Leibeigenschaft in Deutschland abgeschafft?

Guten Tag!
Wann wurde die Leibeigenschaft in Deutschland abgeschafft?
Vielleicht auch in verschiedenen deutschen Ländern zu verschiedenen Zeiten?
Besonders interessiert mich Vor- und Hinterpommern, sowie Mecklenburg.

Wäre für eine Antwort sehr dankbar.

Appelschnut

Quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Leibeigenschaft
Erst mit der Bauernbefreiung Anfang des 19. Jahrhunderts ging die Verbreitung der Leibeigenschaft zurück. Die Forschung ist sich weitgehend darüber einig, dass die Forderungen nach Befreiung von der Leibeigenschaft nicht wegen der Verpflichtungen der Leibeigenen erhoben wurden. Vielmehr widersprach die Vorstellung einer persönlichen Bindung dem Menschenbild der Aufklärung. Deshalb wurde die Leibeigenschaft in vielen deutschen Staaten zwischen dem Ende des 18. und dem Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehoben. In Württemberg erfolgte die Aufhebung 1817 sogar entschädigungslos. In Ostdeutschland wurde die Leibeigenschaft 1807 durch Erlass des Königs von Preußen mit Wirkung zum Martinstag 1810 abgeschafft

Hallo

Besonders interessiert mich Vor- und Hinterpommern, sowie
Mecklenburg.

Da es kein einiges Deutschland gab, erfolgte die Aufhebung der Leibeigenschaft nicht zu einem einheitlichen Zeitpunkt. Im großen und ganzen fand sie statt, als die deutschen Staaten im Einflussbereich Napoleons lagen, also Anfang des 19. Jahrhhunderts.

Hierzu gehört natürlich auch Pommern - als Teil des Königreichs Preußen. Bei den „Mecklenburgs“ (M.-Schwerin bzw. M-Strelitz) war es etwas anders. Schon Bismarck sagte ja, er würde im Falle eines Weltuntergangs nach Mecklenburg ziehen, da finde alles hundert Jahre später statt. So wohl auch bei der Leibeigenschaft: Bernt Engelmann weiß in seinem „Anti“-Geschichtsbuch „Wir Untertanen“ davon zu berichten, dass im Schweriner Schloss die Elektrizität bis 1918 dadurch erzeugt wurde, dass einige Lakaien in einem Tretrad liefen…jenseits aller bürgerlichen Rechte, die es spätestens seit der Reichseinigung 1871 auch dort gegeben haben muss. Aber war das natürlich keine Leibeigenschaft im eigentlichen Sinn, sondern einfach nur Ausdruck eines reaktionären und rückständigen Menschenbildes bei den dort Herrschenden (und wohl auch ihren Untertanen in der Tretmühle).

Gruß
smalbop

Hallo!

Quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Leibeigenschaft […] In
Ostdeutschland wurde die Leibeigenschaft 1807 durch Erlass des
Königs von Preußen mit Wirkung zum Martinstag 1810 abgeschafft.

Das ist so nicht richtig. Die Leibeigenschaft wurde schon früher abgeschafft.
Was an diesem Tag aufhört, ist die Gutsuntertänigkeit:
Vgl. „Edikt, den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie der persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend“ v. 9. Okt. 1807:
„§ 12. Mit dem Martinitage eintausendachthundertundzehn hört alle Gutsuntertänigkeit in unsern sämtlichen Staaten auf. Nach dem Martinitage 1810 gibt es nur freie Leute […]“.
Zur Leibeigenschaft als persönliche Dienstbarkeit vgl.

  1. Allgemeines Preußisches Landrecht (1794), Zweiter Teil, 7. Titel:
    „§ 147. Untertanen werden, außer der Beziehung auf das Gut, zu welchem sie geschlagen sind, in ihren Geschäften und Verhandlungen als freie Bürger des Staates angesehen.
    § 148. Es findet daher die ehemalige Leibeigenschaft, als eine Art der persönlichen Sklaverei, auch in Ansehung der untertänigen Bewohner des platten Landes nicht statt.“
    Das Wort „frei“ bedeutet also nicht in beiden Texten das Gleiche. Denn das Gegeneil - „unfrei“ - ist mal die Leibeigenschaft, mal die Gutsuntertänigkeit.
    Schönen Gruß!
    Hannes

Vielen Dank Euch dreien.
Eure Antworten geben mir ja sooo viel Information.
In Wikipedia hatte ich natürlich selbst schon geguckt, auch in anderen von Google angegebenen Quellen, aber es reichte mir nicht.

Sowohl aus smalbobs als auch aus Hannes Antwort geht hervor was ich mir schon
erarbeitet hatte, nämlich, dass die Unfreiheit und das Gebunden sein an ein Gut
überall in Mecklenburg lange nach der offiziellen Abschaffung der Leibeigenschaft weiter anhielt. Das Gesetz also nicht befolgt wurde.
Jetzt habe ich dazu Zahlen. Ich danke Euch sehr.

Falls es Euch interessiert, etliche meiner bisherigen Informationen stammen aus dem Munde eines Mannes (meines Urgroßvaters) der als Landarbeiter auf dem Gut eines Barons lebte und arbeitete, mir von Lohn und Deputat erzählte und auch davon, dass er 1904 seinen Herrn fragen musste ob er ein bestimmtes Mädchen aus einem anderen Dorf heiraten durfte. Als er einige Jahre später einmal vorübergehend in der nächstgelegenen Stadt eine besser bezahlte Arbeit fand, musste er in dieser Zeit auf dem Gut einen Jungen bezahlen, der dort einen Teil seiner Arbeit tat.
Freundlichen Gruß
Appelschnut

‚Menschenstrom‘
Hallo Smalbop,

nachdem Engelmann generell keine seriöse Quelle ist, möchte ich hier mal in die Runde fragen, ob diese Geschichte verbürgt ist. Wer etwas Physikkenntnisse besitzt, sollte erkennne, dass hier „einige Lakaien“ nicht ausgereicht hätten.

Bernt Engelmann weiß in seinem
„Anti“-Geschichtsbuch „Wir Untertanen“ davon zu berichten,
dass im Schweriner Schloss die Elektrizität bis 1918 dadurch
erzeugt wurde, dass einige Lakaien in einem Tretrad
liefen…jenseits aller bürgerlichen Rechte, die es spätestens
seit der Reichseinigung 1871 auch dort gegeben haben muss.

Viele Grüße,
Andreas