Nachwahl: Dresden

Hallo!

Eigentlich habe ich angenommen, die Nachwahl in Dresden stellt kein demokratischen Grundsatz auf den Kopf.

Aber: Gestern wurde im ZDF gemeldet, dass ein überproportional gutes Ergebnis in Dresden für die CDU bei den 2-Stimmen diese ein Überhangmandat kosten kann (vgl auch: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/21/0,4070,2380…).

Dadurch stellt sich die Situation ja anders dar: wer die SPD unterstützen möchte, könnte nun taktisch „(1)Rot(2)Schwarz“ wählen.

Es stellt sich bei mir die Frage: ist dies noch demokratisch zu vertreten oder hat hier eine Partei definitiv einen Vorteil?

Wäre die Rechnung noch nicht gemacht, würde doch kein SPD Wähler die CDU mit Zweitstimme wählen (wenn sie es denn tun)?

Lieben Gruß
Patrick

Dadurch stellt sich die Situation ja anders dar: wer die SPD
unterstützen möchte, könnte nun taktisch „(1)Rot(2)Schwarz“
wählen.
Lieben Gruß
Patrick

Das habe ich auch gehört, Patrick!
Obwohl ich Mathematiker bin, möchte ich nicht mehr wählen.

Hallo Patrik,

Es stellt sich bei mir die Frage: ist dies noch demokratisch
zu vertreten?

Diese Frage ist mit Verlaub eine absolut sinnleere und kann niemals mit einer Antwort befriedigt werden, sondern lediglich zu Übersetzungen führen wie: Wollen wir das so? Welches Wahlsystem kommt einer repräsentativen Erhebung am nächsten? Haben andere Länder bessere Wahlsysteme? etc.

Warum?
Undemokratisch wäre es höchstenfalls, hätte irgendeine nicht demokratisch legitimierte Gruppierung X kurzerhand entschieden, in Dresden müsste die Wahl zwei Wochen später stattfinden;
das war aber nicht der Fall, sondern es hat eine festgelegte Spielregel des Wahlsystems gegriffen, deren Greifen in diesem Fall (Tod der Kandidatin) vorgesehen war; selbstverständlich ist diese Spielregel selbst dem Willensbildungsprozess in einer Demokratie unterworfen.

Aus meiner Sicht bringt also die Dresden-Wahl nichts Undemokratisches in den Willensbildungsprozess hinein, sondern lediglich ein zusätzliches Kalkülmoment;
Kalkül ist nun aber alles andere als undemokratisch;
wäre z.B. ein Wahlsystem, in dem alle Wahlbezirke mit Kenntnis des bisherigen Zwischenergebnisses nacheinander wählen würden, demokratischer oder undemokratischer als unser jetziges? Ich glaube, darauf lässt sich nicht so leicht antworten (obwohl wir auf Grund eines status quo-Zentrismus verständlicherweise allzu schnell zum „undemokratischer“ greifen würden);
abgesehen davon haben wir durch die vielen Umfrage-Ergebnisse im Grunde bereits durchaus eine ähnliche Situation.

Als empirischer Wissenschaftler wirst Du hinter Deinem Ausdruck „demokratisch“ möglicherweise so etwas wie „Validität“ im Auge haben, dass also eine demokratische Wahl ein valider Test sein sollte, den politischen Willen des Volkes möglichest gut abbilden sollte. So etwas hielte ich aber für ein grundlegendes Missverständnis.

Wäre die Rechnung noch nicht gemacht, würde doch kein SPD
Wähler die CDU mit Zweitstimme wählen (wenn sie es denn tun)?

Das ist richtig (wobei sich ja auch umgekehrt die CDU-Anhänger ebenfalls taktisch verhalten könnten!), wobei ich darin nichts undemokratisches sehen kann, allenfalls etwas ungewöhnliches.

Viele Grüße
franz

interessant ist auch der Wikipedia-Artikel
Hi,
heute ist:
http://de.wikipedia.org/wiki/Negatives_Stimmgewicht_…
Artikel des Tages.

g,
J+

Sinn parlamentarischer Wahlen?
Hallo Franz

Als empirischer Wissenschaftler wirst Du hinter Deinem
Ausdruck „demokratisch“ möglicherweise so etwas wie
„Validität“ im Auge haben, dass also eine demokratische Wahl
ein valider Test sein sollte, den politischen Willen des
Volkes möglichest gut abbilden sollte. So etwas hielte ich
aber für ein grundlegendes Missverständnis.

Wieso du hier die Demoskopie ins Spiel bringst, ist mir unklar.
Eine repräsentative Befragung hat zum Ziel, Meinungen zu erheben. Bei einer parlamentarischen Wahl geht es aber nicht nur um Meinungen, sondern um (mittelbare) Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess.

Man kann sich nun darüber streiten, ob das parlamentarische Repräsentativsystem, als quasi Blanco-Bevollmächtigung von Abgeordneten, besonders demokratisch sei, also die Herrschaft des Volkes wirklich gewährleiste, aber wenn schon in diesem eingeschränkten Sinne: Welchen anderen Sinn sollten denn Wahlen haben als den, den politischen Willen des Volkes möglichst gut abzubilden?

Grüße
oranier

Hallo Franz!

Nein, diese Frage hat nichts mit empirischer Wissenschaft zu tun; vielmehr mit einem vielleicht etwas „naivem“ Verständnis von Demokratie: ich denke, bei einer Demokratischen Wahl wählt man aus Überzeugung denjenigen Volksvertreter, den man präferiert.

Wenn man aber die Gegenseite desjenigen wählen muss, um denjenigen, welchen man eigentlich wählen möchte, zu unterstützen, dann läuft etwas verkehrt (meine Meinung). Letzten Endes kann man seine Stimme nicht mehr ohne weiteres so abgeben, wie man eigentlich möchte.

Aktuelleren Berichterstattungen zu Folge haben die Politiker von FDP und CDU anscheinend explizit darum gebeten, die CDU NICHT mit der Zweitstimme zu wählen.

Ich finde, hier wird das Wahlsystem ad absurdum geführt, wenn man eben den Wahlgedanken - so wie ich ihn weiter oben beschrieben habe - einer Wahl zugrunde legen möchte.

Auch dass ein Politiker sich zu Wahl stellt, weil er es gerne machen möchte, aber dann bitten muss, ihn nicht zu wählen, damit er ernannt wird, halte ich ebenfalls für paradox.

Und noch etwas: dieses Prinzip, welches letztlich zu dieser Situation geführt hat, ist nur sehr schwer verständlich wenn überhaupt in seinem Umfang so bekannt. Viele Menschen scheinen schon mit der Bedeutung von Erst- und Zweitstimme Probleme zu haben; da halte ich solche „Rundungsexzesse“ bei der Bestimmung der Abgeordneten pro Partei eines Landes für zusätzlich denkbar ungünstig. Eine demokrazische Wahl sollte meiner Meinung nach so einfachen Prinzipien folgen, dass auch (fast jeder) die Möglichkeit hat, das System zu verstehen. Ich behaupte einmal, dass es sich in der deutschen Wirklichkeit genau anders herum verhält.

Vielleicht sollte man generell darüber nachdenken, diese Wahl nach „Wahlkreisen“ der Länder in das zu transformieren, was sie wirklich ist: eine BUNDEStagswahl.

Aber wir werden sehen, was da heute bei rauskommt;

lieben Gruß
Patrick

Hallo „Hans“!

Obwohl ich Mathematiker bin, möchte ich nicht mehr wählen.

Wie - kein Astronaut oder Kernphysiker mehr…

Aber wählen darf man Dich dann in (vorraussichtlich) 4 Jahren?
By-the-way: was ist eigentlich, wenn eine große Koalition mit israelischem Vorbild zu Stande kommt mit einem Kanzler Schröder für die ersten 2 Jahre. Darf der dann vor Ablauf dieser Periode die Vertrauensfrage stellen…

Lieben Gruß
Patrick

Hallo Oranier,

Als empirischer Wissenschaftler wirst Du hinter Deinem
Ausdruck „demokratisch“ möglicherweise so etwas wie
„Validität“ im Auge haben, dass also eine demokratische Wahl
ein valider Test sein sollte, den politischen Willen des
Volkes möglichest gut abbilden sollte. So etwas hielte ich
aber für ein grundlegendes Missverständnis.

Wieso du hier die Demoskopie ins Spiel bringst, ist mir
unklar.

Demoskopie habe ich an zwei Stellen ins Spiel gebracht:

  1. In der von Dir zitierten Passage, in der ich versuchte, Patriks (latentes) Verständnis eines „demokratischen Wahlsystems“ darzustellen, was meines Erachtens der Struktur der Demoskopie entlehnt ist (er verneint dies explizit, sein vorgebrachtes „‚naives Verständnis‘“ entspricht dem aber aus meiner Sicht sehr wohl)

  2. Bei der Frage des Kalküls: Patriks „‚naives‘ Verständnis“ minimiert aus meiner Sicht das Kalkül: jeder solle exakt den Volksvertreter wählen, den er sich wünscht;
    mit der Dresden-Situation kommt Kalkül ins Spiel: man muss genau den Volksvertreter (Partei) n i c h t wählen, den man wünscht;
    Patrik hält dies seinem von ihm so genannten „‚naiven‘ Verständnis“ gemäß folgerichtig für eine absurde Situation.

Nun ist aber in diesem einen Teilbereich Dresden im Verhältnis zur Bundestagswahl bereits ansatzweise dasselbe wie die Bundestagswahl im Verhältnis zur Demoskopie bzw. zur Sonntagsfrage: die Demoskopie liefert Quasi-Zwischenergebnisse, an denen man sich in seiner Wahl ausrichtet (z.B. wenn CDU-Anhänger mit ihrer Zweitstimme die FDP stärken, wenn Linke die Linkspartei wählen, obwohl sie zum Großteil die SPD gewählt hätten, wäre nicht durch Demoskopie klar gewesen, dass die Linkspartei ins Parlament einziehen kann, etc.).

So wird ja die Errichtung einer zeitlichen demoskopischen Bannmeile vor dem Wahlsonntag immer wieder mal diskutiert.

Eine repräsentative Befragung hat zum Ziel, Meinungen zu
erheben. Bei einer parlamentarischen Wahl geht es aber nicht
nur um Meinungen, sondern um (mittelbare) Beteiligung am
politischen Entscheidungsprozess.

In diesem Satz sehe ich viel zu viel Dichtomie: Auf der einen Seite ist ja die Wahl in einem Repräsentativsystem durchaus erstmal die Umsetzung von Meinung in „politische Meinung“ (repräsentierte Meinung), welche erst als solche am politischen Entscheidungsprozess beteiligt ist, auf der anderen Seite ist die Demoskopie selbst ein gewichtiger Akteur im Meinungsbildungsprozess bzw. Kalkülfaktor im Wahlprozess.

Viele Grüße
franz

Hallo!
Lieben Gruß
Patrick

Es schaut gut für die CDU und für Merkel aus.

Hallo,
ich habe leider keinen Link mehr dazu, aber bin beim stöbern des Wikipedia Artikels „negatives Stimmgewicht“ drüber gestolpert:
Jede Stimme im Deutschen Wahlrecht hat eine Effektivität von 98 bis 102%… das relativiert die Meinung ich würde der Partei A helfen, wenn ich für B stimme. Es lebe das Gesetz der großen Zahl sag ich da nur!
Wenn natürlich NUR die Anhänger von Partei A strategisch wählen würden, gäbe es krasse Verzerrungen, da sich aber beide Wählerparteien so verhalten, nivelliert sich ein Großteil der Effekte.

btw: Es gab bei fast jeder BTwahl diese „negativen Stimmgewichte“ aber halt nur im „was wäre wenn…“ Fall.

gruß
aleX

Hallo Franz,

im Internet und anderswo grassieren offenbar zu viele „Votings“, wo man zu allem und jedem seine Stimme abgeben kann, was zur Folge hat, dass im öffentlichen Bewusstsein der fundamentale Unterschied zwischen politischer Meinung und politischem Handeln verwischt wird.

In diesem Satz sehe ich viel zu viel Dichtomie: Auf der einen
Seite ist ja die Wahl in einem Repräsentativsystem durchaus
erstmal die Umsetzung von Meinung in „politische Meinung“

Die Wahl ist im Gegenteil die Umsetzung einer bereits politischen Meinung in politisches Handeln.
Ich kann z.B. der Meinung sein, dass es Mindestlöhne geben sollte und diese Meinung auch in einem „Voting“ kundtun, eine andere Sache ist es aber, einen Kandidaten, der die Einführung von Mindestlöhnen verspricht, in den Bundestag zu wählen, damit er dies für mich tue. In diesem Fall wirke ich mittelbar an der Einführung von Mindestlöhnen mit.

Grüße
Oranier