ist eine Vereinfachung, die verhindert, dass ich
noch drei Seiten schreiben muss), also
A. Konjunktiv I der Gegenwart:

Er komme bald. Sie wolle es wissen,

B. Konjunktiv I der Vergangenheit:
Er sei früher gekommen. Sie habe es wissen wollen (sic!)
2. den Konjunktiv II (fälschlich und irreführend auch:
Konjunktiv Präteritum bzw. Plusquamperfekt genannt).

Diesen Konjunktiv verwenden wir, wenn wir über irreale
Verhältnisse sprechen, über Wünsche, Möglichkeiten,
Hypothesen; auch bei der höflichen Bitte findet dieser
Konjunktiv II Verwendung:

Ergänzung:
Auch zur Distanzierung von einer wiedergebenen Aussage
Man sagt, er tränke Petrolium. Durch diesen Satz distanziere ich mich von der allgemeinen Meinung mehr, als wenn ich den Konjunktiv I verwende (man sagt, er trinke Petrolium), der ja nur zur Kennzeichnung der indirekten Rede von mir verwendet werden könnte

Ich habe keine Ahnung! Ich weiß es nicht! aber ich wünsche
mir:
Ich hätte gern eine Ahnung! Ich wüsste es gern!

A. Konjunktiv II der Gegenwart:

Über die Verwirrung, die sich einstellt, wenn du ständig die Begriffsebene wechselst (einmal Tempus und Zeitform und dann die Begriffe aus der absoluten Zeitbedeutung) ist genug gesagt worden.

Er wäre gerne Millionär! Ich wollte, ich wäre ein Huhn, ich
hätte nicht viel zu tun. Ich wäre dämlich, aber froh.

B. Konjunktiv II der Vergangenheit:

Er wäre gerne Millionär gewesen. Ich hätte gewollt (sic!), ich
wäre ein Huhn gewesen, ich hätte nicht viel zu tun gehabt. Ich
wäre dämlich, aber froh gewesen.

Jetzt müssen wir noch über die selben Konstruktionen, aber
unter Hinzunahme eines Modalverbs sprechen.

AIa 1: Ich ging. => Ich wollte gehen
AIb1: Ich wurde angegangen. => Ich wollte angegangen
werden.
AIa2: Ich bin gegangen. => Ich habe gehen wollen.

AIb2: Ich bin angegangen worden. => Ich habe angegangen
werden wollen.

AIb3: Ich war gegangen. => Ich hatte gehen müssen.

AIa2: Ich war angegangen worden. => Ich hatte angegangen
werden müssen.

BIa: Ich gehe. => Ich kann gehen.

BIb: Ich werde gefragt. => Ich muss gefragt werden.

CIa1: Ich werde gehen. => Ich werde gehen müssen.

CIb1: Ich werde gefragt werden. => Ich werde gefragt werden
müssen.

Ab hier wird es skurril:

CIa2: Ich werde gegangen sein. => Ich werde gegangen sein
müssen.

CIb2: Ich werde gefragt worden sein. => Ich werde gefragt
sein worden müssen.

Nur noch perverse Deutschlehrer quälen ihre Schüler mit
solchen Formen.

Und nun das auch noch für Konstruktionen mit dem
Modalverb:

Konjunktiv I der Gegenwart:

Aktiv: Er lese gern Bücher. => Er wolle gern noch mehr
Bücher lesen.

Passiv: Er werde gerne gefragt. => Er werde gern gefragt
werden wollen.

Konjunktiv I der Vergangenheit:

Aktiv: Er habe gern Bücher gelesen. => Er habe gern noch
mehr
Bücher lesen wollen.

Passiv. Er sei gern geschlagen worden. => Er habe gern
geschlagen werden wollen. (für Masos)

Konjunktiv II der Gegenwart:

Aktiv: Er wäre gern Millionär. => Er hätte gern Millionär
werden wollen.

Passiv: Sie würde gerne geschlagen. => Sie hätte gern
geschlagen werden wollen.

Konjunktiv II der Vergangenheit:

Er wäre gern ein Huhn gewesen. => Er hätte gern ein Huhn
sein wollen.

Er wäre gern geschlagen worden. => Er hätte gern geschlagen
worden sein wollen.

Dein Systen erscheint mir unpraktikabel.Das traditionelle System ist eindeutig. Bei deinem System werden verschiedene Formen nach dem semantischen Gehalt (z.B.gleiche absolute Zeitbedeutung) zusammengefasst. Ein rein morphologisches System, das auf Formen beruht, ist aber eindeutiger. Verwirrung gibt es nur, wenn man von der Form gleich auf den Aussagegehalt schließt. Das muss man aber nicht tun. Man hat aber eine gemeinsame Ausgangsbasis, wenn man sich verständigen will. Das hat diese Form, hier hat diese Form (auf die sich alle verständigen können) folgende Funktion:…
Dies ist das traditionelle und am weit verbreiteste System. Es hat den Vorteil, dass alle Interessierten es kennen und es ist zur Formenbestimmung m.E. sehr gut geeignet.
Dein System scheint mir nicht widerspruchsfrei zu sein,

Gruß Steffen

Sag mir, …
lieber Andreas, welche Bereiche des Bahnhofs dir unzugänglich sind.

Das kann die Hinweise meines Bahnhofführes - an ein Buch war nie gedacht - vielleicht auch für andere verständlicher machen.

Als ich mit diesem Arbeitsblatt anfing, dachte ich an fortgeschrittene Deutschlerner als Zielgruppe.
Als ich merkte, wo das hinführt, änderte ich die Zielgruppe und wollte es meinen Kolleginnen in einer internen Weiterbildung als Anregung und Stütze anbieten.
Es kam nie dazu.

Die Darstellung ist einfach zu wenig organisch und zu wenig systematisch. Wie aber beides zusammen kriegen?

Fragt sich Fritz

O Steffen,
du willst noch mehr als ich. Und wir reden an einigen Stellen aneinander vorbei.

Ich wechsele keine Begriffsebenen, da ich die Temporalität und die Modalitäten gar nicht mitbetrachtet habe. Dies wäre erst im Fortgang der Betrachtung unter dem Punkt: Wie können die Tempora (grammatischen Zeitformen) verwendet werden? (Historischens Präsens) und unter dem Punkt: Welche Bedeutungen können die Tempora noch transportieren? (Futur als Vermutung) zu behandeln.

Mir geht es zunächst einmal, um eine schrittweise Entwicklung dessen, was man in der deutschen Sprache mit „Zeiten“ meinen und tun kann.

Meinst du mit „Zeit“ nun Tempus oder Temporalität? Einerseits
stellst du die 3 „Zeitformen“ Vergangenheit, Gegenwart,
Zukunft vor, anderseits sprichst du unten von Präsens und
Tempus.

Oh nein. Das hast du nicht genau gelesen, oder falsch verstanden, vielleicht weil ich es nicht deutlich genug unterstrichen habe.

Ich sage: drei Zeiten!
Es gibt Sachen, die geschehen jetzt, andere sind vorbei, wieder andere kommen erst.

Und ich sage: sechs Zeitformen oder Tempora! Mit diesen grammatischen Formen, können die Geschenisse in den drei Zeiten dargestellt werden. (Plusquamperfekt, Perfekt, Präteritum, Präsens, Futur I und Futur II)

Dies ist das traditionelle und am weit verbreiteste System. Es
hat den Vorteil, dass alle Interessierten es kennen und es ist
zur Formenbestimmung m.E. sehr gut geeignet.
Dein System scheint mir nicht widerspruchsfrei zu sein,

Ich bin nicht der Ansicht, dass ich ein andres System entwickle.
Widersprüche findest du, weil du mehr von ihm verlangst als es zu geben bereit und vorgesehen ist.

Ich versuche nur die meiner Ansicht nach verwirrenden Begriffe wie Konjunktiv Perfekt etc. auszuschalten.

Dass das ein unsinniger Begriff ist, kann man z. B. in der Wiedergabe durch die Indirekte Rede sehen.

Die Sätze:

Ich war gestern betrunken. (Präteritum)
Ich bin gestern betrunken gewesen. (Perfekt)
Ich war gesten betrunken gewesen. (Plusquamperfekt)

lauten alle drei in der indirekten Rede im Konjunktiv I der Vergangenheit:
Er sagte, er sei gestern betrunken gewesen.

Wo, bitte schön, ist hier ein Perfekt? Es ist Konjunktiv und es ist Vergangenheit.

Zu ergänzen:
die heischende bzw. voluntative Funktion des Konjunktiv I
Man nehme ein Glas Wein…
Die Verwendung in Vergleichssätzen
Mir war, als ob es geklingelt habe.

Das müsste meines Erachtens besser: " , als ob es geklingelt hätte!" heißen, obwohl umgangssprachlich hier auch schon der Konjunktiv I akzeptiert wird.

Aber danke für die Ergänzungen.

Es hilft mir, meine Gedanken zu präzisieren, wenn ich mit dir disputiere. Danke.
Gruß Fritz