kristallisierter Honig ist nicht Billigware!
Nach einem längeren Gespräch gestern abend mit meinem Nachbarn (seines Zeichens Imkermeister) hier noch einmal eine Zusammenfassung - das meiste wurde hier schon gesagt:
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Fast jeder schonend produzierte Honig kristallisiert - früher oder später. Insbesondere Honig, der in unseren Breiten gesammelt wurde. Ob früher oder später, entscheidet im Wesentlichen das Verhältnis von Fructose und Glucose. Frühjahrstracht (Blütenhonig) kristallisiert schnell, Herbsttracht (z.B. Waldhonig) langsamer. Akazienhonig (der meistens eigentlich Robinienhonig ist) braucht ziemlich lange. Ein Sonderfall ist der geleeartige (nicht auskristallisierende) Heidehonig aufgrund seines sehr hohen Wasseranteils (um 24%). Ein weiterer Sonderfall bei den Waldhonigen ist Melezitosehonig (vor allem von Lärchen und Fichten), auch ‚Zementhonig‘ genannt. Melezitose ist ein sog. Dreifachzucker; der Honig beginnt schon in den Waben zu kristallisieren. Entsprechend schwierig ist die Verarbeitung (schleudern) - er ist jedoch durchaus wohlschmeckend. So wie der Zementhonig eine Ausnahme bei den Waldhonigen ist, ist der Lavendelhonig eine Ausnahme bei Blütenhonigen - er neigt kaum zum Kristallisieren.
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Zu ausländischen Honigen kann ich wenig sagen. Meine Eltern bringen mir jedes Jahr von Kreta einen wunderbar nach Thymian und Rosmarin duftenden Honig mit, der nicht kristallisiert. Allerdings ist er nach einem Jahr bei mir auch aufgebraucht. Ich verwende ihn bevorzugt mit Olivenöl und Balsamico für Salatdressings. Aus Südfrankreich hatte ich einmal einen sehr leckeren (und teuren) Bruyèrehonig, der schnell kristallisierte, was dem Geschmack keinen Abbruch tat.
Grundsätzlich ist es nicht abzulehnen, es ist sogar begrüßenswert, dass in Deutschland auch ausländische Honige angeboten werden - die Inlandsproduktion deckt nur ca. 20% des Bedarfs. Die ‚großen‘ Marken (einheimische mit inbegriffen) meide ich persönlich wie der Teufel das Weihwasser. Auch wenn da auf dem Glas z.B. als Herkunft Kanada o.ä. vermerkt ist, ist kaum auszuschließen, dass er mit z.B. chinesischem Honig (China ist größter Produzent) gestreckt ist. Die turbokapitalistischen Produktionsweisen für Lebensmittel in China (Milchpulver!) sind für mich ein Anlass zu im wahrsten Sinne des Wortes ‚gesundem‘ Misstrauen. Von den ‚Nachbehandlungen‘, die solche Massenware idR erfährt, ganz zu schweigen (weiteres dazu später). Ein aus Süd- oder Mittelamerika stammender Honig aus zertifiziertem und überprüftem Anbau verdient sicher das Label ‚Bio‘ und kann bedenkenlos verzehrt werden. Ob bei dem anfallenden Transportaufwand ‚Bio‘ hier noch ökologisch akzeptabel ist, ist eine ganz andere Frage.
Ich halte es bei Honig wie beim Wein. Man kann ihn im Supermarkt kaufen; ich bevorzuge den direkten Kauf beim Produzenten meines Vertrauens.
- Das Kristallisieren beeinträchtigt weder Geschmack noch den ernährungsphysiologischen Wert des Honigs. Es beeinträchtigt allenfalls das schöne Aussehen und die Streichfähigkeit. Industrielle Produzenten legen Wert auf das von ihren Foodstylisten designte Aussehen ihres Produkts. Sie verhindern das Kristallisieren durch kurzzeitiges Erhitzen auf 85° C, was die besonders wertvollen Inhaltsstoffe des Honigs (vor allem Enzyme) weitgehend zerstört. Sodann wird der Honig durch Filter gepresst, um Kristallisationspunkte (Pollenreste) zu entfernen. Der Honig wird dadurch auch haltbarer, verliert jedoch seinen durch Jahreszeit und Herkunftsgebiet bestimmten Charakter (‚Terroir‘); er wird zum massenvermarktungsfähigen, immer gleich schmeckenden Einheitsprodukt.
Auf Qualität bedachte Imker rühren ihren Honig nach dem Schleudern. Das verhindert zwar nicht das Kristallisieren insgesamt, jedoch die Bildung großer Kristalle. Der Honig bildet nur kleine Kristalle, bleibt cremig und streichfähig - bekommt allerdings auch eine hellere Farbe.
Kristallisierten Honig kann man durch vorsichtiges Erwärmen (nicht über 40° C) wieder ‚verflüssigen‘, ohne die gesundheitlich wünschenswerten Inhaltsstoffe oder das Aroma zu zerstören.
- Wachsgeschmack ist Geschmackssache - manche schätzen ihn durchaus. Er ist vor allem bei Press- oder Seimhonig nicht ungewöhnlich; wenn der Honig also nicht aus den (entdeckelten) Waben geschleudert wird, sondern aus den unentdeckelten Waben gepresst wird. Es ist das ältere Verfahren, durch den höheren Wasser- und Pollengehalt ist Seimhonig weniger haltbar als geschleuderter. In Deutschland wird das Pressverfahren (außer von Hobbyimkern) fast nur noch bei Heidehonig angewendet.
Freundliche Grüße,
Ralf