Hi,
Oh Mann, ich glaube das alles nicht… jetzt hab’ ich den Text hier in irrer Arbeit auseinandergenommen und dann krieg ich ne Fehlermeldung und alles ist weg *schrei*
Also alles wieder von vorne…
Zunächst zu den Äußerlichkeiten. Das Zeugnis muß
- auf offiziellem Firmenpapier geschrieben sein
- darf nur geknickt sein wenn man es kopieren kann ohne daß die Knicke auf den Duplikaten sichtbar sind
- das Adressfeld darf nicht, wie bei einem Brief, ausgefüllt sein
- das Datum SOLLTE (ist aber nicht einklagbar) auf den Tag des Ausscheidens aus dem Unternehmen datiert sein
- die Unterschrift muß von einem hochrangigen Vertreter der Firma (Chef, Leiter Personalabteilung, …) persönlich geleistet worden sein. „I. A. Müller, Sekretärin des Abteilungsleiters“ reicht nicht
- unter der Unterschrift müssen Name und Funktion des Unterzeichnenden nochmal in Maschinenschrift stehen.
Frau …war vom… bis … (4 Monate) in einem
befristeten Arbeitsverhältnis im…tätig. Sie wurde als
SAP-anwendungsbetreuerin für das Modul FI eingesetzt.
Ist „Anwendungsbetreuerin“ auch im Original klein geschrieben? Dann ist das schon der erste Grund das Zeugnis zurückzuweisen. Schreibfehler dürfen nicht gemacht werden - werden aber gerne benutzt um eine Aussage zu negieren oder negativ zu machen. Hier schreibt man es dann klein um zu demonstrieren daß die Frau eine „kleine“, also schlechte Anwendungsbetreuerin war.
In einer dreiwöchigen Einarbeitsphase
Das heißt normalerweise: Einarbeitungsphase…
wurde Frau zunächst
Hast Du den Namen vergessen oder steht er nicht im Zeugnis? Falls letzteres: eine Schlampigkeit oder ein Mangel an Respekt, jedenfalls nicht hinnehmbar.
in
die FI-spezifischen sowie allgemeinen Strukturen eingewiesen.
Danach wurde ihr die Projektaufgabe „Einführung eines
Kassenbuchs“ übertragen. Diese Projektaufgabe war in die
folgenden Teilaufgaben untergliedert. Erstellen des
Fachkonzepts, Durchführung des FI-Customizing, Testungen,
schulungen und Produktivstart.
- Grammatikfehler: „folgende Teilaufgaben untergliedert“, dann kommt ein Punkt anstatt eine Aufzählung
- der Satz "Erstellen des
Fachkonzepts, Durchführung des FI-Customizing, Testungen,
schulungen und Produktivstart." besteht nicht, wie im Deutschen erforderlich, aus Subjekt, Prädikat und Objekt. Das ist also gar kein vernünftiger Satz - wieder ein Fehler.
- Schulungen ist klein geschrieben
Ich kenne mich mit SAP nicht aus - aber stimmt die Aufgabenbeschreibung denn? Oder ist das auch inhaltlich unvollständig? Normalerweise sollte an dieser Stelle stehen:
"Ihre Aufgabenstellung war
- Projektleitung „Einführung eines Kassenbuchs“
- Erstellen des Fachkonzepts
- Durchführung des FI-Customizing
- Testungen
- Schulungen
- Produktivstart
- Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern
- Zusammenarbeit mit Kunden
- administrative Tätigkeiten."
Der ganze Abschnitt besteht aber entweder aus unglaubliche Schlampereien oder unglaubliche Abwertungen der Frau X.
Wir haben Frau…als pünktliche und freundliche
Mitarbeiterin kennen gelernt.
„Pünktlich und freundlich“ sind Selbstverständlichkeiten, die normalerweise keiner eigenen Erwähnung bedürfen. Steht nichts weiter da als diese Formulierung wertet man das als „beredtes Schweigen“: da man sonst nichts annähernd Gutes über den Mitarbeiter sagen kann sagt man etwas, das selbstverständlich ist.
Letztlich beruht das auf der Maßgabe daß Zeugnisse wohlwollend formuliert sein müssen und nicht offensichtlich negativ formuliert sein dürfen. Über derartige Konstruktionen, z. B. Auslassungen oder nur die Erwähnung von Selbstverständlichem drückt man aber aus daß es nichts Positives über die Leistungen des Mitarbeiters zu sagen gibt.
„Haben kennengelernt“ ist die übliche, distanzierte und negative Formulierung wenn man sagen will daß kein gutes Arbeitsverhältnis zustande kam.
Aussagen zur Motivation, zur Befähigung, zur Leistung und den Arbeitsergebnissen der Frau X fehlen ganz. Man erwähnt nur „pünktlich und freundlich“ und geht dann schon zur Beurteilung der sozialen Kompetenzen über.
Ihr Verhalten gegenüber
Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei.
Hier fehlt ein positives Wort wie „stets“, „immer“ oder „jederzeit“. Frau X hatte also keineswegs ein so gutes Verhältnis zum Umfeld, wie das im ersten Moment klingt.
Ganz unerwähnt bleiben die Kunden. Normalerweise ist die Formulierung „Vorgesetzte, Kollegen, Kunden“. Letztere fehlen, was wiederum als „beredtes Schweigen“ auszulegen ist und den Eindruck macht daß Frau X mit selbigen nicht zurecht kam.
Wegen der Kürze der
Beschäftigung ist eine weitergehende Beurteilung nicht
möglich.
Die übliche Formulierung wenn man nichts weiter Positives sagen will. Dabei ist die Aussage bei einer Beschäftigungsdauer von 4 Monaten auch noch inakzeptabel.
Aufgrund des §630 BGB besteht ein Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis und das Landesarbeitsgericht Köln hat bereits bei einer Beschäftigungsdauer von nur 4 Wochen einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis bejaht (LAG Köln, 30. März 2001, Aktenzeichen: 4 Sa 1485/00).
Frau…scheidet mit dem heutigen Tag aus unserem
Unternehmen aus.
Hier fehlt eine Erklärung für das Ausscheiden: „Auf eigenen Wunsch“, „aufgrund der Befristung“ oder zumindest „augrund von Stellenabbau“ oder sowas.
Eine Ausdruck des Bedauerns fehlt ebenso - wieder ein Hinweis darauf daß man Frau X gerne aus dem Unternehmen gehen sieht.
Wir wünschen Ihr für die Zukunft viel Erfolg.
Der Satz liesse sich sinngemäß so fortführen: „weil sie den bisher nicht hatte“. Hier kommt also nochmal deutlich zum Ausdfruck daß Frau X inkompetent gewesen sein soll.
Ein guter Schlußsatz wünscht nicht nur Erfolg, sondern auch alles Gute und umfaßt dabei sowohl den privaten, wie auch den persönlichen BEreich: „Wir wünschen ihr für die berufliche und private Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg.“
Unterschriften
Siehe oben, hab’ ich schon bei den äußeren Anforderungen etwas zu geschrieben.
Ich würde dem Arbeitgeber dieses Armutszeugnis „um die Ohren hauen“. Schon die formalen Mängel sind unter aller Sau, z. B. die Rechtschreib- und Grammatikfehler.
Dazu kommen inhaltliche Mängel - sei es weil der Zeugnisschreiber keine Ahnung hatte oder Frau X extrem abwerten wollte.
Die Leistungsbeurteilung muß prinzipiell den Wohlwollensgrundsatz erfüllen („Zudem muss das Zeugnis von verständigem Wohlwollen des Arbeitgebers getragen sein, um nicht das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers unnötig zu behindern.“ - vgl. §826 BGB), was in diesem Zeugnis generell nicht zu erkennen ist.
Zwar ist der AG nicht gezwungen - ja er darf es nicht mal - schlechte Leistungen völlig zu vertuschen, aber es verstößt andererseits gegen den Maßstab des Wohlwollens wenn man so eindeutig mies und respektlos schreibt. Gerade da es ja nicht um einen Maurerbetrieb mit 2 Angestellten geht, wo der Chef es vielleicht einfach nicht besser wußte, sondern ein eher größeres Unternehmen muß man erwarten daß die grundsätzlich in der Lage sind und wissen wie ein brauchbares Zeugnis aussehen muß. Insofern unterstelle ich hier momentan bewußt schlechtes und „nachtretendes“ Verhalten zu Ungunsten der Frau X.
Ich rate Euch mal auf http://www.arbeitszeugnis.de/ nachzulesen wie ein vernünftiges Zeugnis aussehen muß. Zusammen mit einem eigenen Formulierungsvorschlag würde ich dem AG dann diesen Wisch, den Du hier zitierst, zurückschicken und um Änderung bitten.
Kommt da nichts Brauchbares heraus kannst Du die Beratungsstellen der Arbeitsgerichte um Hilfe fragen und ansonsten einen Fachanwalt für Arbeitsrecht um Hilfe anrufen.
Die Gerichte sind deutlich arbeitnehmerfreundlich und es ist keine Frage daß Frau X in jedem Fall ein positiveres Zeugnis bekommen kann.
Gruß,
MecFleih