Drei Fragen Latein-Deutsch (aus den Carmina Burana)

Hallo

Wir singen in meinem (klassischen) Chor die Carmina Burana von Carl Orff, und ich bin dabei, für das Programmheft eine Übersetzung zusammenzustellen. Dies tue ich anhand dreier Übersetzungen, die ich online gefunden habe, und bei den vielen sich im Inhalt/Sinn widersprechenden Stellen anhand meiner sehr eingerosteten Latein-Kenntnisse von früher. An drei Stellen komme ich aber nicht weiter und wäre ich froh um Hilfe.

Der gesamte Text der Carmina Burana gibt es z.B. hier
http://www.classical.net/music/comp.lst/works/orff-c…

Aus der Nummer 1, Fortuna Imperatrix Mundi

Sors salutis et virtutis mihi nunc contraria,
est affectus et defectus semper in angaria.

Es geht um die zweite Zeile. Affectus wird i.d.R. mit Wille, Willenskraft, deffectus mit Schwäche, Schwachheit übersetzt. Angaria ist Zwang, soweit klar. Aber was ist der Sinn? Ich habe ein „Wie mein Wille so meine Schwachheit finden sich in Sklaverei“ und ein etwas unverständliches „Willenskraft und Schwachheit liegen immer in der Fron.“ Kämpfen die gegeneinander? Oder kämpfen beide gegen das Schicksal?

Aus der Nummer 11, Estuans interius

Mihi cordis gravitas res viedetur gravis.

Ich bringe den Satz nicht auf die Reihe, was da zu was gehört. Was ist da alles schwer? „Ein schwerer Ernst dünkt mich zu schwer“, sagt eine Übersetzung, aber da fehlt mir das vorkommende Herz.

Aus der Nr. 18, Circa mea pectora

Vellet deus, vellent dii quod mente proposui:
ut eius virginea reserassem vincula.

Da sind mir wörtliche Übersetzung und Sinn klar. Aber: Kann man das auch irgendwie so übersetzen, dass es älteren, konservativen Chormitgliedern nicht die Schamesröte ins Gesicht treibt? Also dass es etwas weniger explizit ist? Vorschläge?

Herzlichen Dank schon im Voraus
nichtsalsfragen

PS: Vermutlich kann ich auf Antworten erst am Sonntagabend oder Montag reagieren.

„De n gesamte n Text der Carmina Burana gibt es…“ natürlich. Sorry. Trotz Vorschau reingerutscht.

Servus,

Sors salutis et virtutis mihi nunc contraria,
est affectus et defectus semper in angaria.

hier hilft wohl die Grundbedeutung der Verben, von denen affectus und defectus abgeleitet sind: „affectus“ wäre dann die (intensive) Zuwendung zu etwas oder jemandem, auch sowas wie Konzentration, Anspannung und „defectus“ das Gegenteil, ablassen von etwas oder jemandem, auch Entspannung: „Egal, ob ich mich auf etwas konzentriere oder zu entspannen versuche, alles wirkt beklemmend“ - Beschreibung eines depressiven Zustandes mit Angst. Das „mihi est“ erlaubt, den ganzen Satz auf die Person des Dichters oder Sängers zu beziehen.

Aus der Nummer 11, Estuans interius

Mihi cordis gravitas res videtur gravis.

Ich bringe den Satz nicht auf die Reihe, was da zu was gehört.

Wenn man ihn in Prosa umstellt, vielleicht?

Gravitas cordis mihi videtur res gravis.

„Mattigkeit des Herzens scheint mir eine ernste Sache zu sein.“

Aus der Nr. 18, Circa mea pectora

Vellet deus, vellent dii quod mente proposui:
ut eius virginea reserassem vincula.

Vorschläge?

Vorschlag: Rechne Dir mal aus, wie alt die jetzt älteren Herrschaften in den Jahren 1965 - 1974 waren, als „Sexuelle Befreiung“ auf manchem Banner stand und sogar die FDP mit dem Slogan „Weg mit den alten Zöpfen!“ warb. Die, die noch ein bissle jünger sind und erst auf die Sechzig zu marschieren, waren davon begeistert, wie „Ougenweide“ das Thema behandelt hat: http://www.golyr.de/ougenweide/songtext-kommt-ihr-ju…

Moral: Alte Leut sind nicht per se brav und bieder.

Schöne Grüße

MM

Moral: Alte Leut sind nicht per se brav und bieder.

Demnächst wird in den Altersheimen „Highway to Hell“ mit 120 Dezibel von ACDC zu hören sein und nicht der Musikantenstadl. :wink:

Musikbegeisterte
MissSophie

who can´t get noho, sätisfäkschen

Die Zukunft hat schon begonnen!
Schau mal

… oder so:
http://files.rakuten.de/fd9ee403e0c890b54d345275283e…

:wink:

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Hallo Aprilfisch

Vielen herzlichen Dank, das hilft mir schon sehr weiter.

Moral: Alte Leut sind nicht per se brav und bieder.

Das weiss ich sehr wohl. Aber: Wir sind eigentlich ein Kirchenchor, und es gab ausgiebige Diskussionen darüber, ob wir als Kirchenchor die Carmina Burana aufführen können/dürfen/sollen. Ein erster Anlauf vor einigen Jahren scheiterte daran, dass etliche v.a. ältere Mitglieder erklärten, solche Texte nicht singen zu wollen und daher beim Projekt nicht mitzumachen. Inzwischen hat sich der Chor verjüngt und verändert, weshalb ein zweiter Anlauf möglich wurde und nur noch vereinzelte Mitglieder für das Projekt pausieren. Doch aufgrund dieser Vorgeschichte sollte die Übersetzung so brav wie möglich daherkommen.

Gruss
nichtsalsfragen

Servus,

ja, jetzt versteh ich - mit Katholiken kann man sowas besser singen, die sind sich der Unvollkommenheit der Menschen eher bewusst und wollen nicht mit aller Gewalt heilig werden; aber in so eine Truppe ein wenig Schwung rein zu bringen, ist eine Kunst für sich: Die katholischen Organisten warten gern ein wenig auf die Gemeinde, damit das nicht zu anstrengend wird, und die Gemeinde nimmt das dann als Aufforderung, noch ein bissle schläfriger zu singen…

Um den Kern der Zeilen, dass hier die Jungfernschaft als etwas Lästiges benannt wird, lässt sich da nicht gut herumkommen. „Lästige Bürde der Jungfernschaft“ anstelle von „Fesseln“ käme mir noch relativ zahm vor.

Schöne Grüße

MM