Immanuel Kant: Das Problem der Willensfreiheit

Hallo zusammen!

Ich sollte für die Schule den Kant Text „Das Problem der Willensfreiheit“
analysieren, gliedern und Zusammenfassen. Dann die Grundthesen ausarbeiten, sowie deren Begründung und Konsequenzen und am Schluss sollte ich noch die Annahmen die Kant zur begründung der Thesen einsetzt kritisieren und allenfals eine eigene These mit begründung ausarbeiten.

Ich wäre froh wenn ihr mir ein wenig helfen könntet.

Also meiner ansicht nach gliedert sich der Text in 2 Hauptteile d.h 2 abschnitte wobei der erste Teil nochmals unterteilt ist. Ganz zu Beginn des Textes Stellt Kant die Frage wie man frei sein kann und doch nicht frei ist. Im 2. Teil im 1. Abschnitt belegt Kant diese Frage mit einer aus seiner Sicht falschen These und im 2. Abschnitt stellt er seine vor.

Nun kommt bei mir das erste grosse Fragezeichen. Denn ich verstehe nicht wirklich was er mit der ersten These meint. (die aus seiner sicht falsche)

Meint er damit einfach, dass Freiheit unmöglich ist wenn man nur die Erscheinung eines Subjekts anschaut, da sie den Naturgesetzen unterliegt?

Seine These ist für mich wieder klar, ich möchte sie aber doch schnell formulieren. Die Erscheinungen der Dinge sind nicht Frei, da sie in Zeit und Raum den Naturgesetzen d.h der kausalität unterliegen. Betrachtet man aber die Subjekte an sich sind sie frei.

Nun kommt aber mein eigentliches Problem. Ich sollte die These kritisieren. Mir fällt aber beim besten willen keinen Kritikpunkt ein, ausser, dem offensichtlichsten. Wir bekommen ja von den Dingen an sich rohmaterialien d.h sinneseindrücke geliefert, die wir dann in raum und zeit als erscheinungen sehen. Besteht zwischen dem was wir sehen, den sinneseindrücken und den D.A.S kein kausaler Zusammenhang? Wenn es sinneseindrücke gibt, dann muss es als ursache die D.A.S geben.

Ich wäre wie gesagt froh wenn Ihr mir ein wenig helfen könntet und vielleicht noch weitere Kritikpunkte Kants geben würdet und falls ich falsch liege mich auch kritisieren würdet!

Danke schon im Voraus

Patrick

Hallo Patrick,

„Das Problem der Willensfreiheit“ ist, wenn ich das richtig sehe, ein Schulbuch-Arbeitstitel und keine Original-Überschrift eines Kant-Textes.
Du müsstest also, damit man zielgerichtet darauf eingehen kann, die genaue Textstelle bei Kant benennen oder die Thesen hier zitieren.

Grüße
oranier

hallo oranier

Es ist ein ausschnitt aus der Kriti der praktischen Vernunft. Der Textabschnit der uns zur Verfügung steht, ist im Teil „Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft“ Aber das zu erklären ist es zu schwierig, aber ich zitiere den Text mal.

"[…]Wenn ich von einem Menschen, der einen Diebstahl verübt, sage, diese That sei nach dem Naturgesetze der Causalität aus den Bestimmungsgründen der vorhergehenden Zeit ein nothwendiger Erfolg, so war es unmöglich, daß sie hat unterbleiben können : wie kann denn die Beurtheilung nach dem moralischen Gesetze hierin eine Änderung machen und voraussetzen, daß sie doch habe unterlassen werden können, weil das Gesetz sagt, sie hätte unterlassen werden sollen, d.i. wie kann derjenige in demselben Zeitpunkte in Absicht auf dieselbe Handlung ganz frei heißen, in welchem, und in derselben Absicht, er doch unter einer unvermeidlichen Naturnothwendigkeit steht ? Eine Ausflucht darin suchen, daß man blos die Art der Bestimmungsgründe seiner Causalität nach dem Naturgesetze einem comparativen Begriffe von Freiheit anpaßt (nach welchem das bisweilen freie Wirkung heißt, davon der bestimmende Naturgrund innerlich im wirkenden Wesen liegt, z.B. das was ein geworfener Körper verrichtet, wenn er in freier Bewegung ist, da man das Wort Freiheit braucht, weil er, während daß er im Fluge ist, nicht von außen wodurch getrieben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch eine freie Bewegung nennen, weil sie ihren Zeiger selbst treibt, der also nicht äußerlich geschoben werden darf, eben so die Handlungen des Menschen, ob sie gleich durch ihre Bestimmungsgründe, die in der Zeit vorhergehen, nothwendig sind, dennoch frei nennen, weil es doch innere, durch unsere eigene Kräfte hervorgebrachte Vorstellungen, dadurch nach veranlassenden Umständen erzeugte Begierden und mithin nach unserem eigenen Belieben bewirkte Handlungen sind), ist ein elender Behelf, womit sich noch immer einige hinhalten lassen und so jenes schwere Problem mit einer kleinen Wortklauberei aufgelöset zu haben meinen, an dessen Auflösung Jahrtausende vergeblich gearbeitet haben, die daher wohl schwerlich so ganz auf der Oberfläche gefunden werden dürfte. Es kommt nämlich bei der Frage nach derjenigen Freiheit, die allen moralischen Gesetzen und der ihnen gemäßen Zurechnung zum Grunde gelegt werden muß, darauf gar nicht an, ob die nach einem Naturgesetze bestimmte Causalität durch Bestimmungsgründe, die im Subjecte, oder außer ihm liegen, und im ersteren Fall, ob sie durch Instinct oder mit Vernunft gedachte Bestimmungsgründe nothwendig sei ; wenn diese bestimmende Vorstellungen nach dem Geständnisse eben dieser Männer selbst den Grund ihrer Existenz doch in der Zeit und zwar dem vorigen Zustande haben, dieser aber wieder in einem vorhergehenden etc., so mögen sie, diese Bestimmungen, immer innerlich sein, sie mögen psychologische und nicht mechanische Causalität haben, d.i. durch Vorstellungen und nicht durch körperliche Bewegung Handlung hervorbringen, so sind es immer Bestimmungsgründe der Causalität eines Wesens, so fern sein Dasein in der Zeit bestimmbar ist, mithin unter nothwendig machenden Bedingungen der vergangenen Zeit, die also, wenn das Subject handeln soll, nicht mehr in seiner Gewalt sind, die also zwar psychologische Freiheit (wenn man ja dieses Wort von einer blos inneren Verkettung der Vorstellungen der Seele brauchen will), aber doch Naturnothwendigkeit bei sich führen, mithin keine transscendentale Freiheit übrig lassen, welche als Unabhängigkeit von allem Empirischen und also von der Natur überhaupt gedacht werden muß, sie mag nun als Gegenstand des inneren Sinnes blos in der Zeit, oder auch äußeren Sinne im Raume und der Zeit zugleich betrachtet werden, ohne welche Freiheit (in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die allein a priori praktisch ist, kein moralisch Gesetz, keine Zurechnung nach demselben möglich ist. Eben um deswillen kann man auch alle Nothwendigkeit der Begebenheiten in der Zeit nach dem Naturgesetze der Causalität den Mechanismus der Natur nennen, ob man gleich darunter nicht versteht, daß Dinge, die ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschinen sein müßten. Hier wird nur auf die Nothwendigkeit der Verknüpfung der Begebenheiten in einer Zeitreihe, so wie sie sich nach dem Naturgesetze entwickelt, gesehen, man mag nun das Subject, in welchem dieser Ablauf geschieht, Automaton materiale, da das Maschinenwesen durch Materie, oder mit Leibnizen spirituale, da es durch Vorstellungen betrieben wird, nennen, und wenn die Freiheit unseres Willens keine andere als die letztere (etwa die psychologische und comparative, nicht transscendentale, d.i. absolute, zugleich) wäre, so würde sie im Grunde nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders sein, der auch, wenn er einmal aufgezogen worden, von selbst seine Bewegungen verrichtet.

Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen Naturmechanismus und Freiheit in ein und derselben Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen Vernunft gesagt war oder daraus folgt : daß die Naturnothwendigkeit, welche mit der Freiheit des Subjects nicht zusammen bestehen kann, blos den Bestimmungen desjenigen Dinges anhängt, das unter Zeitbedingungen steht, folglich nur denen des handelnden Subjects als Erscheinung, daß also so fern die Bestimmungsgründe einer jeden Handlung desselben in demjenigen liegen, was zur vergangenen Zeit gehört und nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch seine schon begangene Thaten und der ihm dadurch bestimmbare Charakter in seinen eigenen Augen, als Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendasselbe Subject, das sich anderseits auch seiner als Dinges an sich selbst bewußt ist, betrachtet auch sein Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht, sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze, die es sich durch Vernunft selbst giebt, und in diesem seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend vor seiner Willensbestimmung, sondern jede Handlung und überhaupt jede dem innern Sinne gemäß wechselnde Bestimmung seines Daseins, selbst die ganze Reihenfolge seiner Existenz als Sinnenwesen ist im Bewußtsein seiner intelligibelen Existenz nichts als Folge, niemals aber als Bestimmungsgrund seiner Causalität, als Noumens, anzusehen. In diesem Betracht nun kann das vernünftige Wesen von einer jeden gesetzwidrigen Handlung, die es verübt, ob sie gleich als Erscheinung in dem Vergangenen hinreichend bestimmt und so fern unausbleiblich nothwendig ist, mit Recht sagen, daß er sie hätte unterlassen können ; denn sie mit allem Vergangenen, das sie bestimmt, gehört zu einem einzigen Phänomen seines Charakters, den er sich selbst verschafft, und nach welchem er sich als einer von aller Sinnlichkeit unabhängigen Ursache die Causalität jener Erscheinungen selbst zurechnet.

Hiemit stimmen auch die Richteraussprüche desjenigen wundersamen Vermögens in uns, welches wir Gewissen nennen, vollkommen überein.[…]

gruss patrick

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Patrick

Zunächst würde ich sagen, daß der Text für einen Schüler deines Alters viel zu schwierig ist.

Ich hab mir spaßeshalber mal die Mühe gemacht, den Text durchzulesen und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß Kant erstens eine freie Willenshandlung in Frage stellt, dann zweitens auch die allgemeinen Begründungen einer mechanischen Willenshandlung, als Entschuldigung gegen unmoralischen Verhaltens, und drittens eine Zusammenfassung gibt, wo er diesen Widerspurch dadurch aufhebt, indem er eine freie Willensentscheidung nachweist (wodurch ist mir allerdings beim spontanen Lesen nicht ganz klar geworden).

Zumindest könnte man den Text in diese drei Thesen unterteilen und behandeln.

…immerhin, mal was anderes als Kreuzworträtsel :smile:

gruß
rolf

Hallo Patrick,

ich gebs zu: ich hab im Moment keinen Bock auf Kant, aber da Dir sonst keiner hilft, ein paar Worte:

Also meiner ansicht nach gliedert sich der Text in 2
Hauptteile d.h 2 abschnitte wobei der erste Teil nochmals
unterteilt ist.

Richtig

Ganz zu Beginn des Textes Stellt Kant die
Frage wie man frei sein kann und doch nicht frei ist.

Präziser vielleicht: wie man die Freiheit einer Handlung denken kann, obwohl sich analytisch für diese Handlung immer Bestimmungsgründe finden lassen, die Handlung damit notwendig unfrei zu sein müssen scheint.

Im 2.
Teil im 1. Abschnitt belegt Kant diese Frage mit einer aus
seiner Sicht falschen These und im 2. Abschnitt stellt er
seine vor.

Nun kommt bei mir das erste grosse Fragezeichen. Denn ich
verstehe nicht wirklich was er mit der ersten These meint.
(die aus seiner sicht falsche)

er nennt in dem Abschnitt ja Leibniz (auf Spinoza würde es genauso zutreffen): das Grundlegende dieser Position ist das, dass man Freiheit sich danach so vorstellen kann, dass Freiheit gegeben ist, wenn alle äußeren Bestimmgründe weggefallen sind, wenn also die Bestimmung nur noch „innerlich“ gegeben ist;

Kant bringt als Beispiel dafür ja den Bratenwender: ist er einmal UNFREI von „außen“ aufgezogen, „programmiert“ worden, dann ist sein Handeln des Bratenwendens völlig FREI, weil er dafür rein aus „innerem“ Antrieb handelt, nicht durch „äußere“ Bestimmgründe veranlasst wird, also z.B. nicht mit einer Kurbel betrieben wird, oder mit einem Elektromotor, oder einem Wassermühlen-Esel.

Spinozas Definition dafür: „Dasjenige Ding heißt frei, das allein aus der Notwendigkeit seiner Natur heraus existiert und allein von sich her zum Handeln bestimmt wird“ (Ethik I, Lehrsatz 7)

Diesen Freiheitsbegriff lehnt Kant ab, weil er ihm zu mechanistisch, automatenhaft ist, wie er im letzten Satz dieser Ablehnung schreibt, nicht zwischen der Freiheit des Menschen und der Freiheit eines Bratenwenders differenzieren könne.

Meint er damit einfach, dass Freiheit unmöglich ist wenn man
nur die Erscheinung eines Subjekts anschaut, da sie den
Naturgesetzen unterliegt?

Ja, die Freiheits-Konzeption, die Kant vorschwebt, ist unmöglich dadurch gewinnbar, dass man in der Erscheinungs-Sphäre verbleibt.

Seine These ist für mich wieder klar, ich möchte sie aber doch
schnell formulieren. Die Erscheinungen der Dinge sind nicht
Frei, da sie in Zeit und Raum den Naturgesetzen d.h der
kausalität unterliegen. Betrachtet man aber die Subjekte an
sich sind sie frei.

Ist für Deine Zwecke sicher ausreichend

Nun kommt aber mein eigentliches Problem. Ich sollte die These
kritisieren. Mir fällt aber beim besten willen keinen
Kritikpunkt ein, ausser, dem offensichtlichsten. Wir bekommen
ja von den Dingen an sich rohmaterialien d.h sinneseindrücke
geliefert, die wir dann in raum und zeit als erscheinungen
sehen. Besteht zwischen dem was wir sehen, den
sinneseindrücken und den D.A.S kein kausaler Zusammenhang?

Nein, es besteht kein kausaler Zusammenhang, weil Kausalität ja nur der Erscheinungswelt zu Grunde liegt.

Aber klar: die Art des Zusammenhangs zwischen Ding an sich und Erscheinung ist natürlich der richtige Ort, an dem Kritik ansetzen kann.

Ein anderer Kritikpunkt wäre, dass Kant die Vernunft starr dualisiert in eine theoretische und in eine praktische Vernunft; damit die starre Dualisierung von Immanenz (Empirie) und Transzendenz.

Man könnte auch von der abgelehnten Position Leibniz’ und Spinozas gegen Kant geltend machen, dass er eben den Menschen gerade nicht als Automaten begreift, sondern damit den Menschen zum Zentrum der Welt macht, anthropozentristisch vorgeht; was ja dann auch gemacht wurde.

Wenn es sinneseindrücke gibt, dann muss es als ursache die
D.A.S geben.

Nein, das ist ein Missverständnis (mit dem ja auch Kant selbst schon zu kämpfen hatte); Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gibt es nur im Bereich der Erscheinungen, ja sie sind (neben anderen Formen und Kategorien) die Konstituentien der Erscheinungen;

es kann aber der Zusammenhang „Ding an sich“ und „Erscheinung“ nicht mit einer Kategorie gedacht werden, die selbst der Erscheinung zu Grunde liegt, also mit Kausalität, weil man dann nicht das Ding an sich denken würde, sondern das Ding-an-sich-für-die-Erscheinung bzw. das „Ding an sich“, so wie es die Erscheinung sieht;

ein solches „Ding-an-sich-für-die-Erscheinung“ kann dann aber kein Ding an sich sein, da es sonst nicht „an sich“ wäre.

Ich wäre wie gesagt froh wenn Ihr mir ein wenig helfen könntet
und vielleicht noch weitere Kritikpunkte Kants geben würdet
und falls ich falsch liege mich auch kritisieren würdet!

Ich hoffe ich konnte Dir ein bißchen helfen, nimm aber meine Antwort nicht zu ernst, sie ist ziemlich aus dem Ärmel geschüttelt.

Übrigens ein Lektüre-Tipp: In Anhang zu Kants „Streit der Fakultäten“ hat Kant einen Extrakt aus einer Dissertation über seine Philosophie abgedruckt;

da kannst Du leicht verständlich und auf ganz wenigen Seiten eine „Leseanleitung“ für Dein Problem finden; ich denke, das ist eine sinnvolle Empfehlung für Dich, zumal für ein paar Euronen erhältlich:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3895080756/qid…

Viele Grüße
franz

Hallo Thorshammer,

Zunächst würde ich sagen, daß der Text für einen Schüler
deines Alters viel zu schwierig ist.

Da hast Du recht; es geht aber gar nicht so ums Alter, sondern um die philosophische Vorbildung; wenn man das, was Kant implizit und explizit ablehnt, nicht kennt, wie könnte man dann das richtig verstehen, was er dann selbst macht?

Ich hab mir spaßeshalber mal die Mühe gemacht, den Text
durchzulesen und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß Kant
erstens eine freie Willenshandlung in Frage stellt

Nein, er geht von der Infragestellung aus, und zeigt dann, wie die Freiheit zu denken ist, dass sie nicht mehr so leicht in Frage gestellt werden kann.

dann zweitens auch die allgemeinen Begründungen einer
mechanischen Willenshandlung, als Entschuldigung gegen
unmoralischen Verhaltens,

es geht beim Problem der Freiheit nicht (nur) um Moral; von daher geht es dem „mechanizistischen Ansatz“ nicht um die Suche nach Entschuldigungen für unmoralisches Handlen.

und drittens eine
Zusammenfassung gibt, wo er diesen Widerspurch

hier gibt es keinen Widerspruch

dadurch
aufhebt, indem er eine freie Willensentscheidung nachweist

er weist erst mal nichts nach, sondern zeigt, wie man Freiheit trotz dieser Bestimmungsgrund-Analyse denken kann, ohne damit zu einer „Bratenwender“-Freiheit zu kommen, die er ablehnt.

(wodurch ist mir allerdings beim spontanen Lesen nicht ganz
klar geworden).

Dir sei auch einmal zur zeitsparenden Lektüre der angegebene Text empfohlen; er ist lesenswert, weil er leicht ist, und da Dich ja wahrscheinlich ein Schopenhauer interessieren dürfte, könnte sich so ein Einstieg in Kant für Dich als ganz nützlich erweisen.

…immerhin, mal was anderes als Kreuzworträtsel :smile:

ehrlich gesagt: Mir wäre es lieber, die Schüler würden kreuzworträtseln statt Kant lesen

Viele Grüße
franz

1 Like

Hallo Franz,

ich gebs zu: ich hab im Moment keinen Bock auf Kant,

Aber du bist ja schließlich nicht zum Vergnügen hier!

aber da
Dir sonst keiner hilft, ein paar Worte:

Da ich mich schon gemeldet hatte, hätte ich mich auch dazu verpflichtet gefühlt. Ich kam jedoch nicht eher dazu, und du steckst auch deutlich besser in der Materie als ich. Dank also auch von meiner Seite.
Viele Grüße
oranier

Hallo zusammen!

Ich sollte für die Schule den Kant Text „Das Problem der
Willensfreiheit“
analysieren, gliedern und Zusammenfassen. Dann die Grundthesen
ausarbeiten, sowie deren Begründung und Konsequenzen und am
Schluss sollte ich noch die Annahmen die Kant zur begründung
der Thesen einsetzt kritisieren und allenfals eine eigene
These mit begründung ausarbeiten.

Ich wäre froh wenn ihr mir ein wenig helfen könntet.

Hallo Pat,
Der richtige Mann für Dein Problem ist sicher WOLF SINGER. Seine Arbeiten sind in Taschenbuch-Format zu haben !
Gruss: hardy

Hallo Zusammen

Vielen Dank für die antworten!! Am liebsten würde ich ja auch kreuzworträtseln, aber philosophie gehört leider zu den Fächern die man am Gymnasium besuchen muss… obwohl ich sagen muss, dass zum glück nicht alle Philosophen so „verständlich“ schreiben wie Kant!

grüsse

Patrick

P.S.

Ein anderer Kritikpunkt wäre, dass Kant die Vernunft starr
dualisiert in eine theoretische und in eine praktische
Vernunft; damit die starre Dualisierung von Immanenz (Empirie)
und Transzendenz.

Ich wäre aber noch froh wenn mir jemand diesen abschnitt erklären könnte :wink: Vor allem den Satz "damit die starre Dualisierung von Immanenz (Empirie)

und Transzendenz."

Hallo Patrick

Was mir noch aufgefallen ist, daß sich einige Fehler in den Text eingeschlichen haben. Vermutlich hast Du den Text gescannt. Scansoftware (OCR) bringt schon mal die Wörter durcheinander. Der Text wird dadurch an manchen Stellen sehr unverständlich. Ich würde dir also empfehlen, diesen nochmal zu prüfen.

gruß
rolf

Hallo rolf!

nee habe ihn nicht eingescant, habe den einfachsten weg genommen und den text von einer internetsite Kopiert. Ich habe nicht mit exakt diesem text gearbeitet und ihn ehrlich gesagt auch nicht durchgelesen… aber habe gedacht es sei der richtige, da ich ihn kurz überflogen habe.

gruss patrick

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hi!

Ich denke, dass ich die Stelle fehlerfrei gefunden habe. Die Textstelle gefällt mir außerdem wirklich gut.

Wenn ich von einem Menschen, der einen Dieb-
stahl verübt, sage: diese Tat sei nach dem Naturgeset-
ze der Kausalität aus den Bestimmungsgründen der
vorhergehenden Zeit ein notwendiger Erfolg, so war
es unmöglich, daß sie hat unterbleiben können; wie
kann denn die Beurteilung nach dem moralischen Ge-
setze hierin eine Änderung machen, und voraussetzen,
daß sie doch habe unterlassen werden können, weil
das Gesetz sagt, sie hätte unterlassen werden sollen,
d.i. wie kann derjenige, in demselben Zeitpunkte, in
Absicht auf dieselbe Handlung, ganz frei heißen, in
welchem, und in derselben Absicht, er doch unter
einer unvermeidlichen Naturnotwendigkeit steht? Eine
Ausflucht darin suchen, daß man bloß die Art der Be-
stimmungsgründe seiner Kausalität nach dem Natur-
gesetze einem komparativen Begriffe von Freiheit an-
paßt (nach welchem das bisweilen freie Wirkung
heißt, davon der bestimmende Naturgrund innerlich
im wirkenden Wesen liegt, z.B. das, was ein geworfe-
ner Körper verrichtet, wenn er in freier Bewegung ist,
da man das Wort Freiheit braucht, weil er, während
daß er im Fluge ist, nicht von außen wodurch getrie-
ben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch
eine freie Bewegung nennen, weil sie ihren Zeiger
selbst treibt, der also nicht äußerlich geschoben wer-
den darf, eben so die Handlungen des Menschen, ob
sie gleich, durch ihre Bestimmungsgründe, die in der
Zeit vorhergehen, notwendig sind, dennoch frei nen-
nen, weil es doch innere durch unsere eigene Kräfte
hervorgebrachte Vorstellungen, dadurch nach veran-
lassenden Umständen erzeugte Begierden und mithin
nach unserem eigenen Belieben bewirkte Handlungen
sind), ist ein elender Behelf, womit sich noch immer
einige hinhalten lassen, und so jenes schwere Problem
mit einer kleinen Wortklauberei aufgelöset zu haben
meinen, an dessen Auflösung Jahrtausende vergeblich
gearbeitet haben, die daher wohl schwerlich so ganz
auf der Oberfläche gefunden werden dürfte. Es kommt
nämlich bei der Frage nach derjenigen Freiheit, die
allen moralischen Gesetzen und der ihnen gemäßen
Zurechnung zum Grunde gelegt werden muß, darauf
gar nicht an, ob die nach einem Naturgesetze be-
stimmte Kausalität durch Bestimmungsgründe, die im
Subjekte, oder außer ihm liegen, und im ersteren Fall,
ob sie durch Instinkt oder mit Vernunft gedachte Be-
stimmungsgründe notwendig sei; wenn diese bestim-
mende Vorstellungen, nach dem Geständnisse eben
dieser Männer selbst, den Grund ihrer Existenz doch
in der Zeit und zwar dem vorigen Zustande haben,
dieser aber wieder in einem vorhergehenden etc., so
mögen sie, diese Bestimmungen, immer innerlich
sein, sie mögen psychologische und nicht mechani-
sche Kausalität haben, d.i. durch Vorstellungen, und
nicht durch körperliche Bewegung, Handlung hervor-
bringen, so sind es immer Bestimmungsgründe der
Kausalität eines Wesens, so fern sein Dasein in der
Zeit bestimmbar ist, mithin unter notwendig machen-
den Bedingungen der vergangenen Zeit, die also,
wenn das Subjekt handeln soll, nicht mehr in seiner
Gewalt sind, die also zwar psychologische Frei-
heit(wenn man ja dieses Wort von einer bloß inneren
Verkettung der Vorstellungen der Seele brauchen
will), aber doch Naturnotwendigkeit bei sich führen,
mithin keine transzendentale Freiheit übrig lassen,
welche als Unabhängigkeit von allem Empirischen
und also von der Natur überhaupt gedacht werden
muß, sie mag nun Gegenstand des inneren Sinnes,
bloß in der Zeit, oder auch äußeren Sinne, im Raume
und der Zeit zugleich betrachtet werden, ohne welche
Freiheit (in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die
allein a priori praktisch ist, kein moralisch Gesetz,
keine Zurechnung nach demselben, möglich ist. Eben
um deswillen kann man auch alle Notwendigkeit der
Begebenheiten in der Zeit, nach dem Naturgesetze der
Kausalität, den Mechanismus der Natur nennen, ob
man gleich darunter nicht versteht, daß Dinge, die
ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschi-
nen sein müßten. Hier wird nur auf die Notwendigkeit
der Verknüpfung der Begebenheiten in einer Zeit-
reihe, so wie sie sich nach dem Naturgesetze ent-
wickelt, gesehen, man mag nun das Subjekt, in wel-
chem dieser Ablauf geschieht, automaton materiale,
da das Maschinenwesen durch Materie, oder mit
Leibnizen spirituale, da es durch Vorstellungen be-
trieben wird, nennen, und wenn die Freiheit unseres
Willens keine andere als die letztere (etwa die psycho-
logische und komparative, nicht transzendentale, d.i.
absolute zugleich) wäre, so würde sie im Grunde
nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders
sein, der auch, wenn er einmal aufgezogen worden,
von selbst seine Bewegungen verrichtet.
Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen
Naturmechanismus und Freiheit in ein und derselben
Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß
man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen
Vernunft gesagt war, oder daraus folgt: daß die Na-
turnotwendigkeit, welche mit der Freiheit des Sub-
jekts nicht zusammen bestehen kann, bloß den Be-
stimmungen desjenigen Dinges anhängt, das unter
Zeitbedingungen steht, folglich nur dem des handeln-
den Subjekts als Erscheinung, daß also so fern die
Bestimmungsgründe einer jeden Handlung desselben
in demjenigen liegen, was zur vergangenen Zeit ge-
hört, und nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch
seine schon begangene Taten, und der ihm dadurch
bestimmbare Charakter in seinen eigenen Augen, als
Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendas-
selbe Subjekt, das sich anderseits auch seiner, als
Dinges an sich selbst, bewußt ist, betrachtet auch sein
Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht,
sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze,
die es sich durch Vernunft selbst gibt, und in diesem
seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend vor seiner
Willensbestimmung, sondern jede Handlung, und
überhaupt jede dem innern Sinne gemäß wechselnde
Bestimmung seines Daseins, selbst die ganze Reihen-
folge seiner Existenz, als Sinnenwesen, ist im Be-
wußtsein seiner intelligibelen Existenz nichts als
Folge, niemals aber als Bestimmungsgrund seiner
Kausalität, als Noumens, anzusehen. In diesem Be-
tracht nun kann das vernünftige Wesen, von einer
jeden gesetzwidrigen Handlung, die es verübt, ob sie
gleich, als Erscheinung, in dem Vergangenen hinrei-
chend bestimmt, und so fern unausbleiblich notwen-
dig ist, mit Recht sagen, daß er sie hätte unterlassen
können; denn sie, mit allem Vergangenen, das sie be-
stimmt, gehört zu einem einzigen Phänomen seines
Charakters, den er sich selbst verschafft, und nach
welchem er sich, als einer von aller Sinnlichkeit
unabhängigen Ursache, die Kausalität jener Erschei-
nungen selbst zurechnet.
Hiemit stimmen auch die Richteraussprüche
desjenigen wundersamen Vermögens in uns, welches
wir Gewissen nennen, vollkommen überein.
[Kant: Kritik der praktischen Vernunft, S. 177. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 25484 (vgl. Kant-W Bd. 7, S. 223)]

na dann, frohes schaffen !!!

Der Schaffende

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Tja, das ist besser. Bloß gelingt es mir nur bis zum halben Satz vorzudringen, dann versinkt alles in einem schwummeligen Gemurmel :smile:

…vielleicht schaff ich es ja noch mal.

gruß

^Die Antinomie der praktischen Vernunft

Hallo Thorshammer,

Zunächst würde ich sagen, daß der Text für einen Schüler
deines Alters viel zu schwierig ist.

Friedhelm: Widerspruch; es kann nicht schaden, wenn man als Deutscher auch einen Satz mit Nebensatz noch verstehen kann. Es ist eine Frage der Übung.

Da hast Du recht; es geht aber gar nicht so ums Alter, sondern
um die philosophische Vorbildung; wenn man das, was
Kant implizit und explizit ablehnt, nicht kennt, wie könnte
man dann das richtig verstehen, was er dann selbst macht?

Ich hab mir spaßeshalber mal die Mühe gemacht, den Text
durchzulesen und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß Kant
erstens eine freie Willenshandlung in Frage stellt

Friedhelm: Das macht er eben nicht. Er führt nur die Argumentation vor, die dagegen zu sprechen scheint.

Nein, er geht von der Infragestellung aus, und zeigt dann, wie
die Freiheit zu denken ist, dass sie nicht mehr so leicht in
Frage gestellt werden kann.

dann zweitens auch die allgemeinen Begründungen einer
mechanischen Willenshandlung, als Entschuldigung gegen
unmoralischen Verhaltens,

es geht beim Problem der Freiheit nicht (nur) um Moral; von
daher geht es dem „mechanizistischen Ansatz“ nicht um die
Suche nach Entschuldigungen für unmoralisches Handlen.

und drittens eine
Zusammenfassung gibt, wo er diesen Widerspurch

hier gibt es keinen Widerspruch

dadurch
aufhebt, indem er eine freie Willensentscheidung nachweist

er weist erst mal nichts nach, sondern zeigt, wie man Freiheit
trotz dieser Bestimmungsgrund-Analyse denken kann, ohne damit
zu einer „Bratenwender“-Freiheit zu kommen, die er ablehnt.

(wodurch ist mir allerdings beim spontanen Lesen nicht ganz
klar geworden).

Friedhelm: Der Mensch als Körper, als Ding, eben als Anschauung wird durch die Kategorien notwendig auch der Kausalität unterstellt.[Der Relation: der Inhärenz und Subsistenz, (substantia et accidens), der Kausalität und Dependenz, (Ursache und Wirkung), der Gemeinschaft (Wechselwirkung -zwischen dem Handelnden und Leidenden).]
Das Ansichsein, das Noumena, das nicht erkennbare wirkliche Sein des Menschen aber unterliegt dieser Kausalität eben nicht. Damit besteht auch kein Widerspruch zwischen Kausalität und Freiheit.
Die Möglichkeit der freien Willensentscheidung ist damit allerdings weder bestritten noch bewiesen.

Dir sei auch einmal zur zeitsparenden Lektüre der angegebene
Text empfohlen; er ist lesenswert, weil er leicht ist, und da
Dich ja wahrscheinlich ein Schopenhauer interessieren dürfte,
könnte sich so ein Einstieg in Kant für Dich als ganz nützlich
erweisen.

…immerhin, mal was anderes als Kreuzworträtsel :smile:

ehrlich gesagt: Mir wäre es lieber, die Schüler würden
kreuzworträtseln statt Kant lesen

Friedhelm: ehrlich gesagt, mir wäre lieber, die Schüler in deutschen Schulen könnten auch deutsche Texte lesen! Gruß Friedhelm

Viele Grüße
franz

Hallo zusammen!

Ich sollte für die Schule den Kant Text „Das Problem der
Willensfreiheit“
analysieren, gliedern und Zusammenfassen. Dann die Grundthesen
ausarbeiten, sowie deren Begründung und Konsequenzen und am
Schluss sollte ich noch die Annahmen die Kant zur begründung
der Thesen einsetzt kritisieren und allenfals eine eigene
These mit begründung ausarbeiten.

Kant: „Wenn ich von einem Menschen, der einen Dieb-
stahl verübt, sage: diese Tat sei nach dem Naturgeset-
ze der Kausalität aus den Bestimmungsgründen der
vorhergehenden Zeit ein notwendiger Erfolg, so war
es unmöglich, daß sie hat unterbleiben können; wie
kann denn die Beurteilung nach dem moralischen Ge-
setze hierin eine Änderung machen, und voraussetzen,
daß sie doch habe unterlassen werden können, weil
das Gesetz sagt, sie hätte unterlassen werden sollen,
d.i. wie kann derjenige, in demselben Zeitpunkte, in
Absicht auf dieselbe Handlung, ganz frei heißen, in
welchem, und in derselben Absicht, er doch unter
einer unvermeidlichen Naturnotwendigkeit steht? Eine
Ausflucht darin suchen, daß man bloß die Art der Be-
stimmungsgründe seiner Kausalität nach dem Natur-
gesetze einem komparativen Begriffe von Freiheit an-
paßt (nach welchem das bisweilen freie Wirkung
heißt, davon der bestimmende Naturgrund innerlich
im wirkenden Wesen liegt, z.B. das, was ein geworfe-
ner Körper verrichtet, wenn er in freier Bewegung ist,
da man das Wort Freiheit braucht, weil er, während
daß er im Fluge ist, nicht von außen wodurch getrie-
ben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch
eine freie Bewegung nennen, weil sie ihren Zeiger
selbst treibt, der also nicht äußerlich geschoben wer-
den darf, eben so die Handlungen des Menschen, ob
sie gleich, durch ihre Bestimmungsgründe, die in der
Zeit vorhergehen, notwendig sind, dennoch frei nen-
nen, weil es doch innere durch unsere eigene Kräfte
hervorgebrachte Vorstellungen, dadurch nach veran-
lassenden Umständen erzeugte Begierden und mithin
nach unserem eigenen Belieben bewirkte Handlungen
sind), ist ein elender Behelf, womit sich noch immer
einige hinhalten lassen, und so jenes schwere Problem
mit einer kleinen Wortklauberei aufgelöset zu haben
meinen, an dessen Auflösung Jahrtausende vergeblich
gearbeitet haben, die daher wohl schwerlich so ganz
auf der Oberfläche gefunden werden dürfte.“

Friedhelm: Kant kritisiert die wohl zu seiner Zeit bestehenden Versuche, (nur quasi) autonome Prozesse als freie Geschehen zu bezeichnen, weil sie wie beim Uhrwerk oder beim Bratenwender nach dem Anstoß (dem Urbeweger) frei von weiteren Einflüssen und deswegen frei seien. Er wertet dies in einem Satz als Wortklauberei ab.

Kant: "Es kommt nämlich bei der Frage nach derjenigen Freiheit, die
allen moralischen Gesetzen und der ihnen gemäßen
Zurechnung zum Grunde gelegt werden muß, darauf
gar nicht an, ob die nach einem Naturgesetze be-
stimmte Kausalität durch Bestimmungsgründe, die im
Subjekte, oder außer ihm liegen, und im ersteren Fall,
ob sie durch Instinkt oder mit Vernunft gedachte Be-
stimmungsgründe notwendig sei; wenn diese bestim-
mende Vorstellungen, nach dem Geständnisse eben
dieser Männer selbst, den Grund ihrer Existenz doch
in der Zeit und zwar dem vorigen Zustande haben,
dieser aber wieder in einem vorhergehenden etc., so
mögen sie, diese Bestimmungen, immer innerlich
sein, sie mögen psychologische und nicht mechani-
sche Kausalität haben, d.i. durch Vorstellungen, und
nicht durch körperliche Bewegung, Handlung hervor-
bringen, so sind es immer Bestimmungsgründe der
Kausalität eines Wesens, so fern sein Dasein in der
Zeit bestimmbar ist, mithin unter notwendig machen-
den Bedingungen der vergangenen Zeit, die also,
wenn das Subjekt handeln soll, nicht mehr in seiner
Gewalt sind, die also zwar psychologische Frei-
heit (wenn man ja dieses Wort von einer bloß inneren
Verkettung der Vorstellungen der Seele brauchen
will), aber doch Naturnotwendigkeit bei sich führen,
mithin keine transzendentale Freiheit übrig lassen,
welche als Unabhängigkeit von allem Empirischen
und also von der Natur überhaupt gedacht werden
muß, sie mag nun Gegenstand des inneren Sinnes,
bloß in der Zeit, oder auch äußeren Sinne, im Raume
und der Zeit zugleich betrachtet werden, ohne welche
Freiheit (in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die
allein a priori praktisch ist, kein moralisch Gesetz,
keine Zurechnung nach demselben, möglich ist.

Eben um deswillen kann man auch alle Notwendigkeit der
Begebenheiten in der Zeit, nach dem Naturgesetze der
Kausalität, den Mechanismus der Natur nennen, ob
man gleich darunter nicht versteht, daß Dinge, die
ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschi-
nen sein müßten. Hier wird nur auf die Notwendigkeit
der Verknüpfung der Begebenheiten in einer Zeit-
reihe, so wie sie sich nach dem Naturgesetze ent-
wickelt, gesehen, man mag nun das Subjekt, in wel-
chem dieser Ablauf geschieht, automaton materiale,
da das Maschinenwesen durch Materie, oder mit
Leibnizen spirituale, da es durch Vorstellungen be-
trieben wird, nennen, und wenn die Freiheit unseres
Willens keine andere als die letztere (etwa die psycho-
logische und komparative, nicht transzendentale, d.i.
absolute zugleich) wäre, so würde sie im Grunde
nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders
sein, der auch, wenn er einmal aufgezogen worden,
von selbst seine Bewegungen verrichtet."

Friedhelm: Hierin ist Kant eigentlich so aktuell wie noch nie. In allen Medien wird gegenwärtig über das Gehirn des Menschen diskutiert und wie sehr wir vom Gehirn in unseren Entscheidungen bereits bestimmt sind, bevor oder gar ohne, dass wir uns dessen bewusst werden. Und Kant scheint hier genau dies zu unterstreichen. Für den „realen“ Menschen in Zeit und Raum gedacht gehören auch psychische Vorgänge zu den kausalen Determinanten wie auch jede mechanische Kausalität.
Wie kann es also Freiheit geben? Wieso kann man einen Menschen dennoch für sein Tun verantwortlich machen? Wieso ist der Mensch für sein Tun dennoch verantwortlich?

Kant: „Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen
Naturmechanismus und Freiheit in ein und derselben
Handlung an dem vorgelegten Falle aufzuheben, muß
man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen
Vernunft gesagt war, oder daraus folgt: daß die Na-
turnotwendigkeit, welche mit der Freiheit des Sub-
jekts nicht zusammen bestehen kann, bloß den Be-
stimmungen desjenigen Dinges anhängt, das unter
Zeitbedingungen steht, folglich nur dem des handeln-
den Subjekts als Erscheinung, daß also so fern die
Bestimmungsgründe einer jeden Handlung desselben
in demjenigen liegen, was zur vergangenen Zeit ge-
hört, und nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch
seine schon begangene Taten, und der ihm dadurch
bestimmbare Charakter in seinen eigenen Augen, als
Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendas-
selbe Subjekt, das sich anderseits auch seiner, als
Dinges an sich selbst, bewußt ist, betrachtet auch sein
Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht,
sich selbst aber nur als bestimmbar durch Gesetze,
die es sich durch Vernunft selbst gibt, und in diesem
seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend vor seiner
Willensbestimmung, sondern jede Handlung, und
überhaupt jede dem innern Sinne gemäß wechselnde
Bestimmung seines Daseins, selbst die ganze Reihen-
folge seiner Existenz, als Sinnenwesen, ist im Be-
wußtsein seiner intelligibelen Existenz nichts als
Folge, niemals aber als Bestimmungsgrund seiner
Kausalität, als Noumens, anzusehen. In diesem Be-
tracht nun kann das vernünftige Wesen, von einer
jeden gesetzwidrigen Handlung, die es verübt, ob sie
gleich, als Erscheinung, in dem Vergangenen hinrei-
chend bestimmt, und so fern unausbleiblich notwen-
dig ist, mit Recht sagen, daß er sie hätte unterlassen
können; denn sie, mit allem Vergangenen, das sie be-
stimmt, gehört zu einem einzigen Phänomen seines
Charakters, den er sich selbst verschafft, und nach
welchem er sich, als einer von aller Sinnlichkeit
unabhängigen Ursache, die Kausalität jener Erschei-
nungen selbst zurechnet.
Hiemit stimmen auch die Richteraussprüche
desjenigen wundersamen Vermögens in uns, welches
wir Gewissen nennen, vollkommen überein.“

Friedhelm: Kant greift bei dieser Auflösung des Konflikts zurück auf seine „Kritik der reinen Vernunft“, in der er unterscheidet zwischen dem Noumena außerhalb von Zeit und Raum einerseits und der Darstellung oder Vorstellung des Menschen in der Zeit, wobei letzteres ein Konstrukt, ein Artefakt unserer Erkenntnis ist. Zu diesem Konstrukt gehört nach Kant sowohl Zeit und Raum wie auch die Kausalität.
Kant behauptet nun, dass die Reflektion des Menschen auf sich selbst an sich, auf sein transzendentes Noumens, bei der Gewissensentscheidung eben außerhalb der Zeit liege und damit auch außerhalb der Kausalität und ihrer Determinanten und deswegen zurecht als frei und verantwortlich bezeichnet werden kann.
In der modernen Theologie, z.B. bei Ulrich Barth, finden sich Hinweise auf Versuche, nach Kant dieses transzendente Ansichsein des Menschen sogar als Ort der Seele oder als die Seele selbst aufzufassen.

Schönen Gruß
Friedhelm Schulz