HALLO, liebe OSSIS in den blühenden Landschaften, lasst ihr
euch wirklich nochmal verarschen wie 1990?
Hallo,
Herr Kohl versprach die blühenden Landschaften in den neuen Ländern und meinte das Aufblühen der Wirtschaft. In dem Moment, als er das sagte, war mir klar, daß er nicht wußte, was er sagte. Wer je eine kleine Wirtschaftseinheit, einen kleinen Betrieb, eine eigene Existenz auf die Füße stellte, weiß, welch langer und mühsamer Weg das ist. Der Zeitmaßstab ist in Jahrzehnten zu unterteilen und nicht in Monaten oder wenigen Jahren. Nur Strohfeuer funktionieren kurzfristiger.
In den neuen Ländern ist schon sehr viel geschehen, die Verkehrsinfrastruktur hat inzwischen den Namen verdient und es wurde viel saniert und privatisiert. Natürlich fielen auch Abzocker über das Land her, Träumer, Unfähige und Leute mit unendlich vielen Versprechungen. Da wären wir dann wieder bei den Politikern, von denen unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit viele nicht wissen, was sie sagen, aber sehr genau wissen, was die Leute hören wollen.
Wer sich nicht nur Rostocks neues Zentrum oder Ost-Berlin ansieht, wer sich nicht nur durch eine Vorzeige-Industriehalle führen läßt, sondern seinen Hintern in die Kleinstädte und aufs Land begibt und die Augen offen hält, muß eigentlich merken, was fehlt: Es fehlt eine gewachsene Struktur von Klein- und Mittelbetrieben.
Viele große Unternehmen gründeten Niederlassungen in den neuen Ländern - Vorzeigeprojekte für hunderte Millionen Mark, in denen danach relativ wenige Menschen Arbeit fanden. Überall gibt es Gewerbegebiete, wo es aber über ein paar Autohändler, einen Getränke- und einen Baumarkt nicht hinaus geht. Ansonsten gibts vielleicht noch eine Tschibo-Filiale, Mc Donalds, einen Elektriker und einen Friseur. Es fehlt aber weitgehend der nicht aus dem Boden zu stampfende Speckgürtel von Betrieben von Maschinen- und Anlagenbauern, Galvanikbetrieben, Blechbearbeitern, eben Hersteller und Lohnbetriebe, die eine industrielle Infrastruktur braucht. Es fehlt also das produzierende Gewerbe, das unmittelbar und selbst tätig ist. Enstanden ist in erster Linie eine reine Distributionsstruktur und Läger, wo Pappkartons auf Paletten stehen.
Die Gewerbestruktur muß aus gründungswilligen Leuten aus der örtlichen Bevölkerung kommen. Man kann Anreize und Förderung bieten, aber machen müssen es die Menschen letztlich selbst. So gesehen richten Politiker mit Versprechungen eher Schaden an, nähren sie doch die Hoffnung, die Regierung in Berlin wird es schon richten. Egal welche Regierung es auch immer ist, das kann sie nicht leisten. Die höchste Erwartung, die man an Stoiber, Schröder oder wen auch immer knüpfen kann, ist die, daß diese Leute wenigstens den Schatten einer Ahnung hätten, was Existenzgründer im Land (nicht nur in den neuen Ländern) an Voraussetzungen benötigen. Da könnte die Politik sehr viel tun, was nicht einmal Geld, sondern nur Sachkenntnis und guten Willen erfordert. An wirtschaftlichem Sachverstand fehlt es aber ganz allgemein. Woher sollten Juristen und beamtete Verwaltungsleute den auch her haben?!
Die Wende ist jetzt 12 Jahre her. Viele junge Menschen haben die neuen Länder verlassen. Von wenigen Ballungszentren abgesehen, leidet das Land großflächig unter Überalterung und Entvölkerung. Ein großer Teil der verbliebenen Menschen hat noch viel mehr als in den alten Ländern mit der Muttermilch aufgesogen, daß irgend jemand bestimmen und sagen muß, was zu tun ist. Es fehlt an Eigeninitiative, an Ideen. Immer noch stehen zigtausende Immobilien in der Gegend herum, ungenutzt, leer, dem Verfall anheim gegeben, obwohl viele Prachtstücke darunter sind. Die Ideen erschöpfen sich in Hotels und Einrichtungen für den Fremdenverkehr. So viele Touris gibts aber nicht, um auf diese Weise leben zu können. Ich sehe „Wessis“, die für’n Appel und 'n Ei die Immobilien kaufen, um dann ebenfalls in der Ideenlosigkeit zu versinken. „Altenresidenzen“ und Hotels fallen den beschlipsten Investoren ein - erbärmlich! In vielen Fällen gehen den unter Beifall angetretenen Investoren auch noch Geld und/oder Lust aus, so daß es bei einem Bauzaun und einem inzwischen auch schon verwitterten riesigen Schild „Hier entsteht…“ bleibt. Mancher hat auch nur für wenig Geld gekauft, um sich dann schamhaft nie wieder blicken zu lassen. Da läuft oft ein großer Haufen Mist aus Selbstüberschätzung und wirtschaftlicher Stümperei.
Die wenigen jungen, arbeitsfähigen und arbeitswilligen Menschen, die es dort noch gibt, müssen Anreiz bekommen, zu bleiben. Nicht nur als Angestellte oder Beamte, nicht als Teilnehmer von ABM-Maßnahmen oder Bezieher von Sozialleistungen, sondern als selbständig wirtschaftende Menschen. Viele solcher kleiner Zellen werden gebraucht, wie ein Chirurg, der wenige Pünktchen heiler Haut auf den großflächig verbrannten Untergrund setzt.
Die Anreize können vielfältig sein. Platz und Gebäude gibt es genug. Da hast Du 200 qm Platz, mach was draus, kostet keine Miete, andernfalls würde es eh leer stehen. Einen Meisterbrief brauchst Du nicht. Baue hier Deine Möbel oder fabriziere Deine feinmechanischen Dinge. Du mußt arbeiten bis zum Umfallen, einen kaufmännischen Crash-Kursus auf ordentlichem Niveau machen, der nichts kostet, aber dessen erfolgreicher Abschluß Voraussetzung ist. Du bekommst Dein Arbeitslosengeld ein Jahr lang weiter und wenn Du mindestens eine schwarze Null schreibst, gibts das Geld noch ein weiteres Jahr. Dir steht ein erfahrener Praktiker, ein Ruheständler zur Seite, dessen Rat Du annehmen kannst, aber nicht mußt. Danach sieh zu, wie Du über die Runden kommst.
Mit anderen Worten: Wir brauchen kein noch enger geknüpftes soziales Netz. Wir brauchen Leute, die arbeiten. Wir brauchen weniger Groß- und Vorzeigeprojekte. Wir brauchen die kleinen, wirtschaftlich selbständigen Einheiten. Wir brauchen keine mit Bankmitteln hoch verschuldeten Leute, die in Edelumgebung versuchen, Geschäften nachzugehen, die keiner braucht. Wir brauchen aber arbeitende Menschen, die Bedürfnisse befriedigen. Wir brauchen keine weiteren, von Ministerpräsidenten eingeweihten Zentren, wo Freaks ohne wirtschaftlichen oder sonstigen Sachverstand Webseiten mit viel Flash-Zeuchs entwerfen und diesen Job inzwischen für Schenkpreise machen. Auf der anderen Seite muß man Leute mit umfassendem technischen Sachverstand mit der Lupe suchen und mir sind Fälle bekannt, wo 2.500 Euro + Spesen pro Tag (!) bezahlt werden, um solche Dienstleister zu bekommen. Die arbeiten 7 Tage die Woche und können sich vor Aufträgen nicht retten. Nur richtig gut sein müssen sie, breitbandige Hochkaräter, die das Problem des Kunden mit jedem erforderlichen Einsatz lösen. Schmalspur ohne Überblick ist nicht gefragt.
Werkzeugmacher, Physiklaboranten, Mechatroniker, Ingenieure - technisch und kaufmännisch ausbilden, Erfahrung zur Seite stellen und dann laßt sie arbeiten - auf eigene Rechnung. Das ist dann kein Feld für Gewerkschaften und nichts für Ideologen. Das ist etwas für Leute, die mit Biß arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit selbst ernten.
Und was bieten Stoiber, Schröder und wie sie alle heißen an Ideen, die uns von den Stühlen reißen?
Gruß
Wolfgang