Wort-Neuschöpfungen literarisch im Deutschen

Liebe Germanisten,

aus gegebenem Zusammenhang: Mir ist wohlbekannt, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, die Nichtexistenz von irgendwas nachzuweisen. Dennoch täte es mich interessieren, ob von einem der deutschen Autoren C.M. Wieland, F. Schiller und F. Hölderlin bekannt ist, dass er im Rahmen seiner Dichtung Worte erschaffen hat, die es vorher im Deutschen nicht gab - allen dreien würde ichs zutrauen.

Für Hinweise dankt

MM

Liebe Germanisten,

und liebe Psychiater - hättest du schreiben können, denn
Neologismen, also Wortneuschöpfungen, werden „gerne“ von Psychotikern offeriert.
Der „normale Schizophrene an sich“ ergeht sich sozusagen kurzweilig in Neologismen.
C.G. Jung hat es damals schon interessiert - er versuchte, hinter den Sinn solchen Äußerungen zu kommen.

Dennoch täte es mich interessieren, ob von einem
der deutschen Autoren C.M. Wieland, F. Schiller und F.
Hölderlin bekannt ist, dass er im Rahmen seiner Dichtung Worte
erschaffen hat, die es vorher im Deutschen nicht gab - allen
dreien würde ichs zutrauen.

Vom Psychiatrischen her würde ich es am ehesten Hörderlin zutrauen (siehe Begründung oben), andererseits war er in seiner großen schöpferischen Freiheit ja doch auch irgendwie merkwürdig diszipliniert - wenn man dagegen spätere Dichter - ich sage nur Dadaismus - anschaut. Aber das ist wohl einer Frage des Jahrhunderts.
Es grüßt dich
Branden

Für Hinweise dankt

MM

Dennoch täte es mich interessieren, ob von einem
der deutschen Autoren C.M. Wieland, F. Schiller und F.
Hölderlin bekannt ist, dass er im Rahmen seiner Dichtung Worte
erschaffen hat, die es vorher im Deutschen nicht gab - allen
dreien würde ichs zutrauen.

Kommt drauf an, was Du unter „Neologismus“ versteht. Das Wort Aprilfischfragentext wurde unter Garantie noch nie zuvor in der deutschen Sprache verwendet - in diesem Sinne muss man kein Wieland, Schiller oder Hölderlin sein, um neue Wörter zu schaffen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Neologismus#Zur_Problem…
http://de.wikipedia.org/wiki/Neologismus#Abgrenzung

Umgekehrt gilt aber auch: Wenn das Wort Aprilfischfragentext nach diesem Posting nie wieder verwendet wird, ist es auch kein Neologismus, sondern nur ein Okkasionalismus.

Die Frage ist also eher: Gibt es Wörter, die die betreffenden Autoren erstmals verwendet ahben und die danach in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind?

Gruß,
Max

Servus,

ohne andere Quelle als mein Hirnkastel, daher ohne Beleg:

mich deucht, dass der Ausdruck „Siebenmeilenstiefel“ ein Neologismus war, der einst von Jean Paul aus dem Französischen übersetzt wurde.
Die „Flatterhaare“ kommen vermutlich im „Faust“ zum ersten Male vor.
Unterscheiden muss man, glaube ich, auch die Schöpfung von echten (und heute noch verwendeten) Neologismen und den „Neuprägungen“, in denen Wörter in einem anderen als ursprüngich gebrauchten Sinne verwendet werden.
Ebenso gehören m.E. die Nachahmung antiker Formulierungen im Deutschen dazu (erdgeboren, schaumgeboren, etc.) Der Zweier-Faust ist voll davon: schilfumkränzt, krieggezeugt, goldgehörnt, etc.
Von Schiller „entworfen“ dürften viele Ausdrücke aus „der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ sein. Dazu könnten gehören: Staatenbund, Staatsinteresse, Machtverhältnisse,
Nationalcharakter, Studienplan, Amtsgehilfe (wie gesagt, Belege fehlen)
Nochmal davon zu unterscheiden wären, glaube ich, die sogenannten Okkasionalismen, die möglicherweise bekannt wurden, aber dennoch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übergingen und/oder nur kontextbezogen verständlich sind.

Um solche Neu- und sonstigen Schöpfungen nachzuschlagen, gibt es Wörterbücher zum Gebrauch der Sprache Goethes, Schillers, Luthers, Kants, etc.

Lieben Gruß, J.

heilignüchtern
Servus,

Hölderlins „heilignüchterne Wasser“ aus „Hälfte des Lebens“ gehören sicher zu den Okkasionalismen, jedenfalls ist mir das Wort sonst noch nie untergekommen.

Und als Frage in den Raum gestellt:
War das Schlaraffenland an sich nicht schon in anderen Kulturen und Sprachen existent und hat es erst Sebastian Brant im „Narrenschiff“ in deutscher Sprache gebraucht? Wäre also auch ein Neologismus…oder?
Nur so eine Idee,

Lieben Gruß, J.

Hallo Max,

Kommt drauf an, was Du unter „Neologismus“ verstehst.

Eine klare Abgrenzung ist hier wohl deswegen nicht gut möglich, weil man ja erst viel später wissen wird, ob ein Wort nur einmal aufblitzt und dann sofort wieder verglüht, oder ob es in einen allgemeiner verwendeten Wortschatz eingeht: Zu dem Zeitpunkt, als die Redensart „NN hat nicht alle Tassen im Schrank“ erfunden wurde, wusste Christa Reinig nicht, dass es eine solche würde.

Konkreter Anlass und Gegenstand meiner Frage ist der hier gestern diskutierte „Sattellose“, zu dem geäußert wurde, bereits schon die Verwendung dieses ad hoc ersonnenen Wortes disqualifiziere den Nachdichter. Ich war drauf und dran, dazu anzumerken, dass man unter den „Großen“ (Göthen zähle ich privat nicht zu diesen, aber das gehört woanders hin) wohl keinen fände, der nicht ad hoc vorher nicht gebrauchte Wörter gebildet hätte, als mir einfiel, dass ich dazu keinen einzigen Beleg benennen kann.

Schöne Grüße

MM

Siebenmeilenstiefel
Macht mich ganz mevulve, dass ich da nicht weiterkomme.

Ich finde keinen Beleg, dass es Jean Paul war, der die bottes de sept lieues (

) ins Deutsche gebracht hat, aber Belege dafür, dass neben Jean Paul (http://books.google.at/books?id=eq8EAAAAYAAJ&pg=RA1-…) auch Goehte und Chamisso sie „benutzt“ haben.

Vielleicht habe ich am we mehr Zeit, mich da nochmal reinzzutigern.
LGJ

Worterfindungsbeschleuniger trocken
Ei Hallo,

no langsam, das ist nicht so extrem wichtig. Freilich wären genau die „Siebenmeilenstiefel“ im Zusammenhang mit meiner Intention, den „Sattellosen“ als eine völlig normale und keineswegs verachtenswerte dichterische Wortschöpfung zu illustrieren, ein gut passendes Exempel, da genau analog zum „Sattellosen“ - diejenigen von Schiller, die Du zitiert hast, sind ein bissle anders geartet: Systematisch neu erdachte Worte für neu verwendete Gegenstände, ungefähr wie „Laptop“ oder „Hauptbremsluftbehälter“.

Und Göthen mag ich in diesem Zusammenhang nicht so bemühen, obwohl ich weiß, dass andere ihm viel bedeutendere poetische Qualität zubilligen als ich: Man behandle mich mit 1,5 - 2,25 L Mosel täglich, und ich erfinde nicht bloß neue Wörter im Dutzend, sondern gleich noch ein paar neue Kasus, Tempora und Modi obendrauf, und mit zwei-drei Tresterchen dabei besorge ich auch die Vertonung.

Schöne Grüße

MM

Und noch ein Servus,

Freilich wären
genau die „Siebenmeilenstiefel“ im Zusammenhang mit meiner
Intention, den „Sattellosen“ als eine völlig normale und
keineswegs verachtenswerte dichterische Wortschöpfung zu
illustrieren, ein gut passendes Exempel,

wobei, je länger ich darüber nachdenke, desto zweifel…
Gehören Übersetzungen denn tatsächlich in diese Kategorie? Und dass das wohl eine Übersetzung war, steht für mich so ziemlich außer Zweifel, zumindest solange, bis mir wer das Gegenteil zeigt.

diejenigen von Schiller, die Du zitiert hast,
sind ein bissle anders geartet: Systematisch neu erdachte

da wäre ich vermutlich etwas selektiver. „Machtverhältnisse“ musst du neben der Aneinandereihung bekannter Wörter auch erst mal mit Sinn füllen, damit sie (die Wörter) dann auch als neo überleben.

Worte für neu verwendete Gegenstände, ungefähr wie „Laptop“
oder „Hauptbremsluftbehälter“.

Sind das nicht auch irgendwie Neologismen? Wenn auch unterschiedlicher Herkunft und Entstehung.
Ich müsste mich mal wieder intensiver mit der Wortbildungslehre inklusive Lexikologie, Lexigraphie und die Behandlung von Sprachvarietäten, Neologismen, Okkasionalismen, Übernahme von Fachsprachen und Soziolekten und was da noch alles an kurzweiligem Schnickschnack dazugehört, beschäftigen, Könnte „Wintersemester-Planung“ sein:smile:

Man behandle mich mit 1,5 - 2,25
L Mosel täglich, und ich erfinde nicht bloß neue Wörter im
Dutzend, sondern gleich noch ein paar neue Kasus, Tempora und
Modi obendrauf, und mit zwei-drei Tresterchen dabei besorge
ich auch die Vertonung.

Bis auf die Vertonung schaff ich gut gelaunt und ohne Mosel und Trester, wenn mich irgendwer küsst, der nicht unbedingt genial, aber inspirativ sein muss, das auch:smile:)

Sei gegrüßt, J.

Rasenberegnungsunterbrecherkontakt
Ei,

Gehören Übersetzungen denn tatsächlich in diese Kategorie?

zumindest Nachdichtungen, um die es sich bei Übersetzungen von Lyrik handelt, sind bei den Siebenmeilenstiefeln (dort allerdings Prosa) und beim Sattellosen im Spiel, grad deswegen finde ich das Analog so passend.

Die Kategorisierung von Fällen, in denen vorgebliche Nachdichtungen in Wirklichkeit eigene sind und die dabei erfundenen Okkasionalismen ein paar Jahrzehnte später ganzen Pornofilialketten den Namen geben, ist freilich ein schwer zuzuordnender Spezialfall.

musst du neben der Aneinanderreihung bekannter Wörter auch erst
mal mit Sinn füllen

Bei Nomina ist das ja ein so hübscher Zug des Deutschen, dass es genügt, den Sinn zu erdenken, und man dazu dann schon durch Aneinanderkleben der passenden Bestandteile das Wort dazu finden kann.

Worte für neu verwendete Gegenstände, ungefähr wie „Laptop“
oder „Hauptbremsluftbehälter“.

Sind das nicht auch irgendwie Neologismen?

Hm, jetzt überlege ich, ob solche Zusammensetzungen überhaupt als vollwertige Worte behandelt zu werden verdienen - wenn man nicht grad Deutsch spricht, nimmt man für so eine Beschreibung eines Gegenstandes eine Phrase und kein Wort, so dass diese Reihung von Nomina eher den Charakter eines syntaktischen Phänomens hat und sie bloß wegen des Zusammenschreibens eher zufällig aussehen wie Wörter.

Bis auf die Vertonung schaff ich gut gelaunt und ohne Mosel
und Trester

Ja, scho klar. War bloß ein Seitenhieb auf Göthen und seinen Verbrauch an Inspirationsmittel, der an einen älteren Diesel mit geringer Verdichtung (sic!) denken lässt.

Schöne Grüße

MM

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Ich war drauf und dran, dazu
anzumerken, dass man unter den „Großen“ (Göthen zähle ich
privat nicht zu diesen, aber das gehört woanders hin) wohl
keinen fände, der nicht ad hoc vorher nicht gebrauchte Wörter
gebildet hätte, als mir einfiel, dass ich dazu keinen einzigen
Beleg benennen kann.

Dazu braucht’s keinen Beleg. Das ist selbstevident. :smile:

Gruß,
Max