Eine 16-jährige wurde Opfer eines Sexualdelikts

Liebe Mitglieder,
eine 16-jährige wurde Opfer eines Sexualdelikts. Das Delikt wurde ordnungsgemäß angezeigt, rechtsmedizinisch untersucht und eine Zeugungbefragung beim zuständigen LKA wurde ebenfalls durchgeführt. Bei dieser Zeugenbefragung hat die 16-jährige Teile des Ablaufs des Abends aus Scham weggelassen. Diese Teile sollen nun bei einem weiteren Termin beim LKA schriflich aufgenommen werden. Das Mädchen weigert sich aber dieses ergänzende Aussage zu machen,schließt sich in ihr Zimmer und verweigert das Gespräch mit der Mutter, weil es ihr immer noch sehr peinlich ist und weil sie sich schon während der ersten Vernehmung durh das LKA so gefühlt hat, als würde die vernehmende Beamtin ihr nicht glauben. Sie möchte diesen Vorfall nach Worten nur vergessen. Eine Einigung mit ihr scheint nicht möglich. Alle Versuche an einer Opferberatung teilzunehmen hat sie bisher ebenfalls abgelehnt
Was kann man nun tun? Über einen schnellen Rat wäre ich sehr dankbar.
Mit freundlichem Gruß
Sugar

Hallo Katja. Leider machen Sie, wie so viele Außenstehende, den Fehler dem Täter mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen als dem Opfer. Obwohl das Interesse an einer Bestrafung des Täters selbstverständlich berechtigt ist, werden Sie sich letzlich fragen müssen, wem damit gedient ist. Was ist Ihnen wichtiger? Das Opfer zu schützen, oder den Täter zu bestrafen? So wie es sich anhört, wurde das Mädchen schon zu beginn zur Anzeige gedrängt. Leider passiert das viel zu oft, und die Opfer werden herumgestoßen, gezwungen etwas zu tun wozu sie selbst noch nicht bereit sind.

Ich weiß, dass die psychischen Auswirkungen einer Vergewaltigung sind für Angehörige oft schwer nachzuvollziehen sind, so dass es häufig auf Unverständnis stößt, wenn Betroffene nicht aussagen möchten. Gerade der Satz „Eine Einigung mit ihr scheint nicht möglich“ macht mir in diesem Zusammenhang sorgen, denn das hört sich an, als fragten Sie nach Möglichkeiten, das Mädchen zu einer Aussage zu zwingen. Entschuldigung, falls ich mich irre, aber damit würden Sie sie nur ein weiteren Mal zum Opfer machen.

Wenn eine Betroffene die Aussage verweigert, gibt es nicht das geringste was sie daran ändern können, und das auch gut so. Das einzige was Sie tun können, ist zu versuchen, verständnisvoll mit ihr umzugehen, und möglicherweise entscheidet sie sich doch noch, dass diese Tat nicht ungestraft bleiben soll. Und ich möchte Sie warnen, vor dem deutschen Staat und unserer Justiz. Sie glauben vielleicht noch daran, dass man ihr schon glauben wird, und es zumindest bei einer vollständigen Aussage zu einer Verurteilung kommen wird. Die Realität sieht leider anders aus. Ich erlebe gerade selbst wieder einen Fall, wo sich ein Verfahren nun schon gut ein Jahr hin zieht. Und obwohl die Beweislast erdrückend ist, der Täter weiter macht, und auch angehörige bedroht, steht das Verfahren kurz vor der Einstellung.

Möglicherweise reicht auch die bereits vorhandene Aussage aus, um eine Verurteilung zu bewirken. Wenn Sie jedoch glauben, dass Staat und Justiz auf Seiten des Opfers stehen, dann haben Sie falsch gedacht.

„Was kann man nun tun?“
Das ist eine gute Frage. Das wichtigste ist, dass Sie für das Mädchen da sind, und niemals vergessen, dass es um sie geht, nicht um den Täter. Und ich denke sie braucht therapeutische Hilfe. Stellen Sie sich auf die richtige Seite.

Viele Grüße,
Sven

Hallo Sven,
vielen Dank für ihre Antwort.

Ich glaube nicht, das ich den Fehler mache dem Täter mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Opfer. Meine Frage zielte darauf hingegend ab, was für rechtliche Konsequnzen es für das Mädchen haben kann, wenn es sich weiterhin weigert, die ergänzende Aussage zu machen. Ich habe mich da wohl nicht richtig ausgedrückt. Eine vorübergehnde Lösung habe ich jetzt auch schon gefunden.Die Kriminalbeamtin hat angeboten, dass das Mädchen nun seine Aussage erstmal aufschreiben kann und nicht zu einer persönlichen Aussage beim LKA erscheinen muss.

Um so tiefer ich in dieses Thema hineingerate umso klarer wird mir, dass es weitaus wichtiger ist, dem Mädchen weitergehende Befragungen zu ersparen als eine Verurteilung des Täter zu forcieren. Auch wenn ich mir von ganzem Herzen eine harte Strafe für den Täter wünsche.

Viele Grüße
Katja

Selbstverständlich wünschen Sie sich, dass er bestraft wird. Wie ich bereits geschrieben habe, ist das natürlich vollkommen richtig. Nur eben nicht auf Kosten des Opfers. Wut auf den Täter ist eine ja auch eine vollkommen berechtigte und menschlische Reaktion. Meine Antwort sollte deshalb kein Vorwurf sein, wenn das so rüber kam, tut es mir leid. Ich fand es nur wichtig, darauf hinzuweisen, denn man erlebt es leider oft, dass nicht die Opfer sondern die Täter im Mittelpunkt stehen, auch in den Medien. Es ist immer toll und ein wahrer Grund, stolz zu sein, wenn es einer Betroffenen gelingt, auszusagen oder überhaupt anzuzeigen, auch im Hinblick auf den Schutz möglicher weiterer Opfer. Aber das muss aus eigener Kraft geschehen.

Direkte, negative Rechtsfolgen gibt es für das Mädchen in der Regel keine, von der Einstellung des Verfahrens oder dem Freispruch des Täters einmal abgesehen. Gefährlich wird es, wenn sie aus Scham oder Angst die Tatsachen verdreht. Kommt man dahinter, und sitzen dann die richtigen Ar…löcher hinter den Tischen, riskiert sie eine Anklage wegen Falschaussage oder Vortäuschung einer Straftat. Leider haben Richter und Staatsanwälte in Deutschland ziemlich Narrenfreiheit. Genaueres kann Ihnen aber nur ein Anwalt sagen, denn ich bin kein Jurist. Bei der rechtlichen Vertretung ist es außerdem unglaublich wichtig, einen Anwalt / eine Anwältin zu wählen, die sich nicht nur auf Strafrecht spezialisiert hat, sondern darüber hinaus Erfahrung mit Sexualstrafverfahren mitbringt, und weiß, wie man für die Opfer das Beste raus holt. Weißer Ring u.a. führen Listen über solche Anwälte.

Mit der Aussage beim LKA / der Staatsanwaltschaft ist die Odyssee leider noch lange nicht beendet. Wenn das Verfahren dann vor Gericht geht, wird sie erneut aussagen müssen, wenn sie Pech hat im Angesicht des Täters. Es ist zwar heutzutage möglich, das unter Ausschluss der öffentlichkeit, und per Videoübertragung aus einem separaten Raum zu tun, dennoch ist es eine Belastung. Das verlangt den Opfern äußerste Kraft und Entschlossenheit ab.

Grüße,
Sven

Hallo,
ich selber wurde 2x opfer eines sexualdeliktes. 1x in deutschland und 1x in frankreich.
es gibt leider keinen anderen weg, als alles zu erzählen und sei es noch so peinlich oder unangenehm. ich selber ahbe hier in deutscjland auch nicht alles erzählen können, was letztlich dazu führte, dass das verfahren eingestellt wurde, denke ich.
in frankreich hingegen, habe ich alles mehrfach erzählen müsen, auch noch einmal einem gutachter nach 2 jahren. sie haben sich große mühe dort gegeben, mehr als in deutschland.
eine vertrauensperson, wenn möglich könnte mitgehen. es gibt auch sehr gute seelsorger, notfallseelsorger. ich selber habe sehr gute erfahrung mit einem gut ausgebildeten pfarrer gemacht, der mich durch eine schwere zeit begleitet hat.
leider wird eine aussage unumgänglich sein.