Liebe Fragerin,
bitte entschuldigen Sie vielmals die späte Antwort. Hier nun meine Gedanken, von denen ich hoffe, dass Sie etwas damit anfangen können:
Der wichtigste Inhalt Ihrer Anfrage ist meiner Ansicht nach Ihre Aussage, Sie möchten ihr Leben ändern. Das ist absolut legitim. Jeder Mensch hat ein Recht glücklich zu sein oder zu werden. Sie können dieses Ziel dazu nutzen, sich zu motivieren, Hilfe zu suchen und selbst tätig zu werden. Bitte passen Sie dabei immer gut auf sich auf. Es gibt leider sehr viele Menschen, die die Probleme ihrer Umwelt schamlos ausnutzen.
In diesem Zusammenhang ist es auch legitim, dass Sie die Effektivität Ihrer Therapie hinterfragen. Es steht Ihnen zu, den Therapeuten zu wechseln, über einen anderen Therapieansatz nachzudenken, etc. Haben Sie Ihre Bedenken schon einmal Ihrem Therapeuten gegenüber geäußert?
Sie beschreiben einen Zeitraum von 2-3 Jahren. Hier wäre zu klären, ob es vor 2-3 Jahren einen konkreten Auslöser für Ihre depressive Stimmung gegeben hat, ob sich in Ihrem Umfeld etwas geändert hat, oder ob Sie angefangen haben, Dinge anders zu bewerten? Weiterhin wären unbedingt körperliche Ursachen auszuschließen, wie z. B. eine Schilddrüsenunterfunktion.
Ob Ihnen Ihre Umwelt so feindlich gegenübersteht, ist eine interessante Frage. Es ist leider so, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer als „anders“ wahrgenommen werden, oft nicht nur gute Erfahrungen mit ihrer Umwelt sammeln. Dann ist die Frage, wie damit umzugehen ist. Weiterhin ist Neid eine Realität mit sehr negativen Auswirkungen. Auch hier wäre zu überlegen, ob Sie dem Neid besser begegnen könnten und/oder ob es Strategien gibt, ihn zu vermeiden. Was Sie nicht unterschätzen dürfen ist die verzerrte Wahrnehmung der eigenen Umwelt, die sich bei einer Depression einstellen kann. Das heißt, das es absolut möglich ist, dass nicht alles, was Sie wahrnehmen, sich auch so abspielt. Dann passiert leicht das Folgende: Sie sind irritiert von einer Negativität, die es so nicht gibt, die Sie aber wahrnehmen, was zu inadequatem Verhalten Ihrerseits führt (Nervosität, Überempfindlichkeit oder Aggressivität beispielsweise) was dann tatsächlich zu einer feindseligen Haltung in Ihrer Umwelt führen kann. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass Lästern in weiten Kreisen unserer Gesellschaft zum guten Ton gehört und praktisch über jeden gelästert wird. Das müssen Sie nicht mögen und ich auch nicht, aber diese Tatsache relativiert vielleicht Manches.
Sie sind 18 Jahre alt und da Sie sich als sehr gute Schülerin beschreiben, gehe ich davon aus, dass Sie demnächst Ihr Abitur machen und dann vielleicht studieren möchten. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was Sie professionell tun möchten? Vielleicht gibt es Fachbereiche in denen Ihre Qualitäten besonders gefragt sind? Die Schule ist ein sehr enges Biotop und letztendlich doch ziemlich irrelevant. Vielleicht finden Sie an der Uni andere, die ein bisschen mehr sind wie Sie und dann fühlen Sie sich nicht mehr so einsam?
Die Frage nach dem Sinn des Lebens kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich möchte behaupten, dass dies keiner abschließend kann. Vielleicht ist das die Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. Ohne Gewißheit auf diese Reise zu gehen und das Beste daraus zu machen? Vielleicht wäre eine Möglichkeit, dass Sie die Ungewißheit in Neugier umwandeln?
Was für eine Therapie machen Sie? Von dem was Sie schildern könnte ich mir vorstellen, dass eine Verhaltenstherapie sinnvoll sein könnte. Dabei werden konkrete Probleme und Situtationen des Alltags besprochen und alternative Verhaltensweisen erörtert. Das ist sehr pragmatisch. Weiterhin gibt es immer die Möglichkeit in die Tiefe zu gehen und zu schauen, woher die (negativen) Denk- und Verhaltensmuster eigentlich kommen.
Hier noch ein paar ganz konkrete Vorschläge:
-Sprechen Sie einen Arzt (Hausarzt) Ihres Vertrauens an oder suchen Sie sich einen und schildern Sie Ihr Problem. Sagen Sie auch, dass Sie mit Ihrer jetzigen Therapie nicht zufrieden sind.
-Sprechen Sie mit Ihrem Therapeuten über Ihre Unzufriedenheit mit der Therapie.
-Treiben Sie Sport! Joggen, 2x die Woche jeweils 30 min Dauerlauf, moderates Tempo.
-Essen Sie gesund, verzichten Sie eine Zeit lang auf Zucker.
-Schauen Sie nicht fern. Das meine ich ganz ernst. Gerade wenn Sie intelligent und sensibel sind, ist das, was Ihnen da entgegenflimmert nicht zu verkraften.
-Seien Sie bitte netter zu sich selbst. Versuchen Sie es. Und wenn es Ihnen zunächst nicht gelingt, machen Sie sich nicht fertig deswegen. Sehen Sie es eher als Langzeit-Ziel.
-Sollten sich Ihre Gedanken bezüglich „warum überhaupt leben und sich vorstellen, nicht mehr da zu sein“ weiter bestehen oder verschärfen – zögern Sie nicht, sich sofort Hilfe zu holen. Eine Depression ist eine Krankheit und eine Krankheit verlangt nach Intervention!
Ich hoffe, ich konnte Ihnen etwas behilflich sein und wünsche Ihnen von Herzen alles Gute auf Ihrem Weg!