_Allerdings gebe ich Dir kaum eine Chance, da dein ehemaliger
AG sich vielleicht ethisch unkorrekt verhalten hat - er hat
aber nichts „verbotenes“ getan, wenn er Leute betriebsbedingt
kündigt und sich anschließend neue (die ja durchaus günstiger
sein können) sucht…
Grüße
Guido_
Unseriös ist der AG wie viele andere mit diesen zunehmenden Praktiken allemal auch, wenn er einen Großteil der Belegschaft betriebsbedingt kündigt und hinterher unter schlechteren Vertragsbedingungen das gleiche bzw. neues Personal einstellt.
Es ist sowieso eine Schande, daß die menschliche Arbeitskraft im Kapitalismus für das Profitinteresse der Unternehmer zur Ware verkommt und ein „Arbeitsmarkt“ existiert. Wie verträgt sich das mit der unantastbaren Menschenwürde und den unveräußerlichen Menschenrechten aus der UN-Charta?
Ich bezeichne die oben beschriebene Vorgehensweise als eine arglistige Täuschung nach § 318 Abs. 2 BGB.
Ein AG ist verpflichtet für die auszuübenden Arbeitsaufgaben unabhängig von der konkreten Betrachtung der Person und dem Arbeitsplatz die Eingruppierung in Lohn- und Gehaltsgruppen vorzunehmen und anhand der Stellenbeschreibungen/Funktionspläne zu dokumentieren. Die Eingruppierungsunterlagen sollte man sich als Bestandteil des Arbeitsvertrages in Kopie aushändigen lassen, dann kann der AG später nicht solche Tricksereien veranstalten.
Eingruppierungen wie sie in der Bundesrepublik in Form der summarischen Arbeitsklassifizierung anhand von
- Tätigkeitsbeschreibungen in zwei, drei Sätzen formuliert,
- Auflistung von gleichen und artverwandten Tätigkeitsbeispielen und
- der konkret angegebenen Lohn- und Gehaltsgruppe mit der von-bis-Einkommensspanne
gehandhabt werden, sind äußerst ungenau.
Diese summarische Methode der Arbeitsklassifizierung ist eine oberflächliche und gewollte Eingruppierung. Sie wird bewußt zum Nachteil der AN eingesetzt und befindet sich auf dem arbeitswissenschaftlichem Niveau Mitte der fünziger Jahre des 20. Jh. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die DDR das gleiche Prinzip angewendet in Form von Wirtschaftszweig- und Lohngruppenkatalogen. Schrittweise ist man davon abgerückt.
Ende der siebziger Jahre wurde für die Volkswirtschaft der DDR auf der Grundlage des Arbeitsgesetzbuches der DDR und der Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten, der Rahmenkollektivverträge (das Gegenstück zu den bundesdeutschen Rahmen- und Manteltarifverträgen) eine feiner und tiefer strukturierte Bewertung der Arbeitsaufgaben praktiziert - die analytische Arbeitsklassifizierung:
Die Arbeitsanforderungen aus der Arbeitsaufgabe wurden nach 8 Anforderungsarten und 9 Anforderungsstufen untersucht:
Die Anforderungsarten waren:
- Anforderungen an die Ausübung körperlich schwerer Arbeit
- Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit Arbeitsmitteln: Geräten, Maschinen und Anlagen --> z.B. Prüfungen für Bedien- und Berechtigungsnachweise, Schweißerpasse, Schaltberechtigungen
- Anforderungen an Kenntnisse im Umgang mit Rohstoffen, Materialien, Halbzeugen und Fertigprodukten
- Anforderungen an naturwisschaftlich-technischen Kenntnissen im Arbeitsbereich
- Anforderungen an ökonomischen Kenntnissen im Arbeitsbereich
- Anforderungen an juristischen Kenntnissen im Arbeitsbereich
- Anforderungen an Kenntnissen und Fähigkeiten zur fachlichen Arbeitsunterweisung und/oder zur Leitungstätigkeit von Arbeitsgruppen, Abteilungen, Direktionsbereiche
- Anforderungen an Kenntnisse im Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutz (GABS) - z.B. Gesunheitshelfer, Sanitäter, Zivilschutzangehöriger, Mitglied der Arbeitsschutzkommission, der Betriebsfeuerwehr, …
Je nach Kompliziertheitsgrad gab es pro Anforderungsart und -stufe einen Punktwert. Die Summe aller Punktwerte wurde einer Punktesspanne zugeordnet und entsprach der Lohn- und Gehaltsgruppe des Branchentarifs.
Darüberhinaus konnten zeitunabhängige und nicht an das Arbeitsprodukt gebundene Arbeiten an Leistungskennziffern der Struktureinheit gekoppelt werden. Das war typisch für Gehälter, Zeit- und Prämienlohnsysteme.
Produktionsarbeiter konnten bei Zeitlohnsystemen an qualitativ orientierten Leistungskennziffern gebunden werden, z.B. Fertigungsendkontrolle bzw. bei Stücklohnsystemen an Arbeitsnormen bzw. mengen- und qualitätsgebundenen Leistungskennziffern. Letzteres galt für Prämienlohnsysteme (Prämienstücklohn, Prämienzeitlohn). Akkordlohn gab es nur in den Anfängen der DDR, später nicht mehr.
Die arbeitswissenschaftlichen Grundlagen für die leistungsorientierte Lohnpolitik in der DDR und deren anzuwendenden Methoden wurden vom Zentralinstitut für Arbeit in Dresden geschaffen.
Zurück zum Thema:
Außerdem ist eine betriebsbedingte Kündigung wie jede andere vom Betriebsrat in einer Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu prüfen. Kann der AG nicht die Entlassungsgründe plausibel beweisen, dann fehlt die Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Eine fehlende BR-Anhörung kann nicht nachgeholt werden. Eine derartige Nachbesserung ist nicht zulässig.
Die Anhörungsvoraussetzungen:
- Der AG muss alle Mitglieder des BR über die geplanten Kündigungen informieren. Eine Information des BR-Vorsitzenden recicht nicht aus. Im Normalfall ist eine BR-Sitzung erforderlich.
- Der AG muss die Gründe mitteilen, die seiner Ansicht nach die Kündigung rechtfertigen und für seinen Entschluss maßgeblich waren. Hierzu sind detaillierte Angaben zu geplanten Kündigungen, zu den AN sowie zu den Gründen und Umständen erforderlich. Schlagwortartige Umschreibungen wie z.B. „Kündigung wegen Krankheit“ reichen nicht aus.
- Der BR hat bei einer fristgemäßen Kündigung eine Woche, bei einer fristlosen Kündigung drei Tage Zeit, zur Kündigung Stellung zu beziehen. Hierzu ist er allerdings nicht verpflichtet.
- Der AG darf erst nach Ablauf der Frist die Kündigung aussprechen. Ausnahme: Bereits vorher wurde ihm das Ergebnis der Anhörung mitgeteilt. Keine Rolle spielt es, ob der BR schweigt, zustimmt oder die Kündigung ablehnt.
- Der BR kann der Kündigung widersprechen. Unter bestimmten Umständen muss der AG den AN dann nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig weiterbeschäftigen. Unzulässig wird die Kündigung durch den BR-Widerspruch allerdings nicht.
Bei einer betriebsbedingten Kündigung muß der AG eine getroffene Sozialauswahl nachweisen und die Kündidungsfrist einhalten.
Mündlich ausgesprochene Arbeitsverträge, Änderungen und Kündigungen sind seit dem 01. Mai 2000 rechtsunwirksam. Der Gesetzgeber verlangt im § 623 BGB ausdrücklich die Schriftform zwecks der Beweisbarkeit. Alle anderen Vereinbarungen und Nebenabreden sind nichtig, sofern sie nicht glaubhaft durch andere Möglichkeiten wie Zeugenaussagen präsentiert werden können.
Da hilft nur eine Kündigungsschutzklage innerhalb der drei Wochen nach Zustellung der Kündigung. Danach hat das keinen Sinn mehr. In Ausnahmefällen kann zwar ein AN einen Wiedereinsetzungsantrag in den vorherigen Stand beim ArbG beantragen, aber man kann heute davon ausgehen, daß ein AN so gut informiert ist über seine Rechte und Pflichten. Damit fällt die Wiedereinsetzung leider flach.
In einem Kündigungsschutzprozess darf sich der AG nur auf die Kündigungsgründe berufen, die er in der BR-Anhörung oder bei Kündigungsausspruch angeführt hatte. Ein Nachschieben neuer Entlassungsgründe im Prozeß ist nicht rechtens.
Vor einer betriebsbedingten Kündigung hat der AG zu prüfen, ob
- die Kündigung nicht durch andere Maßnahmen wie z.B. Kurzarbeit, Arbeitszeitverkürzung oder Versetzung zu vermeiden ist. Notfalls muss der AG den AN umschulen oder fortbilden. Der AN ist unter Umständen auch verpflichtet, einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz befristet anzunehmen.
- die Kündigung nicht durch andere Mittel zu vermeiden war. Beispiel: Der AG kündigt zwar, bietet aber den AN gleichzeitig einen neuen Arbeitsplatz mit geänderten Bedingungen an (Änderungskündigung).
Eine betriebsbedingte Kündigung wird auch unwirksam, wenn:
- eine Kündigung Teil einer Massentlassung ist, die der AG zuvor nicht ordnungsgemäß beim Arbeitsamt angezeigt oder hierbei nicht den BR eingeschaltet hat. Auch wenn die Anzeige vorgenommen wurde, muss der AG noch zusätzlich bestimmte Kündigungsfristen einhalten.