Zeugnisformulierung

Hallo,

es scheint ja ein großes Bedürfnis danach zu geben Zeugnisse zu interpretieren und zu bewerten.

Ich habe sowohl selber Zeugnisse bekommen als auch Zeugnisse schreiben müssen (für mich oder für andere) und habe mich dabei immer juristisch beraten lassen. Es ist wirklich lächerlich welche feine Formulierungen notwendig sind, um von einer 2 auf eine 4 zu rutschen. Es sind nicht nur die Formulierungen an sich, sondern auch das, was weggelassen wird oder in welcher Reihenfolge es genannt wird.

Am Ende bleibt einem als AG nur die Möglichkeit bei den Referenzen nachzuhaken, damit man im Klartext erfahren kann wie der Ex-Mitarbeiter war.

Wenn einer ständig zu spät zur Arbeit gekommen ist, in jeder unbeobachteten Minute sein facebook-Account gepflegt hat und patzig zu den Kollegen und Kunden war, muss man als Arbeitgeber trotzdem ein Zeugnis ausstellen in dem Tenor "war bei uns beschäftigt, erledigte seine Pflichten etc.

Wenn einer nach einem Jahr von jetzt auf nachher kündigt und sich für die Zeit bis zur Kündigung krankschreiben lässt, dann heisst es „verlässt uns auf eigenen Wunsch…wir wünschen…“
Das ist doch alles Bullshit.

Jetzt habe ich ein Zeugnis bekommen für eine langjährige Tätigkeit und diese Zeugnis ist „vom Herzen“ geschrieben. Enthält somit keine Floskeln und fällt wahrscheinlich durch sämtliche Raster der Zeugnisinterpretation. Unterschrieben ist es von dem Vorstand mit der Zusatzbemerkung „ich habe das Zeugnis gerne unterschrieben“.

Ist das jetzt gut oder schlecht?

Gibt es Menschen, die sich mit dem Thema Arbeitszeugnisse kritisch auseinandersetzen (Juristen, Arbeitgeberverbände) und sich für einen „Klartext“ einsetzen?

Mich würde vor allem die Sicht der AG interessieren: kennt ihr euch wirklich alle en detail mit den Zeugnisformulierungen aus und welchen Wert haben sie bei der Entscheidungsfindung?

Viele Grüße

Die Ironie, mit der wir spielen…
… die ihr so schwer versteht … :wink:

Hallöchen,
mal ganz im Ernst, ein Personaler (und auch: erfahrener Vorgesetzter) kann eigentlich schon relativ gut einsortieren, ob ein Zeugnis positiv oder negativ gemeint ist und wie er bestimmte Passagen einzuordnen hat.

Da man vom Gesetz her zum „wohlwollenden Zeugnis“ verdonnert wird, tut man das auch.
Aber wer der deutschen Sprache mächtig ist, kann Formulierungen geschickt und gezielt so nutzen, dass eine - an sich - positive Aussage sich im Kontext entweder direkt in ihr Gegenteil verkehrt oder eine ironische Note bekommt.
Die zugrundeliegende Ironie wird dem Personaler, der schon 10000 Zeugnisse gelesen hat, sofort offensichtlich. Sie erschließt sich aber dem Laien nicht.
Sie ist daher das beste Werkzeug, um Botschaften zu übermitteln, ohne eine Angriffsfläche für das blöde Gesetz zu geben.

Jetzt in Bezug auf das, was Du geschrieben hast:
Hier wird Dir niemand sagen, ob das „von Herzen“ oder „gern unterschrieben“ nicht eventuell auch eine Sinnverkehrung bedeuten.
Das zeigt auch der Kontext.

Gruß,
Michael