Hallo Anke,
Baujahr 1950 ist ein edler Jahrgang - mein Geburtsjahr
Spaß beiseite: Bei Häusern aus dem Anfang der 50er mußt Du mit Baumängeln aller Art rechnen. Wohnraum war überall knapp und wurde mit der heißen Nadel unter schwierigen Bedingungen billigst erstellt. Hauptsache war ein halbwegs dichtes Dach über dem Kopf. Für Dinge wie Trittschalldämmung, Feuchtigkeitssperren etc. gabs weder Zeit noch Geld. Eine ordentliche Bauaufsicht fand i. d. R. nicht statt oder beschränkte sich darauf, daß in den Neubaugebieten alles schön einheitlich aussah. Es gehörte zur Normalität, daß große Teile des Baumaterials geklaut wurden, oft genug von den dort beschäftigten Handwerkern. Zur Normalität gehörte auch, daß gegen Feierabend kaum noch ein Arbeiter nüchtern war. So besitzen viele 100 Jahre ältere Häuser eine weit solidere Substanz als der 50er-Jahre-Pfusch.
Die heutigen Mieter dieser Häuser können an der schlechten Bausubstanz und deren Folgen nichts ändern. Wenn die im Obergeschoß wohnende Mieterin Teppichboden verlegt, kann dadurch eine leichte Verbesserung erzielt werden, aber eine echte Trittschalldämmung ist das natürlich nicht.
An den zugigen Fenstern kannst Du als Mieter halbwegs dauerhaft auch nichts ändern, das ist Sache des Vermieters. Aber Vorsicht: Die alten Hütten sind geradezu angewiesen auf die windigen Fenster, wo man nur nach genauem Hinsehen einen viel zu dünnen Holzrahmen entdeckt, der flatterig und vermutlich krumm wie ein Flitzbogen ist. Baut man dort dicht schließende Fenster ein, werden viele Häuser zu schimmeligen Höhlen, weil man beim Aufbau der Außenwände für Feinheiten wie thermische Isolation und Berücksichtigung des Taupunktes nichts übrig hatte. Oft sind die Wände dieser Häuser dauernd feucht, was aber weiter nicht auffällt, solange die klapprigen Fenster für Dauerlüftung sorgen. Deshalb sollte sich der Hauseigentümer hüten, einfach nur neue Fenster einbauen zu lassen. Er muß vielmehr zunächst einen Architekten beauftragen, der abklärt, was an Feuchtigkeitssperren, Lüftungsmaßnahmen und thermischer Isolation erforderlich ist. Wird an diesen Stellen nicht gründlich untersucht, nachgedacht und geplant, verschlimmert man den Pfusch der 50er nur.
Ich bekomme das alles gerade brühwarm in den neuen Ländern mit. Es wurden irrwitzige Beträge für neue Fenster ausgegeben. Ständig verteilen Wohnungsgesellschaften in den neuen Ländern Handzettel an ihre Mieter, mit der Aufforderung, endlich ordentlich zu lüften. Zig tausende Mietshäuser verschimmeln nämlich buchstäblich. Nur in seltenen Fällen liegt die Schuld bei den Mietern, weil die wochenlang im eigenen Mief sitzen. Schuld sind die Leute, die zwar in bester Absicht, aber ohne Verstand die Häuser einfach nur pottdicht machten. Die Ursachen des Schimmels mit den Folgen tiefgreifender Bauwerksschäden und Erkrankung vieler Bewohner haben sich noch nicht herumgesprochen. Und so entstehen Schäden in Milliardenhöhe.
Gruß
Wolfgang