Guten Abend, Petra!
…Veteranen des 1. Weltkriegs nun wieder ins zivile Leben zurückfinden müssen.
Und da setzt sich gerade ein neuer Bekannter der drei, der so viel getrunken hat, dass er sich nur mit Mühe auf den :Beinen halten kann, ans Steuer…
Ab wann gibt es eigentlich eine Promillegrenze beim Autofahren? Damals war so etwas ja offenbar noch kein :Thema.
Meine Erinnerung an die Arbeitswelt und als Autofahrer beginnt in den 60er Jahren. Alkohol am Arbeitsplatz wurde fast überall nicht nur toleriert, war vielmehr Normalität. Ähnliches galt hinter dem Lenkrad. Ich erinnere mich an eine Grenze von 1,6 Promille. Gleichzeitig gab es in Westdeutschland 17.000 Verkehrstote pro Jahr. Die Promillegrenze war über Jahre Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Interessenvertreter, allen voran regelmäßig auch Politiker aus Bayern, warnten dringend vor einer Herabsetzung. Die Gastronomie würde eingehen, Arbeitsplätze gefährdet und das Bier am Arbeitsplatz sei deutsches Kulturgut, hieß es allen Ernstes.
In den 60ern lernte ich die Verhältnisse in mehreren kleinen Handwerksbetrieben kennen. Alkohol gehörte bei vielen Gelegenheiten ganz selbstverständlich dazu. Eine Bierfahne im Verkauf ging nicht, aber an anderen Arbeitsplätzen einschließlich Lenkrad des Firmenfahrzeugs scherte sich niemand darum. Selbstverständlich wurde auch überall geraucht und es gab regelrechte Zwergenaufstände, als in der Hamburger U-Bahn, aus deren bis zur Undurchsichtigkeit verqualmter Luft man zuvor kaum ohne Brandlöcher herauskam, das Rauchen verboten wurde. Man sah manches anders als heute. Ich erinnere mich an angetrunkene Linienbusfahrer und ein aufgrund einer Kriegsverletzung einäugiger Linienbusfahrer, strammer Alkoholiker und auch hinter dem Lenkrad nie nüchtern, war mir persönlich bekannt.
Es gab aber auch ganz andere Unternehmenskulturen. Anfang der 70er war ich Angestellter bei der Lufthansa. Da spielte sich zumindest in der Flugzeug- und Fluggerätewartung mit Alkohol gar nichts ab. Die Angestellten gingen nach der Arbeit tatsächlich stocknüchtern zum Parkplatz.
Danach arbeitete ich in der Entwicklung eines Elektrokonzerns. Beinahe jeder Kollege hatte irgendein Gefläsch im Schreibtisch. In der Kantine gab es Bier und alle paar Tage hatte irgendein Kollege Geburtstag, der mit alkoholischen Getränken begangen wurde, was niemanden hinderte, danach angetrunken Auto zu fahren.
Ende der 70er war ich Student und jobbte auf einer Werft in Hamburg. Die Tagschicht der Wertarbeiter hatte Feierabend und viele Arbeiter torkelten sturzbetrunken durchs Werkstor zum Parkplatz, um nach Hause zu fahren. Wie auch sonst, gehen konnten sie ja nicht mehr. Gleichzeitig leerten sich die Büros. Ein paar Leute blieben länger, u. a. auch regelmäßig der täglich besoffene Leiter der Buchhaltung und die eine oder andere Büroangestellte, die sich dann von ihm auf einem Schreibtisch nicht so ganz freiwillig an die Wäsche gehen ließ. Nach heutigen Vorstellungen wäre das, was dort an Alkoholmissbrauch und Übergriffen bei Hunderten Mitarbeitern zur Normalität gehörte, täglich Anlass für Hunderte Jahre Gefängnis und Führerscheinentzug.
Die Grenze von 1,6 Promille kam praktisch der Freigabe von Suff hinter dem Lenkrad gleich. Nach heftigen Diskussionen wurde die Grenze halbherzig auf 1,2 Promille gesenkt. Es gab zwar auch Forderungen nach 0,0 Promille, aber soetwas hatte schon deshalb keine Chance, weil 0,0 Promille in der DDR galt. Wenn dann ein Büttenredner im Bundestag fragte, ob die Leute wirklich Verhältnisse wie in der DDR wollen, war die Sache vom Tisch. So machte man das damals. Die Methode funktioniert übrigens bis heute.
Gruß
Wolfgang