Hi
Das ist vollkommen wurscht, was du meinst, das passend ist oder nicht. Wie lange hast du schon welche Asienwissenschaft studiert?
Na also, Schnabel!
Tatsächlich ist die Definition des Mittelalters in China eine altbekannte und weit erläuterte, jedoch immer noch weitgehend ungeklärte Frage, die jedoch nichts mit persönlichen Sentiments zu tun hat als viel mehr mit der Frage: Was ist ein Mittelalter? und zwischen was mittelt es?
Zunächst einmal ist an dem Begriff Mittelalter ja nun wirklich nichts, dass rein europäisch und nicht universell verwendbar wäre. Dass die genaue Einmessung des Mittelalters selbst für Europa nicht ganz so einfach ist wie du es dir vorstellst, wurde ja schon erwähnt.
Abhängig davon gibt es mehrere Deutungsformen, die aktuell beliebteste unter Ostasienkundlern aller Arten ist, dass das Mittelalter eine Zeit der Dezentralisierung (also das Gegenteil eines Großreiches), des Chaos aber auch der Neubildung, des Experimentierens (das Gegenteil eines „Dark Age“ also) und des Fokus auf das „völkische“ (in Ermangelung eines besseren Wortes), anstelle einer gebildeten Elitenschicht ist.
Es gibt aber auch Anhänger der These, dass ein Mittelalter schlicht Übergang zwischen einer Antike und einer Moderne ist, wobei in China selbstverständlich auch gestritten wird wann dort denn die Moderne anfing - eine Industrialisierung gab es in endemischer Form schon früher als in Europa, das macht die Definition allsammt problematisch. Anhänger der letzteren These plädieren dafür, dass das chinesische Mittelalter sich bis in die Song-Dynastie erstreckt (was ich für gewagt halte), einige schieben hier dann die Song-Yuan-Ming Epoche als eigene Zeitepoche vor der Moderne der Qing-Dynastie (u.f.) ein.
Aktuell gehandelt wird als Chinesisches Mittelalter aber typischerweise (und so findest du es auch in vielen Zeitüberblicken und Chronologien) das Ende der späteren Han-Dynastie (2. Jh CE) bis zum Jahr 538 (etablierte und beginnend zentralisierende Sui-Dynastie).
Das macht aus mehreren Gründen Sinn:
- Es war eine Zeit der Dezentralisierung aber auch des Neuerfindens (in China ist es ganz typisch dass zentralisierte Zeiten zu geistigen „Stillstand“, zersplitterte Zeiten dagegen zu kultureller Blüte führen)
- Es herrschte Chaos, zum einen wegen der unklaren Herrschaftslage und sich bekriegenen Gruppierungen, zum anderen aber auch sprachlich. Die Sprache veränderte sich in jener Zeit stark und heutzutage können nur wenige Personen das Chinesisch des „Mittelalters“ vernünftig lesen, meist nur auf bestimmte Jahrhunderte bezogen. Zum Vergleich: Ich kann gut das Chinesisch des 2. und des 6. Jh. lesen, während das des 3. Jh. voll an mir vorbei geht, komm mir nicht mit dem 4., das geht grad noch so. Dagegen stellt es für kaum jemanden ein Problem dar (welcher der Sprache mächtig ist), Chinesisch der Song- oder der Qing-Dynastie zu lesen. Da gab es zwar auch Veränderungen, aber nicht so krass.
- Gerade in der Literatur wird von der Elite Abstand genommen - klar, unsere Schreiber sind immer noch Anhänger der Elite, aber sie schreiben nicht mehr nur normative Texte, Fürstenspiegel und konfuzianische Gedankenspiele, sondern sie beschäftigen sich mit dem Volk. Volksmythen, Legenden, Anekdoten, Spukgeschischten (sogenannte Zhiguai) und persönliche Notizen, Tagebücher werden erstmals erstellt und auch vermarktet!
Ich bin mit dieser Deutungsweise eigentlich einverstanden, aber natürlich darf man nicht davon ausgehen, dass ein chinesisches, oder peruanisches, oder ozeanisches Mittelalter genauso aussah wie in Europa.
Mit Verlaub, sowas wäre aber auch arg blöde.
lg
Kate