Hallo Ninchen,
die Größe an sich ist kein entscheidendes Kriterium für eine Einschulung, wohl aber die soziale Reife. Und wenn ein Kind möglicherweise noch damit überfordert ist, sich in eine große, neue Gruppe einzufügen, kommt u.U. auch wieder die Größe ins Spiel, die es ihm erschweren kann, akzeptiert zu werden.
Was sagen denn die Erzieherinnen? Sie müssten das Sozialverhalten deines Sohnes am besten beurteilen können, denn das Umfeld des Kindergartens lässt auf das Verhalten in der Schule deutlichere Rückschlüsse zu als die Situationen, in denen Eltern ihre Kinder erleben.
Wenn dein Sohn problemlos Kontakte zu Gleichaltrigen oder Älteren knüpfen kann und als Spielpartner gut akzeptiert ist, halte ich persönlich seine Chancen, auch in der Schule zurecht zu kommen, für gut. Ist er aber eher ein Einzelgänger oder orientiert sich primär an Jüngeren oder den Erzieherinnen, würde ich das Ganze kritischer betrachten.
Neugier und kognitive Fähigkeiten sind natürlich ebenfalls Voraussetzungen für den Schulbesuch. Gerade im Grundschulbereich sollte man die soziale Reife aber im Auge behalten, denn sie kann ursächlich werden, wenn ein Kind trotz bester kognitiver Fähigkeiten in der Schule scheitert.
Ganz aktuell bekommt dein Sohn natürlich die (vorzeitige) Einschulung seiner Schwester mit. Und da Kinder in diesem Alter gerne „groß“ sein möchten, zeigt er nun natürlich verstärkt den Wunsch, ebenfalls möglichst schnell ein Schulkind zu werden. Damit könnte auch die Ablehnung des Kindergartenbesuchs zusammenhängen, denn natürlich versucht er nun, mit allen Mitteln, seinem Ziel näher zu kommen. Auch diesen Aspekt solltet ihr berücksichtigen.
Vielleicht könnte es euch weiterbringen, mit ihm mal über seine Kindergartenfreunde zu sprechen, die im Falle einer vorzeitigen Einschulung ja nicht mit ihm kommen würden. Auch wenn Freundschaften im Vorschulalter noch nicht sehr tief gehen, sollten sich gewisse soziale Bindungen doch zeigen.
Wenn ihr euch gegen den Schulbesuch entscheidet, solltet ihr ihn in keinem Fall vom Kindergarten abmelden. Gerade die sozialen Kontakte dort sind es, die er für seine Entwicklung braucht. Zudem halte ich es für einen unguten Lerneffekt, wenn er merkt, dass er durch Quengeln seinen Willen durchsetzen kann. In diesem Alter müsst ganz eindeutig ihr die Entscheidung treffen, ohne euch von ihm manipulieren zu lassen.
Wenn ihr ihm zusätzliche Anreize bieten möchtet, schaut euch nach sportlichen oder kulturellen Angeboten (wie Kindertheatergruppen) um, die er an 1-2 Nachmittagen in der Woche besuchen kann. Weniger ist auch in diesem Fall aber meist mehr.
Zudem sollte ein Gespräch mit den Erzieherinnen auch klären können, dass dein Sohn im Kindergarten lesen darf und weitere Angebote bekommt. Das ist aber gerade im letzten Kindergartenjahr ohnehin zu erwarten, da die Vorschulkinder in nahezu allen Einrichtungen besonders gefördert werden. Und: Die gemeinsame Vorbereitung auf die Schule ist wiederum ein wesentliches soziales Element, das ihr nicht unterschätzen solltet.
Ich muss gestehen, dass ich mir eigentlich auch nicht vorstellen kann, dass dem Kind das Lesen verwehrt wird. Ich würde in jedem Fall diesbezügliche Aussagen des Kindes verifizieren lassen wollen. Vielleicht nutzt er derartige „Argumente“ ja auch, um seinen Willen in Bezug auf das Schulkind-Sein durchzusetzen?
Die Tatsache, dass er sich für bestimmte Dinge wie Motoren, Strom oder Vulkane interessiert, würde ich in Bezug auf die Schule nicht überbewerten. Dort wird er sich diesen Dingen kaum in dem von ihm gewünschten Umfang widmen können. Stattdessen wird er sich mit Aufgaben beschäftigen müssen, die ihn möglicherweise erst mal nicht oder nur wenig interessieren.
Und hier kommt wieder die soziale Reife ins Spiel, die die Voraussetzung dafür ist, dass das einem Kind auch gelingt. Ist sie noch nicht ausreichend entwickelt, fällt es Kindern schwer, sich mit Dingen zu beschäftigen, die sie nicht primär motivieren. Je reifer ein Kind ist, desto größer auch seine Bereitschaft und Fähigkeit, sich auch anderen Dingen zu widmen.
Schöne Grüße,
Jule