Surrealimus - Bild-Intepretation

Hallo zusammen
Ich mache momentan ein Vortrag über den Surrealimus und möchte nun eine Bild-Intepretation einbauen. Und zwar über folgendes Bild von André Breton: http://images.artnet.com/artwork_images_95678_84362_…
Nur habe ich keine Ahnung, was ich hier sehen kann :frowning: Eine Landschaft sollte es ja sein. Also habe ich gedacht, links könnte eine Wiese sein (jenes mit den kurvigen Linien). Das oben rechts sieht irgendwie wie ein Auge aus, aber wieso in der Landschaft ein Auge? Ausserdem könnten die Spitzen in der Mitte rechts Berge sein.
Habt ihr noch eine Idee, was ich da noch sehen kann?
Vielen Dank für eure Hilfe
Lukas

Hallo Lukas,

wie bist du auf diese Information gestoßen:

Eine
Landschaft sollte es ja sein.

Das Bild trägt keinen sichtbaren Titel und keine Jahresangabe. Ich kenne es selbst nicht. Es zeigt abstrakte gezeichnete Formen und solche Formen sind immer (mangels Naturähnlichkeit und Detailgenauigkeit) mehrdeutig! Ist das Thema „Landschaft“ verbürgt (Lehrer, Buch, Werkverzeichnis) oder deine persönliche Vermutung?

Hast du sein Manifest des Surrealismus gelesen? (besonders unten Definition)
http://www.kunstzitate.de/bildendekunst/manifeste/su…

Freundliche Grüße
rotmarder

Hallo rotmarder
Ach ja, das sieht man ja auf diesem Link nicht. Dies habe ich von hier: http://www.artnet.com/Galleries/Artwork_Detail.asp?G…
Hier kommt ja auch das Bild her und es heisst „Surrealist Landscape“. Das Manifest des Surrealismus sowie das erste futuristische Manifest habe ich schon gelesen. Aber irgendwie sehe ich dennoch nicht sonderlich viel in diesem Bild :frowning:
Kannst du mir nochmals irgendein Tipp geben?
Vielen Dank und Freundliche Grüsse
Lukas

Servus Lukas,

rotmarder als Fachkundiger wird sich sicherlich auch noch melden. Einstweilen folgender Vorschlag betreffend den Titel:

Surrealismus ist nicht Realismus. Wenn ein Bild „Landscape“ heißt, dann bedeutet das nicht, dass es irgendwas „sein soll“, weder eine Landschaft noch ein Stilleben noch ein Intérieur oder irgendwas anderes.

Mach einmal folgenden Versuch: Betrachte das Bild eine Weile mit dem Gedanken, dass es sich um ein Portrait im Halbprofil handelt, achte dabei insbesondere auf das erfreuliche Dekolleté der Dame. Ruf Dir dann den Titel in Erinnerung - Du wirst sofort verstehen, wofür er gut ist: Es handelt sich natürlich nicht um ein Portrait im Halbprofil.

Geh dann von dem Titel aus weiter und denke dabei an einen Obstbaum in hügeliger Landschaft. Wenn der Baum vor Deinem inneren Auge Form angenommen hat, erinnere Dich an die Dame mit der erfreulichen Oberweite.

Und wenn das „Motiv“ ein paar mal zwischen den beiden Deutungen hin- und hergesprungen ist, nimm noch den Rest des Titels dazu: Es geht nicht um eine Landschaft, sondern um eine Surrealistische Landschaft - da gibts keine Obstbäume…

Vielleicht hilft das ja weiter?

Schöne Grüße

MM

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Hallo
Vielen Dank für deine Antwort. Das hat mir schon mal ein Stück weiter geholfen :smile: Den Obstbaum konnte ich mir vorstellen, mit der Frau hatte ich einige Mühe, meintest du das etwa so: http://content.screencast.com/media/933de4e3-ed05-40…
Aber jetzt habe ich zwei Fragen:

  • Wie kommt man auf diese Ideen?

  • Was ist nun der Sinn des ganzen? Ich bin vermutlich einfach zu blöd, solche Bilder zu verstehen :confused:

Freundliche Grüsse
Lukas

Hallo Lukas,

ok, es ist also eine kleine Kreidezeichnung -Schwarz und warmes Grau- auf einem (aufgeklappten) Briefumschlag.

Zur Interpretation benutzt du die vorhandenen Textelemente und fügst sie zu Sätzen zusammen. Bisher hast du aus dem Manifest:
…schlafende Logiker,
…nicht mehr den bewußten Rhythmus meines Denkens überwiegen zu lassen.
…reiner, psychischer Automatismus
…ohne jede Vernunft-Kontrolle
…das absichtsfreie Spiel des Gedankens

Aus meiner letzten Antwort:
…abstrakte Formen (also Flächen und Linien)
…vieldeutig (!)
…mangels Naturähnlichkeit und Detailtreue

Außerdem findest du in meiner Antwort unten zu „Rosencollage“ wichtige Grundgedanken zur Kompositionslehre, die du auf dein Beispiel übertragen kannst.

Bedenke aber: Wir leisten keine konkrete Hausaufgabenerledigung, geben nur Tipps.

Freundliche Grüße
rotmarder

Hallo rotmarder
Ach ja, das sieht man ja auf diesem Link nicht. Dies …

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Hallo rotmarder
Klar müsst ihr mir nicht die Hausaufgaben erledigen :wink: Das will ich ja auch nicht, ich habe nur Mühe, mir das ganze vorzustellen. Also, wir haben ja jetzt das mit der Frau und dem Obstbaum. Bin ich auf dem richtigen Weg, wenn ich jetzt versuche, diese beide Elemente zu verknüpfen? Kann ich mit diesen beiden Elementen anfangen zu interpretieren?
Freundliche Grüsse
Lukas

Servus,

meintest du das etwa so:
http://content.screencast.com/media/933de4e3-ed05-40…

nein, nicht ganz - aber das hängt ganz von der persönlichen Sichtweise ab. Ich mag halt gern Frauen, die nicht so arg dürr sind:

Knapp unterhalb von dort, wo der Pfeil „Dekolleté“ endet, ein wesentlicher Zug von einem Halbprofil: Unterkiefer/Kinnpartie. Dort, wo der Pfeil „Kopf“ endet, ein Gesicht - wie übrigens bei u.a. Picasso öfter mal zu sehen, ein Auge in Halbprofil und eines frontal. Und dort, wo der Pfeil „Beine“ endet, ein Paar höchst ergötzlicher Brüste - ach, wer da mitreisen könnte!

Aber jetzt habe ich zwei Fragen:

  • Wie kommt man auf diese Ideen?

let it flow! - Du kannst ja mal noch Texte zum „automatischen Schreiben“ lesen.

Was ist nun der Sinn des ganzen?

Einer (von vielen) ist, dass man auf so einem Werk sehen kann, dass rund 7/8 des Eisbergs, den man gemeinhin seinen Geist nennt, unter der Wasseroberfläche schwimmen.

Zeitgenosse Hermann Hesse sagt in seinem „programmatischen“ Steppenwolf dazu:

NUR FÜR VERRÜCKTE! EINTRITT KOSTET DEN VERSTAND!

Man darf auch noch dazu anmerken, dass die Generation von Max Ernst diejenige war, die bei Ypern mit „Hurra!“ ins MG-Feuer gerannt ist. Was ist danach noch „real“?

Schöne Grüße

MM

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Hallo Lukas,

nein, du bist auf dem Holzweg, wenn du unbedingt versuchen willst, die Dinge eindeutig zu benennen. Die Formen sind vieldeutig, weil sie grob und abstrakt sind. Beschreibe und verlasse dich darauf, was tatsächlich sichtbar ist. Nochmal:
…schlafende Logiker,
…nicht mehr den bewußten Rhythmus meines Denkens überwiegen zu lassen.
…reiner, psychischer Automatismus
…ohne jede Vernunft-Kontrolle (!)
…das absichtsfreie Spiel des Gedankens (!)

Die Motive „erinnern an…“, „lassen vermuten…“, „könnten darstellen…“,
aber es fehlen: Raumillusion (vorne, hinten, oben unten), Perspektive, natürliche Gegenstandsbeschreibungen (Farben, Oberflächenstrukturen für Motive wie Wiese, Baum, Himmel, Wasser…)

Freundliche Grüße
rotmarder

Hallo rotmarder
Klar müsst ihr mir nicht die …

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Hallo rotmarder
Danke für die grosse Geduld, die du mit mir hast :wink: Aber ich bin halt nicht unbedingt der Künstler. Es ist so schwierig :frowning:
An was darf ich mich den orientieren, was es sein könnte? Am Zeitgeschehen (1950)) An der politischen Ausrichtung von Breton (links bis links-extrem, teilweise sogar anarchistisch)? Oder bin ich schon wieder auf dem Holzweg?
Freundliche Grüsse
Lukas

Hallo
So arg dürr ist sie ja auch wieder nicht :wink: Habe sie auf jeden Fall mehr oder weniger entziffern können.

let it flow! - Du kannst ja mal noch Texte zum „automatischen
Schreiben“ lesen.

OK, werde ich mal machen …

Einer (von vielen) ist, dass man auf so einem Werk sehen kann,
dass rund 7/8 des Eisbergs, den man gemeinhin seinen Geist
nennt, unter der Wasseroberfläche schwimmen.

Zeitgenosse Hermann Hesse sagt in seinem „programmatischen“
Steppenwolf dazu:

NUR FÜR VERRÜCKTE! EINTRITT KOSTET DEN VERSTAND!

Diese Aussage verstehe ich nun wieder nicht, ich bin ja nur ein einfacher KV-Lehrling :lol:

Freundliche Grüsse
Lukas

Servus,

Einer (von vielen) ist, dass man auf so einem Werk sehen kann,
dass rund 7/8 des Eisbergs, den man gemeinhin seinen Geist
nennt, unter der Wasseroberfläche schwimmen.

Ich spreche von einem Eisberg. Das wichtigste an ihm sieht man nicht, solang man ihn von der Oberfläche her betrachtet.

Das Konzept der Surrealisten will die sehr großen Teile der menschlichen Denk- und Fühlmaschinerie zu Tage fördern, die durch die Kontrolle von Vernunft, Intellekt, Konvention, wieauchimmer man das nennen will (ich verwende hier nicht die von Sigmund Freud geprägten Begriffe, weil die heute nicht mehr oder gänzlich falsch verstanden werden) verdeckt, amputiert, beschränkt, unsichtbar und scheinbar un-denkbar geworden sind.

Zeitgenosse Hermann Hesse sagt in seinem „programmatischen“
Steppenwolf dazu:

NUR FÜR VERRÜCKTE! EINTRITT KOSTET DEN VERSTAND!

Im Steppenwolf wird beschrieben, wie der „Steppenwolf“ Harry Haller (mit autobiographischen Anteilen) von einem scharfsinnigen, aber in seinem Intellekt gefangenen Menschen über eine Art Initiation, in dem alle möglichen Tabus der Zeit eine Rolle spielen (Jazz, Drogen, freie Sexualität/Promiskuität/Homoerotik) zu seiner wirklichen - freien - Person gelangt, von der er vorher nichts wusste, weil er nichts davon wissen wollte. Für ihn ein wenig überraschend löst sich anlässlich dieser Befreiung seine Person selber auf und entpuppt sich als Teil des intellektuellen Panzers, der aufgelöst worden ist. Die Initiation von Harry Haller beginnt an einer Tür, die die zitierte Aufschrift trägt.

Surrealisten lösen die intellektuell kontrollierten und eingeschränkten Gewohnheiten und Panzerungen im künstlerischen Schaffen - und in der Wahrnehmung - auf (vgl. rotmarders Hinweise auf die Abwesenheit klassischer Kompositionselemente, die selbst auch bloß Gewohnheiten und Panzerungen sind).

Insofern kann man kaum sagen, dass ein surrealistisches Werk „nichts“ darstellt. Aber eben auch nicht etwas, was man sehen will. Sondern Dinge, von denen man nichts wissen will: Eben die 7/8 des Eisbergs.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin
Ich glaube, so langsam verstehe ich das ganze

Einer (von vielen) ist, dass man auf so einem Werk sehen kann,
dass rund 7/8 des Eisbergs, den man gemeinhin seinen Geist
nennt, unter der Wasseroberfläche schwimmen.

Ich spreche von einem Eisberg. Das wichtigste an ihm sieht man
nicht, solang man ihn von der Oberfläche her betrachtet.

Ach so meintest du das :smile:

Das Konzept der Surrealisten will die sehr großen Teile der
menschlichen Denk- und Fühlmaschinerie zu Tage fördern, die
durch die Kontrolle von Vernunft […] verdeckt,
amputiert, beschränkt, unsichtbar und scheinbar un-denkbar
geworden sind.

Also der Surrealismus will die eigene Aussage verstecken, indem er einfach gegen „das Normale“ verstösst?

Insofern kann man kaum sagen, dass ein surrealistisches Werk
„nichts“ darstellt. Aber eben auch nicht etwas, was man sehen
will. Sondern Dinge, von denen man nichts wissen will: Eben
die 7/8 des Eisbergs.

Hmm, tönt kompliziert :wink: Ist mir aber einigermassen verständlich.

Freundliche Grüsse
Lukas

Servus,

Also der Surrealismus will die eigene Aussage verstecken,
indem er einfach gegen „das Normale“ verstösst?

im Gegenteil: Er macht auf diese Weise Aussagen und Vorschläge, von denen Pfarrer, Unteroffiziere, Buchhalter und Bankangestellte (die Lehrer lass ich mal weg, mit Rücksicht auf den anwesendenden…) nicht zu träumen wagen. Wobei „nicht zu träumen wagen“ wörtlich verstanden werden darf: In Träumen - die ja auch intellektuell unkontrollierte Leistungen der Wunschmaschine Hirn sind - kommen viele Mittel des Surrealismus vor.

Und der bewusste, gezielte Verstoss gegen das Normale wäre streng genommen auch wieder ein intellektuelles Konstrukt und somit kontrolliert. Weglassen des Normalen, könnte man vielleicht sagen.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin
Die Lehrer kannst schon nehmen, mein Vater wäre sonst ausgeschlossen :wink:

Um damit wieder auf mein Bild zurückzukommen: Heisst das, in das Bild soll jeder seine Träume hinein interpretieren? Jeder soll dort seine Wünsche finden?
Ich muss sagen, programmieren ist um einiges einfacher als Kunst :lol:

Freundliche Grüsse
Lukas