Ist Freiheit nützlich?

Hallo Leute,

In meinem Anliegen geht es mir um die Freiheit. Geht man vom Pragmatismus aus,
so bestimmen sich alle Mittel in Hinblick auf ein Ziel, wie zum Beispiel das
Heil der Menschheit, das größte Glück der größten Zahl. Das bedeutet: Richtig
ist, was nützt. Meine Frage lautet: Ist es nützlich, die Freiheit des Menschen
anzunehmen oder welche ethischen Gründe sprechen gegen diese Annahme?

Ein Beispiel: Ein Schwarzer aus Harlem wächst in ärmlichen Verhältnissen auf.
Er sieht sich Zeit seiner Jugend mit Rassismus, Bandenkriminalität und einer
aussichtslosen Zukunft konfrontiert. Er endet im verbrecherischen Millieu.
Eines Tages erschießt er bei einem Überfall auf eine Tankstelle einen Verkäufer,
wird verhaftet und vor Gericht gestellt.

Sollte man nun annehmen, dass der Junge durch sein soziales Umfeld förmlich
in das Verbrechertum gezwungen wurde oder das er aus freien Stücken sich
entschieden hat den Verkäufer zu erschießen? Wie sollte man verfahren in Hinblick
auf das Wohl der Gesellschaft und auch des Schwarzen?

Meine Meinung ist, dass man aus der Annahme einer Freiheit im Angeklagten meist
das Recht ableitet, über ihn zu richten und ihm Schuld zuzuweisen (drakonische Bestrafung),
während man, wenn die Fakten für eine Zwang sprechen, eher verzeihlich
gestimmt ist (Resozialisation). Dabei scheint es mir verständlich, dass man
kriminell wird, wenn die Gesellschaft einem nur geringe Möglichkeiten bietet,
auch aus einer Freiheit heraus.

Ich freue mich auf eure Antworten

Dennis

PS: Hab meinen Benutzernamen gewechselt. Wollte was abstrakteres.

Bin leider immer etwas flüchtig im Verfassen meiner Artikel.
Ich wollte noch sagen, dass ich natürlich für eine Annahme von
Freiheit plädieren, da wir über die vermeintlich Schuldigen dieser Welt auch nicht richten können, wenn sie aus freien Stücken gehandelt haben. Betrachtet man das Chaos der Geschichte,
das hinter uns liegt, so denke ich, dass es für jeden Handlungsoptimismus unabdingbar ist, an die Freiheit zu glauben,
die es jedem ermöglicht sich zum Guten zu wenden.

Das ist meine Meinung innerhalb eines pragmatischen Ansatzes.

…denke ich, dass es für jeden
Handlungsoptimismus unabdingbar ist, an die Freiheit zu
glauben,
die es jedem ermöglicht sich zum Guten zu wenden.

Das ist meine Meinung innerhalb eines pragmatischen Ansatzes.

Da bin ich aber mal gespannt was die Philosophie zu diesem Thema zu sagen hat. Ich sehe in Bezug auf Dein konkretes Beispiel eher eine soziale Bezogenheit des Themas:

Ein Kind wächst innerhalb eines Wertesystems auf, das es selbst nicht beeinflussen kann und kann Gut und Böse nur danach unterscheiden, wie es ihm in seinen Erfahrungen begegnet. Sieht es in seiner Umgebung, das Kriminalität normal ist und zum Unterhalt der Familie beiträgt, wird es von selbst nichts böses daran erkennen können. Nur zusätzliche Erfahrungen von außen, können da beeinflussen. Die Frage ist hier doch nicht, ob der Jugendliche später die Freiheit hat sich zu entscheiden, wenn er die Alternativen gar nicht sieht.

Hinzu kommt, die Sache mit der Stigmatisierung. Menschen neigen dazu sich der Erwartungshaltung zu unterwerfen, die die Umgebung an sie stellt. Ein Ausbruch aus einer solchen Umgebung bzw. Vorprägung, wie Du sie schilderst ist deshalb ungleich schwerer, als mit entsprechend ‚gutem‘ sozialen Background. Die Vorurteile verlangen von einen Menschen aus kriminellen Verhältnissen sozusagen tadelloses Verhalten, jeder Fehler wird als Beweis des Rückfalles gewertet. Da muß der Charakter schon außergewöhnlich sein, um nicht den Erwartungen zu entsprechen und eben doch kriminell zu werden, damit man seine Ruhe hat (ganz so einfach ist es natürlich nicht, ich weiß!)

Insofern verneine ich aus sozialer Sicht die Möglichkeit einer freien Entscheidung, bzw. sehe sie als eingeschränkt an.

Gruß Heike

Liebe Heike,
es ist schwer auf deinen Brief zu antworten

Ein Kind wächst innerhalb eines Wertesystems auf, das es
selbst nicht beeinflussen kann und kann Gut und Böse nur
danach unterscheiden, wie es ihm in seinen Erfahrungen
begegnet. Sieht es in seiner Umgebung, das Kriminalität normal
ist und zum Unterhalt der Familie beiträgt, wird es von selbst
nichts böses daran erkennen können. Nur zusätzliche
Erfahrungen von außen, können da beeinflussen. Die Frage ist
hier doch nicht, ob der Jugendliche später die Freiheit hat
sich zu entscheiden, wenn er die Alternativen gar nicht sieht.

Nach dieser Stellungnahme ist, das Verhalten des Jungen vorherbestimmt. Du versuchst dies rational zu begründen, indem
du vorab die These für richtig setzt, dass jeder Mensch ein Produkt seiner äußeren Einflüße ist. (Ist da sonst nichts anderes?)

Hinzu kommt, die Sache mit der Stigmatisierung. Menschen
neigen dazu sich der Erwartungshaltung zu unterwerfen, die die
Umgebung an sie stellt. Ein Ausbruch aus einer solchen
Umgebung bzw. Vorprägung, wie Du sie schilderst ist deshalb
ungleich schwerer, als mit entsprechend ‚gutem‘ sozialen
Background. Die Vorurteile verlangen von einen Menschen aus
kriminellen Verhältnissen sozusagen tadelloses Verhalten,
jeder Fehler wird als Beweis des Rückfalles gewertet. Da muß
der Charakter schon außergewöhnlich sein, um nicht den
Erwartungen zu entsprechen und eben doch kriminell zu werden,
damit man seine Ruhe hat (ganz so einfach ist es natürlich
nicht, ich weiß!)

Insofern verneine ich aus sozialer Sicht die Möglichkeit einer
freien Entscheidung, bzw. sehe sie als eingeschränkt an.

Du versuchst in deinem Brief zu unersuchen, ob der Mensch nun frei ist oder vorherbesimmt. Mit deiner ‚soziale Sicht‘ meinst du, glaube ich, eine für dich logische Schlussfolgerung, die dir sagt, dass dieser Junge nichts für sein tun kann und unschuldig ist. Du entsprichst also der Vermutung meines ersten Briefes, dass man bei einem Täter, dem man sein Handeln nachfühlen kann, gern eine Vorherbestimmtheit zuschreibt, damit niemand über ihn richtet. Damit folgst du aber nicht meinem pragmatischen Ansatz. Es ging mir nicht darum, ob der Mensch WIRKLICH frei ist, sondern ob es NÜTZLICH ist, dies anzunehmen. Die Schuldfrage sollte nicht im Vordergrund stehen.

Nimmt man beispielsweise an, dass die Völker der Industrienationen alle an einem VORHERBESTIMMTEN Egoismus leiden, der sie hindert sich für eine Sozialfürsorge einzusetzen, denn besonders engagiert sind sie ja nicht, endet man dann nicht als Individuum in einer tiefen Hoffnungslosigkeit, der einem jede humanitäre Tat verleidet?

Vielleicht hätte ich allerdings meine Frage noch präziser stellen sollen. Als ich von der Annahme der Freiheit des Menschen sprach, meinte ich natürlich eine rein subjekitve Annahme. Ich wollte diskutieren, ob es für mich selbst nützlich ist, wenn ich für mein Handeln in Ausrichtung auf das Wohl der Menschheit (zu der ich übrigens auch gehöre. um der christlich-verklärten totalen Selbstlosigkeit vorzubeugen) die Freiheit des Individuums annehme?

Nochmal:
Ist es für in Ausrichtung auf das Wohl der Menschheit für mein Handeln NÜTZLICH, von einer Freiheit des Individuums auszugehen?

Es hofft nun präziser zu klingen:

Dennis

Du versuchst in deinem Brief zu unersuchen, ob der Mensch nun
frei ist oder vorherbesimmt. Mit deiner ‚soziale Sicht‘ meinst
du, glaube ich, eine für dich logische Schlussfolgerung, die
dir sagt, dass dieser Junge nichts für sein tun kann und
unschuldig ist.

Untersuchen war das wohl nicht, nur eine Wiedergabe von als wahrscheinlich anzunehmender Fakten , Schuld oder Unschuld, das ist ein weites Feld und sicher nicht in ein paar Worten darlegbar (ich gehöre aber zu den Leuten, die nicht allzuviel davon halten, Leute die morden, wegen einer schweren Kindheit zu verschonen, glaube aber die Gesellschaft sollte bei den Kindern anfangen, Bedingungen zu schaffen, die solche Konflikte weitgehend verhindern), aber ich habe jetzt verstanden, wo Du den philosophischen Teil ansiedelst.

Es ging mir nicht darum, ob der
Mensch WIRKLICH frei ist, sondern ob es NÜTZLICH ist, dies
anzunehmen. Die Schuldfrage sollte nicht im Vordergrund
stehen.
Ich wollte diskutieren, ob es für mich selbst
nützlich ist, wenn ich für mein Handeln in Ausrichtung auf das
Wohl der Menschheit (zu der ich übrigens auch gehöre. um der
christlich-verklärten totalen Selbstlosigkeit vorzubeugen) die
Freiheit des Individuums annehme?

Jetzt ist das klar, vielleicht war nur das Beispiel ein wenig verführend! :wink:

Aber um mir wenigstens das Mitdenken bei diesem Problem zu ermöglichen, definiere mal welchen Freiheitsbegriff Du hier zugrunde legst, bzw. wie weit Du ihn faßt.

Gruß Heike

Zwei Begriffe zur Unterscheidung

Freiheit: Fähigkeit zwischen seinen Möglichkeiten zu wählen
freier Wille: Fähigkeit nach Reflexion über eine Entscheidung zwischen seinen Möglichkeiten zu wählen.

Mir ist bekannt, das dies nicht die durchgängige Definition von Freiheit ist. Es ist der Freiheitsbegriff nach Jean-Paul Sartre, den ich einzig als sinnvoll erachte.
Kant und Hegel bspw. def. die Freiheit anders.