Diskrepanz Inhaltsstoffe Obst / Gemüse usw

Hallo,
ich selber bin Berater einer natürlichen Bioaktivstoff-Nahrungsergänzung, will jetzt aber nicht darauf eingehen sondern eine Frage stellen, die ich schon sehr lange schwanger mit mir rumtrage:

Mitlerweile gibt es viele neutrale Analysenergebnisse von Obst und Gemüse (auch Bio-Obst und Gemüse), die eindeutig unabhängig belegen, dass die Inhaltsstoffe in unserem Essen in den letzten 30-40 deutlich gesunken sind und das es immer weniger wird.
Ernährungsbedingte Krankheiten sind darauf zurückzuführen, dass nicht „Das zuviel sondern das zuwenig“ in unserer Ernährung krank macht und das der Körper erst in ein paar Jahren auf dieses Defizit reagiert und eventuell sich mit einer Krankheit bemerkbar macht.

Gleichzeitig wird aber in anderen Publikationen geschrieben, das synthetische Nahrungsergänzungen/Multivitaminpräparate vom Körper nur zu ca. 10% aufgenommen werden und das der Gang zur Toilette ein „teures Pinkeln“ ist und nur die Pharmaindustrie bzw. der Apotheker/Reformhaus sich ein goldenes Näschen damit verdient. Von einer Packung Multivitamin etc. die z.B. 60 Mark kostet, sind dann angeblich ca 50 Mark in der Toilette verschwunden ??

Inhaltsstoffe aus Obst und Früchten werden deutlich besser aufgenommen weil sie in einer natürlichen Umgebeung (sekundäre Pflanzenstoffe usw.) vorliegen, wie der Körper es im Laufe der Evolution gelernt hat aufzunehmen und umzusetzen. Auf diese Art muss auch nicht überdosiert werden, wie z.B. bei Dr. Rath, welches ich persönlich für sehr gefährlich halte, weil die Bioverfügbarkeit deutlich höher und schneller ist als bei synthetischen Präparaten

Wenn jetzt aber weniger in unserem Obst und Gemüse ist und die DGE zusätzlich emphielt, jeden Tag mindestens 500-700 Gramm Obst und Gemüse (roh und gedünstet) in den Ampelfarben zu Essen, obwohl die Inhaltsstoffe nicht mehr ausreichend sind, dann stellt sich mir die Frage,wieviel Obst und Gemüse man überhaupt noch zu sich nehmen muss, damit der Körper sein „Soll“ aus dem Supermarkt/Bioladen bekommt, wenn man keine „Nahrungsergänzung“ zu sich nehmen will.

Wieviel Obst und Gemüse muss dann ein Hochleistungssportler Essen, ohne „Voll“ zu werden? Kann er überhaupt seinen Bedarf damit decken?

Ist zwar ein bißken viel zu lesen aber trotzdem Danke für eventuelle Antworten.

Hallo Peter,

Vorab: Ich arbeit in der pharmazeutischen Industrie, wir stellen hauptsächlich Brausetabletten (Vitamine, Mineralstoffe etc.) her. Dies nur, damit der fachliche Background geklärt ist, ich selber vertrete auch eine eher gegensätzliche Meinung und hoffe, dass da niemand von der Firma mitliest :smile:

Mitlerweile gibt es viele neutrale Analysenergebnisse von Obst
und Gemüse (auch Bio-Obst und Gemüse), die eindeutig
unabhängig belegen, dass die Inhaltsstoffe in unserem Essen in
den letzten 30-40 deutlich gesunken sind und das es immer
weniger wird.

Ich bin auch schon über solche Berichte gestolpert, finde sie aber teilweise nicht ganz unumstritten. Das beginnt damit, dass ein solch langer Zeitraum schon deshalb nicht (zumindest naturwissenschaftlich) exakt bestimmt werden kann, weil die analytischen Vergleichsmöglichkeiten von vor 40 Jahren anders aussahen, gerade im Bereich der Biochemie. Auch gibt es heute eine Unmenge neuer Züchtungen bzw. Veredelungen von Obst, Gemüse und Getreide so dass ich diesem Vergleich auch nicht so ganz traue.
Ein weiterer wesentlicher Punkt für mich ist: Es wird (im Verhältnis) sehr wenig Obst/Gemüse roh genossen. Da muß man dann aber auch ins Kalkül ziehen, dass die heutigen Kochmethoden oder Konservierungsmethoden um ein Vielfaches besser und damit nährstoffschonender als vor 30/40 Jahren.

Ernährungsbedingte Krankheiten sind darauf zurückzuführen,
dass nicht „Das zuviel sondern das zuwenig“ in unserer
Ernährung krank macht und das der Körper erst in ein paar
Jahren auf dieses Defizit reagiert und eventuell sich mit
einer Krankheit bemerkbar macht.

Auch das ist meines Wissens nach nicht unumstritten. Es gibt keine Langzeitstudien, die diese Fragestellung untersucht hat, es gibt lediglich dazu Hypothesen, die auf statistisch errechneten Zusammenhängen beruhen.
Definitiv ist es so, dass in unserer Gesellschaft die Möglichkeiten so gegeben sind, dass bei durchschnittlich gesunder (= empfohlener) Ernährung und ohne zusätzliche Risikofaktoren (Medikamenteneinnahme (auch Pille), Erkrankung, Spitzensport, Schwangerschaft, Rauchen, etc.) die Nährstoffe in der Nahrung alleine für eine gute Grundversorgung an Vitaminen und Mineralstoffen ausreichen (es gibt wenige Ausnahmen, z.B. Selen).
Im Gegenteil: Die modisch gewordene Überversorgung, vor allem mit Vitaminpräparaten, ist entweder unnötig („teures Pissen“ *lach*) oder nicht unbedenklich (z.B. bei fettlöslichen Vitaminen, die vom Körper nicht in dem Maße ausgeschieden werden).
Auch über die Dosierungen sind sich viele nicht klar: Unser Standardprodukt für Vit.C-Brause ist 1000 mg/Tablette; die wenigsten wissen, dass 80 (!!) mg die nötige Tagesdosis für den Menschen darstellt.

Gleichzeitig wird aber in anderen Publikationen geschrieben,
das synthetische Nahrungsergänzungen/Multivitaminpräparate vom
Körper nur zu ca. 10% aufgenommen werden und das der Gang zur
Toilette ein „teures Pinkeln“ ist und nur die Pharmaindustrie
bzw. der Apotheker/Reformhaus sich ein goldenes Näschen damit
verdient. Von einer Packung Multivitamin etc. die z.B. 60 Mark
kostet, sind dann angeblich ca 50 Mark in der Toilette
verschwunden ??

Falls Du diese Publikation irgendwo zur Verfügung hast, dann schicke sie mir bitte unbedingt!
(Nur fürs Protokoll: was sind „synthetische Nahrungsergänzungen“???)
Faktum ist einerseits, dass der Körper nicht unterscheiden kann, ob ein Vitamin nun „synthetisch“ hergestellt ist oder „natürlich“ ist. Chemisch ist das völlig ein und dasselbe! Und die Verwertung im Körper geht auch über chemische Kreisläufe. Außerdem ist zu bedenken, dass „natürlich“ extrahierte Vitamin ein reiner Marketinggag sind (es gibt Firmen, die bieten „natürliches“ Vitamin C an) und leider teures rausgeschmisses Geld. Auch natürlich vorkommende Vitamine müssen
chemisch extrahiert, gereinigt und weitervearbeitet werden.

Inhaltsstoffe aus Obst und Früchten werden deutlich besser
aufgenommen weil sie in einer natürlichen Umgebeung (sekundäre
Pflanzenstoffe usw.) vorliegen

Etwas anders sieht es natürlich bei den Vitaminen in der Nahrung aus: Es stimmt schon, dass die Verwertung der Nahrungsvitamine oder Mineralstoffe besser ist, weil hier andere Faktoren zum Tragen kommen (z.B. Fett, Flavonoide, oder die Bindung an natürliche Trägerstoffe z.B. bei Calcium).
Aber die Quote ist nicht so hoch wie Du sie beschrieben hast, mir ist allerdings auch keine Untersuchung bekannt, die das genau belegt; es sind auch hier mehr Vermutungen und Hypothesen im Umlauf als handfeste Fakten.

wie z.B. bei Dr. Rath

Wer ist das? Würd mich interessieren.

weil die Bioverfügbarkeit deutlich höher und schneller ist als
bei synthetischen Präparaten

Bioverfügbarkeit wovon? Da müßtest Du genauer werden. Die BV von Vitaminen und Mineralstoffen aus der Nahrung ist jedenfalls langsamer als von „synthetischen“ Produkten.

Wenn jetzt aber weniger in unserem Obst und Gemüse ist und die
DGE zusätzlich emphielt, jeden Tag mindestens 500-700 Gramm
Obst und Gemüse (roh und gedünstet) in den Ampelfarben zu
Essen, obwohl die Inhaltsstoffe nicht mehr ausreichend sind,
dann stellt sich mir die Frage,wieviel Obst und Gemüse man
überhaupt noch zu sich nehmen muss, damit der Körper sein
„Soll“ aus dem Supermarkt/Bioladen bekommt, wenn man keine
„Nahrungsergänzung“ zu sich nehmen will.

Darauf bin ich schon oben eingegangen.
Wobei zu beachte ist, dass das für durchschnittlich gesund essende, gesunde Menschen gilt. In Grippezeiten oder Stresszeiten sich zusätzliche Vitamine einzuwerfen macht Sinn, ab einem gewissen Alter ist vermehrte Calciumgabe sinnvoll, und für Sportler ist Magensium wichtig.
Generell ist es nicht möglich, Vitamine mit der „natürlichen“ Nahrung überdosieren.
Der (auch wissenschaftlich-medizinische) Trend der (wie man jetzt weiß) Überversorgung mit Vitaminen ist auch eher schon rückläufig. War man vor Jahren von der absoluten Notwendigkeit noch voll überzeugt, so ist es heute eher Geschäftemacherei.

Wieviel Obst und Gemüse muss dann ein Hochleistungssportler
Essen, ohne „Voll“ zu werden? Kann er überhaupt seinen Bedarf
damit decken?

Ein Hochleistungssportler sicher nicht, soviel kann der gar nicht futtern. Gerade Hochleistungssportler brauchen einen ausgewogene zusätzliche Versorgung an Vitaminen und Mineralstoffen, sie haben einen überproportionalen Verbrauch, der unbedingt gedeckt werden muss.

Ist zwar ein bißken viel zu lesen aber trotzdem Danke für
eventuelle Antworten.

Jetzt ist noch mehr zu lesen *lächel* - ich hoffe, es klärt etwas auf.

Liebe Grüße#
Birgit

Hallo,
ich bin seit vielen Jahren Gesundheits- und Ernährungsberaterin, ich finde Eure beiden Beiträge super. Natürlich kann ich auch noch meinen Senf dazugeben:
Es gibt eine Menge sehr guter wissenschaftlicher Studien über die noch vorhandenen Inhaltsstoffe in Obst und Gemüse, (z.B. einen Artikel in der Zeitschrift Die Welt vom 24. 8. 1997) die Forschung geht dahin, das über kurz oder lang jeder Mensch Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen muss, da man den gestiegenen Verbrauch (Umweltbelastungen und dadurch massiv gestiegene Anzahl an freien Radikalen) nicht mehr mit der normalen Nahrung decken kann.
Weiter gibt es auch Studien darüber, wie gefährlich künstlich hergestellte, oder herausgelöste Einzelpräparate sind. Man hat Rauchern und Asbestarbeitern Vit. A und beta-Carotin zugeführt, und man mußte den Versuch abbrechen, da die Lungenkarzinomrate innerhalb kurzer Zeit um 17% zunahm, Schlaganfälle um 28%. Die selben Präparate wurden an gesunden Ärzten erprobt, die davon nur „teuer gepinkelt“ haben.
Forscher haben festgestellt, das diese Einzelpräparate, wenn sie denn aufgenommen werden, vom Körper nicht erkannt werden und sich wiederum zu freien Radikalen entwickeln. Es gibt mehrere zehntausend verschiedene Substanzen in Obst und Gemüse und man weiß heute, das sie nur ALLE ZUSAMMEN ihre Wirkung entfalten können.
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung hat seit 6/2000 eine Kampagne gestartet: Je 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag (5+)
In Amerika gibt es diese Kampagne schon seit 10 Jahren. Wir hinken da leider etwas hinterher.
Meines Wissens gibt es zur Zeit nur ein Produkt in Deutschland, das aus vollreifem Obst und Gemüse in seiner Gesamtheit hergestellt ist. Einen sehr schönen Bericht findet Ihr in der Zeitschrift für Ambulante Rehabilitation, 1-2 96.
Ein gutes Buch zum Thema: Bioaktive Substanzen von Prof. Leitzmann
Im Current Therapeutic Research gibt es auch viele interessante Beiträge zu diesem Thema.
Wir leben in einem Zustand, den wir Mangel im Überfluss nennen. Wissenschaftler sagen heute, daß fast alle Erkrankungen aus unserer Ernährung her entstehen, sei es nun der Herzinfarkt, Alzheimer, Degenerationserkrankungen oder alle Formen der Allergien. Durch unsere Ernährung geben wir unseren Kindern schon enzymatisch bedingte Gendefekte mit auf den Weg. In meiner Arbeit kommt es mir manchmal so vor, als würde ich mit Windmühlenflügeln kämpfen.
Auch wieder ´ne Menge zu lesen, aber noch nicht ein Bruchteil dessen, was ich zu diesem Thema zu sagen hätte.
Sonnige Grüße, Sabine

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