Tests von neuen Medikamenten an Menschen - wer sind die Versuchspersonen?

Hallo,

jedes neu eingeführte Medikament muss ja letztlich am Menschen getestet werden.
Nun gibt es nat. diese Medikamtentesterjobs, Studenten machen sowas schon mal, aber da sind 1. nur Männer zugelassen (was m.E. die Wirkung bei Frauen schlecht einschätzen läßt) und 2. wird man kaum die Wirksamtkeit eines z.B. Krebsmedikamentes an gesunden jungen Männern beweisen können oder selbige den teils heftigen und langfristigen Nebenwirkungen von Chemotherapien aussetzen - oder?

Frage mich, wo oder wie die heftigeren Medikamente am Menschen getestet werden? Hat jemand selbst oder von Angehörigen schon mal gehört, dass bei schweren Erkrankungen solche Tests angeboten oder erbeten wurden?
Ich habe davon bei kranken Verwandten nie gehört.

Wundere mich halt angesichts der Unmenge neuer Medikamente, die jedes Jahr zugelassen werden (O.K., die meisten sind nur Neuauflagen von bereits bekannten Mitteln).

Kennt sich da jemand aus?

Gruß, Paran

was Du so mit Studenten etc als Probanden in Erinnerung hast, sind bestenfalls Verträglichkeitstests, die mit der Ermittlung der Wirksamkeit nichts zu tun haben. Klinische Studien mit neuen Medikamenten sind wissenschaftlich anspruchsvolle und extrem aufwändige Versuchsserien. Je nach Indikation können tausende von Menschen teilweise über Jahre einbezogen werden.
Wenn ein Produkt schon ausreichend wissenschaftlich-klinisch erfolgreich getestet ist, dürfen auch „normale“ niedergelassene Ärzte mittesten. Da geht es aber dann mehr darum, das neue Präparat bei den Ärzten „bekannt“ zu machen, um das Wort „Marketing“ zu vermeiden. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Klinische_Studie
Udo Becker

Hallo,

Kennt sich da jemand aus?

nicht wirklich, trotzdem schreibe ich was dazu:

  1. Ich kenne eine Frau, die Krebs hat und nun schon zum zweiten Mal an einer Studie teilnimmt, mit der ein neues Medikament getestet wird. Motivation ist die Hoffnung, dass ihr doch noch irgendetwas helfen kann.

  2. Gelesen habe ich (ohne jetzt eine Quelle angeben zu können, das waren Zeitungsartikel), dass inzwischen viele Medikamente im Ausland getestet werden, z.B. in afrikanischen Ländern. Es scheint einfacher zu sein, dort genügend Versuchspersonen zu finden… Gründe darfst Du Dir selbst ausmalen.

Viele Grüße,

Jule

Zwei Links
Nochmal hallo,

ich hab nochmal gesucht, auf die Schnelle mal folgende Quellen (ich kann die Seriosität nciht beurteilen!):

http://www.bukopharma.de/index.php?page=klinische-fo…
http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=…

Demnach scheint Indien eins der Hauptländer zu sein.

Bei Interesse kannst Du ja selbst noch gründlicher suchen.

Jule

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Hallo,

danke für den Hinweis.

Nur, welche Menschen nehmen denn an den echten Tests teil?

Gruß, Paran

Hallo Paran,

  1. wird man kaum die Wirksamtkeit eines z.B. Krebsmedikamentes an
    gesunden jungen Männern beweisen können oder selbige den teils
    heftigen und langfristigen Nebenwirkungen von Chemotherapien
    aussetzen - oder?

Doch, genau darum geht es - um die Nebenwirkungen. Ich weiß nun natürlich nicht, wie lange diese Chemotherapien getestet wurden.

Vereinfacht gesagt, läuft das bei Medikamententests so:

  1. Tierversuche
  2. Tests an gesunden jungen Männern, um festzustellen, welche Nebenwirkungen es beim Menschen gibt. Das ist Phase 1 der Studie.
  3. Test an einigen wenigen Patienten.
  4. Test an einer kleinen Gruppe von Patienten, gegen Placebo. Das ist Phase 2.
  5. Test an mehreren Zentren weltweit, an einer größeren Gruppe von Patienten. Das ist Phase 3 der Studie.

Wenn das Medikament wirkt und die Nebenwirkungen vertretbar sind, dann folgt auf Phase 3 die Zulassung.

Hat jemand selbst oder von Angehörigen schon
mal gehört, dass bei schweren Erkrankungen solche Tests
angeboten oder erbeten wurden?

Ich habe selbst bei einem Termin in der MS-Ambulanz nach einer Studie gefragt und mich beraten lassen, welche Studien es gibt. Mir wurden dann 3 oder 4 Studien angeboten, die für mich in Frage kommen würden. Für eine davon habe ich mich entschieden.

Es ist nicht so, dass der Arzt nach dem Gießkannenprinzip jeden anspricht, der die Kriterien erfüllen würde. Da muss schon auch der Patient signalisieren, dass er an einer Studie interessiert ist. Das wird keinem „aufgeschwatzt“.

Ach so, ja: In Phase 2 und 3 nimmt man selbstverständlich auch Frauen. Die dürfen aber nicht schwanger werden, es wird immer ein Schwangerschaftstest durchgeführt.

Schöne Grüße

Petra

Hallo,

zwei Beispiele:

  • ich bin in einer bundesweiten Prostatakrebs Selbsthilfe. Über diese werden wiederholt Teilnehmer für Studien gesucht, auch Nichtmedikamente. Logischerweise keine junge Männer und Frauen
  • in meiner Tageszeitung wurde Teilnehmer für eine Studie mit einem Nahrungsergänzungsmittel von einem dafür spezialisierte Studienzentrum gesucht. Die genannten Kriterien hatte ich erfüllt. Nach eingehender medizinischer Untersuchung war ich trotzdem nicht geeignet, weil zu gesund. Dadurch erfuhr ich aber von einem erheblichen Vitamin D Mangel. Tageszeitung deshalb, wegen der kurzen Wege zum Zentrum zu regelmäßigen Untersuchungen.

Gruß
Otto

Hallo Paran,

Medikamententests an Menschen werden häufig in Länder „ausgelagert“, in denen die medizinische Versorgung bescheidener und die Verzweiflung erkrankter Menschen größer ist als hier: http://www.zeit.de/2014/12/medikament-gilenya-arznei…

beste Grüße

=^…^=

Hi,

jeder MS-Patient ist Testperson für MS-Medikamente. Die allerletzte Phase der Tests findet quasi am Patienten statt, die vorletzte auch. Für die vorletzte (Verträglichkeiten, Wirksamkeit überhaupt) kann man sich freiwilig melden (Info gibt es beim Neurologen zB), wenn das Medikament dann freigegeben wurde, kann es jeder haben. Aber die Wirksamkeit ist mehr oder weniger geschätzt. Man kann ja schlecht eine komplette Einnahmedauer (= ein ganzes Menschenleben) vorher durchtesten.
Dafür gibt es dann Service von den Pharmaunternehmen für die Patienten. Das geht dann von kostenloserBereitstellung der Spritzuntensilien über Schwesternservice (sich selbst spritzen) bis hin zurund um die Uhr telefonisch erreichbaren Ärzten und Psychotherapeuten. Aber jedes Unternehmen ist anders spendabel.

Aber das ist zugegebeneermassen ein eeher kleiner Markt - bei ca. 130.000 MS-Kranken in D, ca. 2,5 Mio weltweit, und einem knappen Dutzend zugelassener MEdikamente.

die Franzi

Hi,

hätt ich das vorher gelesen, hätte ich mir den Sermon oben sparen können. :smile:

die Franzi

Hallo,

Danke für die ausführliche Antwort. Das erklärt einiges.

Gruß, Paran.

Danke für die Antworten
Hallo Alle,

Eure Antworten waren alle aufschlussreich.

Vielen Dank für Eure Mühe,
Gruß, Paran

Häufig werden Medikamente so getestet: Eine Klinik hat im Jahr 200 Patienten mit einer bestimmten Krankheit. Die Ethikkommission der Klinik entscheidet, ob und welche Art von Prüfprogrammen aufgenommen werden. Von den Patienten wird die Zustimmung eingeholt. Zumeist erhält der Patient dann sowohl Versorgung nach dem Stand der Technik und zusätzlich das neu zu testende Medikament, das schon die Sicherheitstests an gesunden Personen durchlaufen hat. Es gibt auch andere Modelle, je nach Fragestellung und Verantwortbarkeit, zum Beispiel Placebo- Medikation, bei der weder der Arzt noch der Patient weiß, was wem gegeben wird. Erst nach der Auswertung wird dann die Verschlüsselung aufgehoben. In jedem Fall ist die ethische Grundvoraussetzung durch unabhängige Stellen zu prüfen und auch Zulassungen eines Medikamentes sind nur mit ethisch sauber ermittelten Daten möglich. Insofern sind auch so spitz formulierte Bemerkungen wie „Im Ausland, du kannst Dir denken warum“ nicht hilfreich. In vielen Ländern sind die Menschen dankbar, wenn sich überhaupt ein Mediziner um ihr Problem kümmert und für jeden der in eine Studie aufgenommen wird, muss ein umfassender dokumentierter ärztlicher Check vorliegen.
Udo Becker

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Hallo Udo,

danke für die detaillierte Auskunft.

Eine Frage habe ich trotzdem noch: gerade bei Krebspatienten geht es ja leicht ums Ganze - ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass sich Menschen in der Situation auf einen Medikamententest einlassen, schon garnicht, wenn auch Placebos verabreicht werden.

Wer macht denn das mit? Endstadiumskandidaten?
Wollen die nicht lieber nach Hause und dort in Ruhe sterben?

Sorry, aber nach einigen Krebsfällen in der Familie, kann ich mir schlicht nicht vorstellen dass jemand mit solch ernster Erkrankung freiwillig und bewusst Medikamententests mitmacht.
Der Test eines neuen Medikaments bedeuted doch sicher auch den Verzicht auf ein Bewährtes. Wie sollte man sonst feststellen, was gewirkt hat. Bei Tests mit Placebos setzt die Hauptbehandlung sogar aus, oder?

Wer macht denn das freiwillig?

Gruß, Paran