Hallo zusammen!
Ich sollte für die Schule den Kant Text „Das Problem der
Willensfreiheit“
analysieren, gliedern und Zusammenfassen. Dann die Grundthesen
ausarbeiten, sowie deren Begründung und Konsequenzen und am
Schluss sollte ich noch die Annahmen die Kant zur begründung
der Thesen einsetzt kritisieren und allenfals eine eigene
These mit begründung ausarbeiten.
Kant: „Wenn ich von einem Menschen, der einen Dieb-
stahl verübt, sage: diese Tat sei nach dem Naturgeset-
ze der Kausalität aus den Bestimmungsgründen der
vorhergehenden Zeit ein notwendiger Erfolg, so war
es unmöglich, daß sie hat unterbleiben können; wie
kann denn die Beurteilung nach dem moralischen Ge-
setze hierin eine Änderung machen, und voraussetzen,
daß sie doch habe unterlassen werden können, weil
das Gesetz sagt, sie hätte unterlassen werden sollen,
d.i. wie kann derjenige, in demselben Zeitpunkte, in
Absicht auf dieselbe Handlung, ganz frei heißen, in
welchem, und in derselben Absicht, er doch unter
einer unvermeidlichen Naturnotwendigkeit steht? Eine
Ausflucht darin suchen, daß man bloß die Art der Be-
stimmungsgründe seiner Kausalität nach dem Natur-
gesetze einem komparativen Begriffe von Freiheit an-
paßt (nach welchem das bisweilen freie Wirkung
heißt, davon der bestimmende Naturgrund innerlich
im wirkenden Wesen liegt, z.B. das, was ein geworfe-
ner Körper verrichtet, wenn er in freier Bewegung ist,
da man das Wort Freiheit braucht, weil er, während
daß er im Fluge ist, nicht von außen wodurch getrie-
ben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch
eine freie Bewegung nennen, weil sie ihren Zeiger
selbst treibt, der also nicht äußerlich geschoben wer-
den darf, eben so die Handlungen des Menschen, ob
sie gleich, durch ihre Bestimmungsgründe, die in der
Zeit vorhergehen, notwendig sind, dennoch frei nen-
nen, weil es doch innere durch unsere eigene Kräfte
hervorgebrachte Vorstellungen, dadurch nach veran-
lassenden Umständen erzeugte Begierden und mithin
nach unserem eigenen Belieben bewirkte Handlungen
sind), ist ein elender Behelf, womit sich noch immer
einige hinhalten lassen, und so jenes schwere Problem
mit einer kleinen Wortklauberei aufgelöset zu haben
meinen, an dessen Auflösung Jahrtausende vergeblich
gearbeitet haben, die daher wohl schwerlich so ganz
auf der Oberfläche gefunden werden dürfte.“
Friedhelm: Kant kritisiert die wohl zu seiner Zeit bestehenden Versuche, (nur quasi) autonome Prozesse als freie Geschehen zu bezeichnen, weil sie wie beim Uhrwerk oder beim Bratenwender nach dem Anstoß (dem Urbeweger) frei von weiteren Einflüssen und deswegen frei seien. Er wertet dies in einem Satz als Wortklauberei ab.
Kant: "Es kommt nämlich bei der Frage nach derjenigen Freiheit, die
allen moralischen Gesetzen und der ihnen gemäßen
Zurechnung zum Grunde gelegt werden muß, darauf
gar nicht an, ob die nach einem Naturgesetze be-
stimmte Kausalität durch Bestimmungsgründe, die im
Subjekte, oder außer ihm liegen, und im ersteren Fall,
ob sie durch Instinkt oder mit Vernunft gedachte Be-
stimmungsgründe notwendig sei; wenn diese bestim-
mende Vorstellungen, nach dem Geständnisse eben
dieser Männer selbst, den Grund ihrer Existenz doch
in der Zeit und zwar dem vorigen Zustande haben,
dieser aber wieder in einem vorhergehenden etc., so
mögen sie, diese Bestimmungen, immer innerlich
sein, sie mögen psychologische und nicht mechani-
sche Kausalität haben, d.i. durch Vorstellungen, und
nicht durch körperliche Bewegung, Handlung hervor-
bringen, so sind es immer Bestimmungsgründe der
Kausalität eines Wesens, so fern sein Dasein in der
Zeit bestimmbar ist, mithin unter notwendig machen-
den Bedingungen der vergangenen Zeit, die also,
wenn das Subjekt handeln soll, nicht mehr in seiner
Gewalt sind, die also zwar psychologische Frei-
heit (wenn man ja dieses Wort von einer bloß inneren
Verkettung der Vorstellungen der Seele brauchen
will), aber doch Naturnotwendigkeit bei sich führen,
mithin keine transzendentale Freiheit übrig lassen,
welche als Unabhängigkeit von allem Empirischen
und also von der Natur überhaupt gedacht werden
muß, sie mag nun Gegenstand des inneren Sinnes,
bloß in der Zeit, oder auch äußeren Sinne, im Raume
und der Zeit zugleich betrachtet werden, ohne welche
Freiheit (in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die
allein a priori praktisch ist, kein moralisch Gesetz,
keine Zurechnung nach demselben, möglich ist.
Eben um deswillen kann man auch alle Notwendigkeit der
Begebenheiten in der Zeit, nach dem Naturgesetze der
Kausalität, den Mechanismus der Natur nennen, ob
man gleich darunter nicht versteht, daß Dinge, die
ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschi-
nen sein müßten. Hier wird nur auf die Notwendigkeit
der Verknüpfung der Begebenheiten in einer Zeit-
reihe, so wie sie sich nach dem Naturgesetze ent-
wickelt, gesehen, man mag nun das Subjekt, in wel-
chem dieser Ablauf geschieht, automaton materiale,
da das Maschinenwesen durch Materie, oder mit
Leibnizen spirituale, da es durch Vorstellungen be-
trieben wird, nennen, und wenn die Freiheit unseres
Willens keine andere als die letztere (etwa die psycho-
logische und komparative, nicht transzendentale, d.i.
absolute zugleich) wäre, so würde sie im Grunde
nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders
sein, der auch, wenn er einmal aufgezogen worden,
von selbst seine Bewegungen verrichtet."
Friedhelm: Hierin ist Kant eigentlich so aktuell wie noch nie. In allen Medien wird gegenwärtig über das Gehirn des Menschen diskutiert und wie sehr wir vom Gehirn in unseren Entscheidungen bereits bestimmt sind, bevor oder gar ohne, dass wir uns dessen bewusst werden. Und Kant scheint hier genau dies zu unterstreichen. Für den „realen“ Menschen in Zeit und Raum gedacht gehören auch psychische Vorgänge zu den kausalen Determinanten wie auch jede mechanische Kausalität.
Wie kann es also Freiheit geben? Wieso kann man einen Menschen dennoch für sein Tun verantwortlich machen? Wieso ist der Mensch für sein Tun dennoch verantwortlich?
Kant: „Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen
Naturmechanismus und Freiheit in ein und derselben
Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß
man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen
Vernunft gesagt war, oder daraus folgt: daß die Na-
turnotwendigkeit, welche mit der Freiheit des Sub-
jekts nicht zusammen bestehen kann, bloß den Be-
stimmungen desjenigen Dinges anhängt, das unter
Zeitbedingungen steht, folglich nur dem des handeln-
den Subjekts als Erscheinung, daß also so fern die
Bestimmungsgründe einer jeden Handlung desselben
in demjenigen liegen, was zur vergangenen Zeit ge-
hört, und nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch
seine schon begangene Taten, und der ihm dadurch
bestimmbare Charakter in seinen eigenen Augen, als
Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendas-
selbe Subjekt, das sich anderseits auch seiner, als
Dinges an sich selbst, bewußt ist, betrachtet auch sein
Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht,
sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze,
die es sich durch Vernunft selbst gibt, und in diesem
seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend vor seiner
Willensbestimmung, sondern jede Handlung, und
überhaupt jede dem innern Sinne gemäß wechselnde
Bestimmung seines Daseins, selbst die ganze Reihen-
folge seiner Existenz, als Sinnenwesen, ist im Be-
wußtsein seiner intelligibelen Existenz nichts als
Folge, niemals aber als Bestimmungsgrund seiner
Kausalität, als Noumens, anzusehen. In diesem Be-
tracht nun kann das vernünftige Wesen, von einer
jeden gesetzwidrigen Handlung, die es verübt, ob sie
gleich, als Erscheinung, in dem Vergangenen hinrei-
chend bestimmt, und so fern unausbleiblich notwen-
dig ist, mit Recht sagen, daß er sie hätte unterlassen
können; denn sie, mit allem Vergangenen, das sie be-
stimmt, gehört zu einem einzigen Phänomen seines
Charakters, den er sich selbst verschafft, und nach
welchem er sich, als einer von aller Sinnlichkeit
unabhängigen Ursache, die Kausalität jener Erschei-
nungen selbst zurechnet.
Hiemit stimmen auch die Richteraussprüche
desjenigen wundersamen Vermögens in uns, welches
wir Gewissen nennen, vollkommen überein.“
Friedhelm: Kant greift bei dieser Auflösung des Konflikts zurück auf seine „Kritik der reinen Vernunft“, in der er unterscheidet zwischen dem Noumena außerhalb von Zeit und Raum einerseits und der Darstellung oder Vorstellung des Menschen in der Zeit, wobei letzteres ein Konstrukt, ein Artefakt unserer Erkenntnis ist. Zu diesem Konstrukt gehört nach Kant sowohl Zeit und Raum wie auch die Kausalität.
Kant behauptet nun, dass die Reflektion des Menschen auf sich selbst an sich, auf sein transzendentes Noumens, bei der Gewissensentscheidung eben außerhalb der Zeit liege und damit auch außerhalb der Kausalität und ihrer Determinanten und deswegen zurecht als frei und verantwortlich bezeichnet werden kann.
In der modernen Theologie, z.B. bei Ulrich Barth, finden sich Hinweise auf Versuche, nach Kant dieses transzendente Ansichsein des Menschen sogar als Ort der Seele oder als die Seele selbst aufzufassen.
Schönen Gruß
Friedhelm Schulz