Artensterben

Tach Ihr Lieben,
Könnte mir jemand eine ungefähre Zahl nennen, wieviele Fauna-und Flora-Arten jährlich durch uns Menschen unwiederbringlich ausgelöscht werden.
Habe letzthin in einem Disput behauptet, dass der Mensch eine Naturkatastrophe sei, d.h. unserem Planeten ginge es besser ohne unsere Gattung.
Mit dank und Gruss : hardy

Hallo Hardy,

ich kann und werde dir keine Zahl nenen, aber ich möchte etwas zu deiner „Behauptung“ sagen:

Das Wort „Naturkatastrophe“ ist eigentlich ein Unwort, denn soetwas gibt es *eigentlich* gar nicht. Es gibt höchstens großräumige, tiefgreifende, nachhaltige, vielleicht sprunghafte Veränderungen in der Biosphäre. Das bedeutet für viele Arten das Ende ihrer Entwicklungslienie, für andere ist es eine neue Chance. Aus einer Linie, die mit den neuen Gegebenheiten einigermaßen zurechtkommt, können sich in den folgenen Mio Jahren wieder viele nee Arten entwickeln… Sicher, aus der Sicht der „Verlierer“ ist es eine Katastrophe, aber nicht die Natur verliert! Der Natur ist das ziemlich egal. Betrachtet man die Erdgeschichte, gehören „Katastrophen“ sogar zur Natur dazu.

Der Mensch verdankt seine Existenz sogar solcen Katastrophen. Beispiel 1: die erste globale Katastrophe war wohl die unglückseelige „Erfindung“ der oxygenen Photosynthese. Der freiwerdende Sauerstoff vernichtete vermutlich mehr als 90% der damals lebenden Arten (ok, wahrscheinlich alles Einzeller, es gab vermutlch noch keine vielzelligen Organismen, … aber was hätte sich daraus alles entwickeln können!). Erst viel später zog die Natur einen Nutzen daraus… Beispiel 2: Das Sauriersterben vor 60 Mio Jahren. Die Gründe sind nicht ganz geklärt, die Beteiligung eines Kometeneinschlags ist aber nicht unwahrscheinlich. Wieder sterben sehr viele Arten. Für die meisten Riesenechsen eine Katastrophe, für die gleichwarmen Säugetiere die Chance…

Zum Schluß nochmal zu unsereins: Wir stehen nicht außerhalb der Natur! Wir sind Teil dieser Natur wie alles andere auch. So wie Korallenriffe (die wohl maßgeblich das globale Klima regulieren, wie sie Unmengen CO2 binden) der Blumentierchen sind auch unsere Atomkraftwerke und Städte Teil dieser Natur.

Dem Planeten und der Natur ist es egal, was wir damit anstellen. Er (und sie) hhaben schon viele „Katastrophen“ „erlebt“ und überlebt, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Mensch ist eines von unzähligen Experimenten der Natur, und es wird sich zeigen, wie „fit“ dieses Konzept langfristig ist.

Ganz anders sieht es aus UNSERER Perspektive aus. Wir können (und sollten) uns Fragen, WIE wir leben MÖCHTEN, denn wir haben die Möglichkeit, uns das so einzurichten (unter Beachtung der Natur(gesetze)!). Dazu müssen wir verstehen, wie die Welt, die Natur, funktioniert, was wichtig ist, was unseren eigenen Lebensraum und unsere Resourcen lagfristig verändert, und was UNS wichtig ist. Wollen wir zB mit möglicht vielen Menschen auf der Welt leben und die Resourcen stark rationieren, oder mit relativ wenigen unter nicht-rationierten Bedingungen? Wollen wir aus den Schätzen der Natur schnell monetäre „Werte“ schaffen oder betrachten wir die Existenz der „nicht-prozessierten“ Naturschätze als „Wert“? Diese und viele andere Dinge haben wir (als Art) nicht geklärt. Es wäre aller Vorraussich nach gut für uns, sie bald zu klären. Der Natur ist’s egal. Wahrscheinlich findet sich auch in einer Milliarde jahren noch blühendes Leben auf dieser Welt, in einer anderen Form als heute, und es wird nicht an die Existenz eines „Menschen“ auf diesem Planeten erinnern (unser Atommüll ist zerfallen, ebenso Plastik und Beton, …). Vielleicht findet mal eine andere Spezies eine Diamantkette und fragt sich, wer die wohl verloren haben mag, aber das war’s auch.

Um das nochmal klar zu stellen: In einer Vorlesung sagte mal eine Komolitonin zum Prof (damals Vorsitzender des BUND): „Aber wir dürfen doch andere Arten nicht ausrotten!“. Darauf der Prof: „Doch, NATÜRLICH haben wir das Recht, andere Arten auszurotten. Warum? Weil wir es KÖNNEN. Aber das ist gar nicht die Frage, ob wir es dürfen. Wir müssen uns fragen: ‚Wollen wir in einer Welt OHNE diese Arten leben?‘ !“ - Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, weil wir die langfristigen Folgen nicht abschätzen können.

Gruß
Jochen

Gruß
Jochen

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Hallo Jochen,

du läßt bei dem ganzen Geschreibe einen entscheidenden Faktor ausser Acht. Alles Leben, das es gab und gibt unterliegt mehr oder minder den Gesetzen des alten Darwins. Wir die menschen sind aber von der Evolution ausgekoppelt, wir sind ein Fehlgriff der Natur. Wir könnten es schaffen, das es nach uns gar kein Leben mehr auf diesem Planeten gibt. Im ersten Moment könnte man es so sehen wie du, sehr positiv und alles relativ; wir sind nur ein Spielart der natur, ja eine Variation des Genpools. Wir sterben irgendwan aus (oder nicht) und nach uns kommt was neues. So ists immer gewesen…bis heute.
Mir gefällt auch die Theorie des Wächters im ersten Teil von Matrix, in dem er die Menschen mit einem Virus vergleicht. Sehr treffend, wie ich meine.

Also bis denne,
Sebastian

Hallo Sebastian!

du läßt bei dem ganzen Geschreibe einen entscheidenden Faktor
ausser Acht. Alles Leben, das es gab und gibt unterliegt mehr
oder minder den Gesetzen des alten Darwins.

Da stimme ich dir doch zu, obwohl ich eine Formulierung wie „…folgt den von Darwin erstmals formulierten Gesetzmäßigkeiten“ etwas besser fände - du meinst das aber sicher.

Wir die menschen
sind aber von der Evolution ausgekoppelt, wir sind ein
Fehlgriff der Natur.

Die Argumentation versetehe ich schon, aber diese beruht auf einer sehr „kurzsichtigen“ Interpretation von Evolution (das ist nicht böse gemeint!). Viele Leute argumentieren, daß der Mensch die Natur verändert. Das machen andere Lebewesen auch. Nun, der Mensch würde die Welt aber willkürlich und bewußt verändern. Daran verstehe ich nicht, warum willkürliches oder bewußtes Handeln AUSSERHALB der Natur/Evolution stehen sollte. Naja, und außerdem würde der Mensch technische Dinge schaffen, die es so ja in der Natur nicht gibt. Da habe ich 2 Anmerkungen zu: Zum einen bilden auch andere Organismen Stoffe und Dinge, die so (also ohne sie) in der Natur nicht vorkämen (Papier, Seide, Wolle, Mineralisationen, Zement, Erdöl…) und zum anderen ist alles, was von dieser Welt ist, Teil dieser Welt und damit Teil dieser Natur. Auch ein Auto.

Nochmal kurz: Der Begriff „Natur“ bezeichnet für manche alles AUSSER dem Menschen und seinen Produkten, für andere ALLES, inklusive Mensch. Ich sehe keinen Grund, dem Menschen eine Sonderstellung zuzuschreiben, daher macht für mich die erstere Definition von „Natur“ einfach wenig Sinn. Klar hat der Mensch ganz besondere Fähigkeiten (die nicht mal prinzipiell einzigartig sind, sondern nur graduell anders als bei anderen Arten! - ach doch, eine Sache: Loriot sagte mal auf die Frage, was am Menschen das Besondere sei: „Der mensch ist das einzige Lebewesen auf der Erden, daß im Fluß eine warme Mahlzeit zu sich nehmen kann“), das haben andere Arten auch; wenn man deshalb dem Menschen eine Sonderstellung gibt, verdienen ALLE Arten ihre eigene Sonderstellung - das bringt nicht viel.

Das Wort „Fehlgriff“ berut auf einer Wertung. Es impliziert, daß ein Ziel verfehlt wurde. Als Biologe / Naturwissenschaftler sollte dir aber klar sein, daß die Natur keine Ziele kennt und keine Wertungen macht. Ein Virus oder eine Stechmücke sind nicht „böse“ oder „schlecht“, eine Eiche ist nicht „gut“.

Wir könnten es schaffen, das es nach uns
gar kein Leben mehr auf diesem Planeten gibt.

Das glaube ich nicht. Also, ich halte es für extrem unwahrscheinlich, daß wir das schaffen könnten. Wie schon gesagt, gab es gigantische Katastrophen, die das Leben nicht endgültig ausgelöscht haben. Unsere Kernwaffenarsenale reichen sicher, das Überleben der Menschheit (und der meisten anderen „höheren“ Arten) zu beenden, aber irgendwo in der Erde, an Black Smokern in der Tiefsee, im Meeresgrund, im Grundwasser, in der Stratosphäre und wer weiß wo sonst noch wird es wahrscheinlich Mikroben (oder gar Gliedertiere) geben, die das überleben.

Im ersten Moment
könnte man es so sehen wie du, sehr positiv und alles relativ;

Ich sehe das nicht POSITIV! Ich mache keine Wertung!

wir sind nur ein Spielart der natur, ja eine Variation des
Genpools. Wir sterben irgendwan aus (oder nicht) und nach uns
kommt was neues. So ists immer gewesen…bis heute.

Genau.

Mir gefällt auch die Theorie des Wächters im ersten Teil von
Matrix, in dem er die Menschen mit einem Virus vergleicht.
Sehr treffend, wie ich meine.

Der Vergleich ist zu allgemein und wird auch zu einseitig gesehen. Viren können ein ganz entscheidender Faktor in der (frühen) Evolution gewesen sein. Es ist wahrscheinlich, daß es ohne Viren auch niemals Menschen (oder andere Spezies) geben würde.

Ich freu mich auf Antwort,
Jochen

2 Like

hey jo du gefällst mir, endlich mal ne differenzierte ansicht, nur ist sie einwenig gefährlich weil gewisse leute auf die idee kommen könnten sie seien nicht verantwortlich für ihr handeln. die wichtigste erkenntniss ist wohl die tatsache dass die evolution nicht zielgerichtet ist. durch veränderung der gene werden alle möglichen „sachen“ neuentwickelt. bewährt sich etwas wird es weitergegeben, wenn nicht stirbt das neue individuum bevor es sich fortpflanzen kann.
katastrophen wie der mensch rotten viele arten aus, dadurch wird die konkurenz durch diese alten arten ausgeschaltet und neue ansätze bekommen genug ressourcen und zeit sich zu entwickeln. das gibt uns aber nicht die freikarte bedenkenlos zu ruinieren was millionen von jahren währte.

aber und eins ist wohl klar, das leben wird „fast“ immer einen weg finden

Die Ausführungen von Jo sind sehr differenziert und ich stimme ihnen weitgehend zu. Man kann sie gut auf die Ergänzunge von hardy beziehen:

Habe letzthin in einem Disput behauptet, dass der Mensch eine
Naturkatastrophe sei, d.h. unserem Planeten ginge es besser
ohne unsere Gattung.

Ich möchte aber noch einmal auf die eigentliche Frage eingehen:

Könnte mir jemand eine ungefähre Zahl nennen, wieviele
Fauna-und Flora-Arten jährlich durch uns Menschen
unwiederbringlich ausgelöscht werden.

Vor einiger Zeit (wohl vor allen in den 1980er Jahren) kursierten in diesem Zusammenhang Zahlen in der öffentlichen Diskussion. Wenn ich mich recht erinnert ging es dabei um 100 Arten pro Tag. Diese Zahlen sind höchst fragwürdig und es hat wohl gute Gründe, dass man sie kaum noch hört.
Vermutlich stammen diese Zahlen u. a. vom amerikanischen Biologie-Professor Wilson. Auf Grund seiner Forschungen an Ameisen der südamerikanischen Regenwälder stellte er in den 1970er Jahren die Behauptung auf, dass bisher nur ein verschwindender Anteil der Tierarten wissenschaftlich beschrieben wurde. Ich glaub, er behauptete, dass es 100 bis 1000mal mehr Arten gebe. Soweit ich die wissenschaftliche Diskussion verfolge, geht heute kaum jemand mehr von einer so niedrigen Rate aus. Die Schätzungen heute liegen eher bei 10 bis 50% unentdeckter Arten.
Von dieser überzogenen Artenzahl von bis zu 100 Millionen bis 1 Milliarden Tierarten wurde, höchstwahrscheinlich mit rein statistischen Methoden, auf diese sehr hohen Aussterbezahlen geschlossen.
Die Zahl der wissenschaftlich beschriebenen Tierarten, die in letzten 300 Jahren ausgestorben sind, dürfte nach meiner groben Schätzung bei etwa 1000 liegen. Es sind fast ausschließlich Wirbeltiere. Die überwältigende Mehrzahl der Tierarten wird jedoch von kleinen bis winzigen Kerbtieren gebildet. Es ist möglich, dass diese Tiergruppen durch Lebenraumverstörung eine ähnliche Aussterberate hatten - nachträglich bewiesen werden kann es jedoch nicht. Selbst in der Gegenwart und absehbaren Zukunft wird sich daran fast nichts ändern. Für die Erforschung dieser Tiergruppen gibt es zu wenig öffentliche Gelder und eigentlich auch zu wenig interessierte Biologen.

Schließlich habe ich sogar den sehr starken Verdacht, dass die besagten völlig überzogenen Aussterbezahlen öfters mal mit den Zahlen der bisher wissenschaftlich beschriebenen Tierarten gekoppelt werden. So kommt es dann zu solchen Aussagen, dass bereits in unserem 21. Jahrhundert ein Großteil aller Arten aussterben wird. Diese Aussage ist mit Sicherheit falsch (solange es kein Atomkrieg oder Meteoriteneinschlag geben wird). Bei den relativ sehr gut untersuchten Säugetieren und Vögeln hat es seit etwa 1920 einen deutlich Rückgang der aussterbenden Arten gegeben. Neben einigen sehr speziellen Ursachen, liegt dieses wesentlich am Naturschutz. Reservate und gesetzliche Reglementierungen sind, von Ausnahmen abgesehen, sehr effizient.