Warum im Mittelalter Tiere zum Tode verurteilt?

Hallo Experten!
Wir haben in der Schule im Geschichtsunterricht gerade mit dem Mittelalter angefangen. Unser Lehrer behauptete, daß da sogar Tiere zum Tode verurteilt wurden. Hat er uns nur verkohlt oder meinte er das Ernst? Warum wurden denn Tiere im Mittelalter zum Tode verurteilt? Danke für ihre Informationen.

Hallo Edel.Gard,

nein, das war kein Scherz des Lehrers.

Dieses Vorgehen kam hauptsächlich daher, dass man damals glaubte, dass Hexen oder auch der Teufel selbst sich in Tiergestalt (vorzugsweise Katzen, Schweine, etc.) so einiges leisteten und durch Kapitalverbrechen gegen das Gesetz verstießen. Auch im heidnischen Glauben kann man Ansätze für dieses Vermenschlichen von Tieren finden: viele Naturvölker sahen in Tieren Geister, Dämonen oder verstorbene Verwandte.

Ich hoffe ich konnte weiterhelfen!

Hallo Edel. Gard

ich kann mir es nur so vorstellen das die Leute damals wenig zu essen hatten.
Oder sogar wegen der Pest, weil im Mittelalter viele Menschen durch die Pest umgekommen sind.
Kannst mich gerne auf dem laufenden halten wenn du was weisst.

LG

Björn

Hallo Edel.Gard,

dein Lehrer hat schon recht, es wurden wirklich auch Tiere verurteilt und hingerichtet. Man glaubte, dass auch Tiere vom Teufel oder von Dämonen besessen sein können und Schäden oder Unfälle verursachen würden. Hexen, glaubte man, könnten sich in Katzen verwandeln. Bei einer Hexenverbrennung verbrannte man am besten ihre Katze gleich mit.

Auch in der Bibel gibt es einen Hinweis auf eine Besessenheit von Tieren durch Dämonen. Die unreinen Geister, die Jesus aus Menschen austrieb, fuhren in die Schweine, und diese stürzten sich anschließend in den See und ertranken.

Gruß FraLang

Im 12. Jahrh. nahm man an, daß der Teufel mal in Menschen-, mal in Tiergestalt erscheine. Auch glaubte man, aus der Verbindung des Teufels mit Menschenfrauen könnten halb Tier- halb menschliche Mischwesen entstammen (Succuben, an den Hexen die Fähigkeit zusprach, sich in Katzen oder Schweine oder andere („dreibeiniger Hase“, Werwolf)) verwandeln zu können. Diese Vorstellung (Tierverwandlung, auch im Fluge) hielt sich bis ins 20. Jahrhundert !.Ihr Ursprung ist sie bis in altnordisch-germanische Zeit zurückzuführen.
Der Kirchenlehrer Augustinus war völlig überzeugt, daß Teufel und Hexen in vielerlei Tiergestalt allerlei Unheil anrichteten.

Grundlegend für Tierprozesse war im Übrigen aber der germanische Glauben, daß Tiere eine eigene Rechtspersönlichkeit sein/haben konnten. Es wundert nicht, daß es außer heiligen Tieren (Tiergötter) und Tierkönigen und -geistern , sogar ein Tierparadies, Tierseelen , auch „getaufte Tiere“ geben konnte.

Das alles ist eigentlich nicht verwunderlich, denn in den alten Völkern waren Tiere dem Menschen verwandt, meist sogar als AHNE, GOTT UND BRUDER gleichberechtigt. Diese allgemeine selbstverständliche ACHTUNG des Tieres erhielt sich bis ins Mittelalter in RESTEN. Das Christentum erst leitete die Mißachtung der Tiere ein. Dennoch blieben alte Vorstellungen teilw. erhalten, wenn auch meist eher als Karikatur einstiger Achtung.
U.a. konnten Tiere auch gegen Menschen „klagen“. Zumal sie überhaupt oder zuweilen auch sprechen konnten.
Nun endlich zum eigentlichen TIERPROZESS :
Im Altertum galten Rinder und Schweine , die von Opfern fraßen, als der Todesstrafe für würdig. Tiere, die einen Menschen töteten, konnten von den Angehörigen verklagt und in einem Prozeß verurteilt werden (Griechenland, laut Plato, Plutarch). Außer Landesverweis drohte auch ein Tod als Sühneopfer.
Laut mosaischem Gesetz konnten auch Tiere bestraft werden
,z.B durch Steinigung.(Genes.IX,5, Exod.XXI,28-32).
Die Phönizier schlugen Löwen, die in Siedlungen eindrangen, ans Kreuz.
Die Perser verstümmelten rechtsbrüchigen Tieren Schwänze, Ohren u.a.

In Frankreich sind die ersten Tierprozesse im 13. Jahrh. nachweisbar (vgl. AMIRA, Tierstrafen, S. 575, 552…) Dort waren Tierprozesse am häufigsten üblich.
In Sardinien um 1390, in Flandern im 15. Jahrh.In Holland nach 1550.
Der erste bekannte Prozeß in DEUTSCHLAND erfolgte 1574 in Frankfurt/M.
Es sind allerdings nur wenige Fälle dokumentiert, wobei sowohl weltliche als auch geistliche Gerichte zuständig waren.Quelle dieser Gerichtspraxis war im wesentlichen das sog. Gottesgestz des Alten Testaments, auf das sich Rechtsdenker direkt beriefen.
Z.B im Schwabenspiegel. Aus dem alttestamentar… Kultakt wurde jedoch eine weltliche Strafe.
Und aus der „Privatrache“ (z.B. ein verurteilter Hund wurde an der Haustür des Klägers (auf)gehängt, wurde im Lauf der Zeit eine öffentliche (Ordnungs- bzw. Straf-Angelegenheit) .Im Schwälmer Landrecht konnten Gänse, die in fremden Feldern plünderten, am Galgen gehängt werden.Für diese „Hinrichtungen“ war meist der Gemeindediner (Büttel) zuständig. Der Geschädigte bekam oft 2/3, der Rat 1/3 eines Schadensersatzes.Im Allgemeinen wurden nur Haustiere verfolgt.Seit dem 17. Jahrh. wurde die Wahl der Todesart dem Gerichtsherrn oder dessen Vogt oder Ammann überlassen.In Gent wurde eine Kuh verurteilt, vom Scharfrichter enthauptet, der Körper verkauft und der Kopf aufgespießt und auf dem Marktplatz zur Schau gestellt.
1582 wurde ein Schwein, das bei Bergheim (Köln) ein Kind getötet hatte, von den herzoglich-jülischen Räten verurteilt, „durch den nachrichter hinrichten und zum abscheulichen exempel in der hohe aufsetzen lassen…“.In Detmold wurde 1644 verurteilt, „1/4 Stund auf dem Markt angebunden und dann
mit einem Beil sein Halß abzuhauen…“
Solche Tierstrafen waren im Balkan noch im !9. Jahrh. üblich.
So wurde 1864 in Monteegro ein Schwein zum Tode verurteilt.
Kirchliche Gerichte und Strafen wurden im Allgeneinen nicht gegen einzelne Tiere angewandt, sondern bei Seuchen und Landplagen, z.B. wegen Fröschen, Käfern, Heuschrecken,Ratten usw. Die Lausanner Formel von 1451 (auch Sacerdotale Romanum) , die in Form von Gebeten noch im 20. Jahrh. weiter wirkten, beinhalteten Beschwörungen, Segnungen und Strafen für solche Plagegeister.Schon Gregor der Große berichtete von einer
Säuberung eines Gartens von Raupen durch rituelle Beschwörungen.Heuschrecken wurden durch Weihwasser vereieben (Papst Stephan IV.)Erzbischof Ecbert v. Trier verfluchte im 10. Jahrh. Schwalben, die die Stiftskirche verunreinigten.Noch 1559 bannte der protest. Pfarrer an der Kreuzkirche die Sperlinge.Gegen die Blutegel im Genfer See wurde 1451 ein förmliches geistliches Strafverfahren geführt.Mit Klagebescheid, Vorladung , und förmlicher Ausweisung. Nach 3maliger Androhung wegen Nichteinhaltung der Ausweisung erfolgte die Verfluchung wegen Ungehorsams.Ergriffene Täter wurden sodann getötet…Falls angeblich der Teufel im Spiel war, wurden die Schädlinge auch zusätzlich exkommuniziert.

Kulturhistorisch ähneln diese seltsamen Verfahren dem Gespensterprozeß und - beschwörung.
Letztlich waren diese mittelalterl. teilw. neuzeitlichen Rechtsverdrehungen die vorletzte Station im Niedergang der Tier - Mensch - Beziehung im Lauf d. letzten 3 Jahrtausende :
von würdevoller Achtung des Tiers als
Bruder, Ahne/Gott oder Helfer über eher sachliche Stellung
als Hausstier und Nahrungsgrundlage bis zur Verteufelung bzw. Dämonisierung und absoluter Wertlosigkeit als Massen -Nahrungsmittel und Rohstofflager.
Quelle(n):
„Handwörterbuch d. dtsch. Aberglaubens“, Band 6, Band 9
„Das Tier als Ahne ,Gott u.Dämon“
„Tier und Totem“
„Die Geschichte des Teufels“

Hallo,
mir ist keine Lektüre bekannt, die einen solchen Fall explizit beschreibt. Im Netz fand ich Bemerkungen dazu auf http://tierrechte-kaplan.org/kompendium/a177.htm. Hier wird erklärt, dass der Glaube, Menschen könnten sich in Tiere verwandeln, im Mittelalter weit verbreitet war. Diese Aussage wird auch von anderen Quellen bestätigt. Dass durch Inquisition verurteilte Hexen gemeinsam mit ihren Tieren (vorzugsweise Katzen) getötet wurden bzw. sogar diesen Tieren, sozusagen als Reinkarnation ihrer Besitzer(-innen) Inquisitionsprozesse inkl. anschließender Exekution gemacht wurden, konnte ich von keiner anderen Quelle querlesen, halte es jedoch für möglich, angesichts der bekannten Hysterie rund um das Thema Hexenjagd und Inquisition im Mittelalter.

Grüße Micha

Liebe/r Edel.Gard,

oft wurde angenommen, dass der Teufel sich in einem Tier manifestiert oder in es gefahren sei. Deshalb werden Hexen auch oft von schwarzen Katzen begleitet.

Eine sehr ausführliche Antwort findest Du hier: http://de.answers.yahoo.com/question/index?qid=20071…

Mein Geschichtslehrer hat immer gesagt: man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht! :wink:

Ich hoffe, das hilft Dir!

LG

hallo edel.gard

euer lehrer hat euch nicht verkohlt, sondern tatsachen
angesprochen, die nicht nur im mittelalter praktiziert
wurden. auch in der zeit der aufklärung wurden tiere
in „tierprozesen“ zum tode verurteilt-
was waren die gründe?
in zusammenhängen mit „hexenprozessen“ waren hauptsächlich Katzen miteinbezogen, da man annahm,
Hexen würden sich vorrangig in katzen verwandeln.
so wurden oft katzen zusammen mit hexen verurteilt und
verbrannt.
aber auch andere tiere waren verdächtig, vom teufel
besessen zu sein. krankhaftes verhalten von haustieren
wurde falsch gedeutet und diese tiere dann mit oder
ohne prozess getötet. neben haustieren wie hunde, katzen, schweine und schafe waren auch besonders ziegen
und ziegenböcke gefährdet.
behauptet wurde ja, hexen ritten vorrangig auf diesen
tieren zu den „hexensabbaten“ , also hexentreffen an
bestimmten punkten. dass der teufel oft als ziegenbock-artiges wesen dargestellt wurde, tat ein übriges.

Allerdings kam es auch zu prozessen gegen tiere, die
menschen im täglichen leben verletzt oder gar getötet hatten.

l. w.