Wie fühlt es sich an…?
Ein gewisses ethisches Empfinden ist allen Menschen von Geburt an zueigen. Darüber hinaus gibt es erhebliche Unterschiede im ethischen Empfinden. Ich lebe seit über 31 Jahren auf dem finstersten Land, 11 Jahre in einem kleinen Dorf mit nur 15 Häusern mit Blick auf die Berge in Oberbayern und seit 2o Jahren auf einer eisenharten Vulkaninsel am Ende der Welt. Da bekommt man ein ganz anderes ethisches Empfinden zu Tieren als in der Großstadt. Dass das ethische Empfinden nicht nach dem Kant’schen KATEGORISCHEN IMPERATIV funktioniert, im wirklichen Leben, sondern eine rein theoretische und rationalisierte Konstruktion ist, wie sie vom IDEALISMUS wünschenswert wäre, darüber muss man hier nicht diskutieren.
Dass die Bauern aufgrund sozialer und kultureller und vor allem ökonomischer Unterschiede in einer anderen Welt leben und deshalb auch ein ganz anderes ethisches Empfinden gegenüber den Tieren haben, als zum Beispiel ein Künstler oder Philosoph, kann man wohl verstehen. Und noch dazu ist es ein großer Unterschied zwischen den Bauern in Oberbayern und den Einheimischen hier auf meiner Hinterweltinsel. So wurde zum Beispiel beobachtet, wie der „Schweine-Pedro“ (einer der stärksten Männer der Insel, ein Mann über zwei Meter groß, den sie auf der Insel nur EL ANIMAL, „das Tier“ nennen, und der Ringkämpfer war, und im Fernsehen auftrat), dass der Schweine-Pedro Kaninchen lebendig an den Füßen hält und seine Hunde danach schnappen lässt, nur so zum Spaß.
Eine andere Art unterschiedlichen ethischen Empfindens sieht man bei Stierkämpfen, Hundekämpfen, Hahnenkämpfen. Dass mit diesem grausamen Spiel Geld gemacht werden kann, ist derselbe Unterschied an ethischem Empfinden, wie die so genannte Nutztierhaltung, die immer mehr rationalisiert wird, um mit der Fleischproduktion im Wettbewerb mit anderen Konkurrenten Profite zu erwirtschaften. Da werden die Käfige immer enger, das Futter immer giftiger und die Schlachtungen immer effizienter: 32000 Schweineschlachtungen pro Tag in einem einzigen Schlachthof in den USA sind sind zur Zeit die Weltspitze!
Mein spanischer Nachbar züchtet Schweine, die ich regelmäßig höre, wie sie um ihr Leben betteln. Wenn ein Schwein geschlachtet wird, hilft die ganze Familie mit. Das erbärmliche Quietschen der Schweine kriecht mir in meinen Körper hinein, als wäre ich selber ein Schwein, das um sein Leben bangt. Dieses Schreien um den Erhalt des eigenen Lebens setzt bei mir etwas in Gang, was der amerikanische Philosoph Prof. Thomas Nagel mit dem Problem „Qualia“ beschreibt, in seinem berühmten Aufsatz: Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein? Prof. Thomas Nagel schreibt Folgendes:
„Ich nehme an, wir alle sind überzeugt davon, dass Fledermäuse Erfahrungen machen. Schließlich sind sie Säugetriere, und dass sie Erfahrungen machen, ist nicht weniger gewiss, als dass Mäuse oder Tauben oder Wale Erfahrungen machen.“ Und: „Ich habe gesagt, dass das WESENTLICHE der Überzeugung, dass Fledermäuse Erfahrungen machen, in der Annahme besteht, dass es da etwas gibt, das zu sein so ist, als ob man eine Fledermaus WÄRE.“ Die Schlussfolgerung von Prof. Thomas Nagel ist die: „Der gegenwärtige Stand des Physikalismus ist der Situation vergleichbar, in der die Hypothese, dass Materie Energie ist, sich befunden hätte, wäre sie von einem VORSOKRATISCHEN Philosophen (also von einem Philosophen vor SOKRATES) aufgestellt worden. Wir haben noch nicht einmal eine Vorstellung davon, in welchem Sinne der Physikalismus WAHR sein könnte.“
Für die Tiere auf meiner H.-Insel ist der Physikalismus insofern WAHR, als ich sie schreien höre! Die Ziegen schreien tagelang vergeblich, weil sie nichts zu fressen bekommen und in der brütenden Hitze Wasser fehlt. Auf meiner H.-Insel ist es üblich, den Ziegen die Beine zusammen zu binden, damit sie nicht weiter weglaufen, sondern nur noch humpeln können. Und die Hunde werden mit nur einem Meter langen Seilen an die Felsen gebunden, weil sie sich bei längeren Seilen verwickeln würden. Und die Esel werden einfach in der Wildnis ausgesetzt, bis sie krepieren…
Das ethische Empfinden meiner Katze ist gegenüber ihren Mäusen sicherlich anders als mein Empfinden! Wie fühlt es sich an, ein anderes Lebewesen zu sein?