Air France Absturz

Hallo,
In einem Zeitungsartikel zum Air France Absturz wurde berichtet, dass bei Flügen in 11000m Höhe die Geschwindigkeit genau eingehalten werden muss. Ich kann verstehen, dass es zu einem Strömungsabriss bei zu geringer Geschwindigkeit kommen kann. Aber ist eine zu hohe Geschwindigkeit gefährlich?

Danke und Grüße
Ingo Krüger

Ja ist sie.
und zwar, weil man dann recht nahe an der Schallgeschwindigkeit fliegt. Und sobald man in den Überschallbereich gelangt, sind die Stömungsverhältnisse völlig anders, so daß ein Flugzeug dann auch nicht mehr in der Luft bleibt (außer es ist für Überschallflug gebaut).
Das Gemeine dabei ist, daß die Mindestgeschwindigkeit in der Höhe schon recht dicht bei der Schallgeschwindigkeit liegt, also der Bereich in dem ein Flugzeug fliegbar ist, immer enger wird.

Hallo,

Hinweis: Ich versuche so zu schreiben, dass es auch Laien verstehen, daher seien mir unschärfen bitte verziehen…

Bei einem Flugzeug gibt es aerodynamisch bedingt zwei Grenzgeschwindigkeiten:

Die Mindestgeschwindigkeit (Stall speed)
Die Stall speed ergibt sich daraus, dass der Flügel ausreichend mit Luft umströmt wird um genug Auftrieb zu erzeugen, dabei aber der Flügel nicht so steil in den Fahrtwind gestellt wird, so dass die Luft dem Flügelprofil auch noch folgen kann, denn sonst gibt es einen Strömungsabriss (gefolgt von Trudeln).
Bei dieser Geschwindigkeit spielt der Luftdruck eine große Rolle. Dieser halbiert sich ca. alle 5.000m. Fliegt ein Flugzeug also auf 10.000m ist dort nur noch ein viertel des Luftdrucks auf Meereshöhe vorhanden, das Flugzeug muss viermal schneller Fliegen als auf Meereshöhe (bei gleichem Spritverbrauch -> deswegen fliegen die gerne hoch).

Die Höchstgeschwindigkeit (vne - Velocity never exceed)
Bei der Höchstgeschwindigkeit spielen mehrere limitierende Faktoren eine Rolle:

  • Es gibt konstruktive Eigenfrequenzen und Schwingungen, die bei der Überschreitung gewissen Geschwindigkeit dazu führen können dass ein Flugzeug „die Ohren anlegt“.
  • Last not least: Die Schallmauer. Flugzeuge die Überschall fliegen müssen anders konstruiert sein (Die Ruder sind anders, bei Überschall wird der Rumpf ziemlich warm, etc.). Da die Luftströmungen um das Flugzeug herum mitunter schneller sind als das Flugzeug selbst kann ein Flugzeug bereits 100km/h unter der Schallgeschwindigkeit hier Probleme bekommen.

Die Höchstgeschwindigkeit ist nicht vom Luftdruck abhängig und gilt daher in jeder Höhe!

Fazit: Die Mindestgeschwindigkeit wird mit zunehmender Höhe immer Größer, während die Höchstgeschwindigkeit konstant ist.

Da die Airliner um schnell und spritsparend vorwärts zu kommen gerne so hoch wie möglich fliegen bewegen sie sich in diesem schmalen Band.

Grüße
Lumpi

Eigentlich haben meine Vorredner schon fast alles gesagt.
Vielleicht nochmal kurz zur Erläuterung so, wie ich es mal gelernt habe - ich hoffe das wird jetzt nicht zu verwirrend.
Der Auftrieb errechnet sich mit folgender Formel:
rho * 1/2 * V² * A * CL.
roh ist die Luftdichte.
V² ist die Geschwindigkeit zum Quadrat.
A (Area) ist die Fläche die den Auftrieb erzeugt.
CL ist der Auftriebsbeiwert.
Mit zunehmender Höhe ändert sich natürlich die Luftdichte und der Flügel erzeugt weniger Auftrieb.
Das kann man ja durch beispielsweise höhere Geschwindigkeiten kompensieren.
Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit, die man in „dünnerer Luft“ braucht um weiterhin Auftrieb zu erzeugen höher sein muss. Die sogenannte „Stallspeed“ wird also höher.
Gleichzeitig wird die Schallgeschwindigkeit bei abnehmender Temperatur (und die Temp. nimmt ja i.d.R. mit zunehmender Höhe ab) geringer. Das bedeutet, dass das Flugzeug mit zunehmender Höhe immer schneller fliegen muss und somit immer dichter an die Schallgeschwindigkeit rankommt.
Wie lumpi_muc bereits schrieb strömt die Luft an einigen Teilen (am extremsten an den Auftrieb erzeugenden Teilen) des Flugzeuges schneller, als das Flugzeug selbst. Dies kommt dann direkt an der Oberfläche des Fliegers vor.
Jetzt kann das Flugzeug noch im Unterschallbereich fliegen, aber an einigen Teilen des Flugzeuges gibt es schon überschall schnelle Strömung.
Man fliegt dann im Bereich der kritischen Machzahl.
Es kommt zu ersten Verdichtungsstößen, die dann eben die Strömung abreißen kann und das Flugzeug gerät in den Stall.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Mit zunehmender Flughöhe wird die Stall Speed immer größer und die Schallgeschwindigkeit immer kleiner.
In den Flugleistungsdiagrammen unterschiedlicher Flugzeuge findet man hierfür auch ein spezielles Diagramm in denen diese beiden Geschwindigkeiten „zusammenlaufen“. Dieser Bereich in dem Diagram wird auch als „Coffin Corner“ (Sargecke) bezeichnet, da hier die beiden Stall Speeds (low speed und high speed) zusammen kommen.
Da, wo diese beiden Geschwindigkeiten gleich sind ist die aerodynamische Gipfelhöhe des jeweiligen Flugzeuges.
Sehr übel - man stelle sich kurz diese Situation vor:
Fliege ich langsamer gerät mein Flugzeug in den Stall, da ich zu langsam bin - sollte ich schneller werden, gerät mein Flugzeug ebenfalls in den Stall, da ich zu dicht an der Schallgeschwindigkeit bin.
Ich kann da (leider noch) nicht aus eigener Erfahrung sprechen, aber hier kann man eigentlich nur vorsichtig die Flughöhe verringern ohne die Geschwindigkeit dabei zu ändern.
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu verwirrend,
Gruss, Nibbler

Kurzer Nachtrag zu meinem Beitrag oben:
Hier kannst Du vielleicht mal ein wenig zu dem lesen, was ich oben geschrieben hatte:
http://de.wikipedia.org/wiki/Coffin_Corner
Gruss, Nibbler

Ein normaler Passagierjet ist nicht für Überschallgeschwindigkeit gebaut. Falls diese Grenze durch irgendwelche, besonderen Umstände überschritten wird, könnte es zu Defekten an der Struktur kommen.

Hi DOSBOX,

… könnte es zu Defekten an der Struktur kommen.

Korrekt. Die Amis haben dafür den netten Spruch:
The airplane was a total write off

Gruß, R

Nach neusten Veröffentlichungen war es wohl irgendwie anders. Anscheinend flog die Maschine eher zu langsam mit hochgezogener Nase. Die Rede ist auch von „räumlicher Desorintierung“ der Besatzung. Demnach ist die Maschine nach dem Eintreten von technischen Problemen in einen ganz leichten Sinkflug geraten (ca. 50-60m/s) und hat nach etwa dreieinhalb Minuten aus Reiseflughöhe von 11600m einfach die Meeresüberfläche berührt.

http://brasilienmagazin.net/tourismus/15264/todesflu…

Hallo Dosbox,

ja, das ist der Grund, warum ich so frühe Spekulationen nicht mag :smile: Wobei ich auch bei dieser hier so meine Probleme habe. Die Maschine war nach den Angaben in diesem Artikel in ca. 33000 ft und kommt nach 3,5 min in Meereshöhe an. Das heisst, da kommen wir auf ne Sinkrate von ca. 10.000 ft/min. Da würde ich nimmer von „leichter“ Sinkrate sprechen wollen :wink:

Und an einen derartig stabilen Sackflug mag ich auch nicht glauben - schon gar nicht bei Nacht in ner Gewitterfront mit möglicherweise (teilweise?) unzuverlässigen Instrumenten und eventuell noch mit räumlicher Desorientierung.

Darum lass uns doch den offiziellen Untersuchungsbericht abwarten, nach den neuesten Funden sind da ja sehr fundierte Ergebnisse zu erwarten.

*wink*

Petzi