Die Antwort ist viel einfacher.
Hallo Tychi,
Wir haben ja geklaert, dass Poppers Kritik an Hegel
nicht fundiert ist.
das ist richtig.
Aber ist denn alles falsch, was man in „The open society …“ ueber
Hegel liest?
Die Begriffe „richtig“ und „falsch“ verkürzen den Sachverhalt, denn es handelt sich nicht um Wissen, sondern um eine Interpretation, und in diesem Zusammenhang scheinen mir die Begriffe „angemessen“ und „unangemessen“ besser verwendbar. Auch ist natürlich nie „alles“ falsch, wie man hier z. B. sehen kann:
Denn dort steht, dass Hegel den damaligen preussischen Staat als
Vollendung des Staatswesen ansah,
Das ist richtig.
dass er den Krieg als etwas im absoluten Sinne Gutes darstellte,
Das wäre verwunderlich. Ich will ja nicht behaupten, dass das nirgendwo bei Hegel steht, aber es scheint mir sehr übertrieben, wenn es überhaupt so da steht.
ja dass praktisch die Naziherrschaft in Deutschland die
Verwirklichung von Hegels Ansichten war,
Das ist reiner Unsinn, und das ist auch leicht zu zeigen, denn genauso wie man Nietsche nicht auf das NS-Regime beschränken kann, kann man das bei Hegel auch nicht. Die Erfahrungen von 1933 bis 1945 prägen nur unsere Sichtweise so, dass wir geneigt sind, deren Vorfahren zu suchen, wobei wir eben leicht auf Ähnlichkeiten stoßen, die wir dann als Ganzes zu verwenden können meinen. Im Übrigen bestehen doch wohl Unterschiede zwischen Preußentum und Nationalsozialismus, oder würdest du das verneinen?
wenn man ihnen noch etwas Sozialdarwinismus untermischt.
Genau: wenn man das tut! Aber das darf man eben nicht tun, denn der Sozialdarwinismus hat mit Hegel soviel zu tun wie das Kettensägenmassaker mit einer Laubsäge. Ich habe gerade keinen besseren Vergleich parat, denn dieser hier hinkt natürlich, schon wegen der scheinbaren Verniedlichung Hegels, der freilich schon bedeutender gewirkt hat als eine Laubsäge es im Vergleich so könnte.
War Hegel also wirklich ein Schreibtischtaeter, der nie
den Krieg zu sehen bekam, und ihn doch ueber alles liebte und
der einen totalitaeren Staat als das Beste ueberhaupt anpries?
Dass er den Krieg nicht direkt zu sehen bekam, mag sein, aber 1806 floh er aus Jena, sodass ihm die Auswirkungen schon bekannt gewesen sein dürften. Es kann auch keine Rede davon sein, dass er den Krieg über alles liebte, denn wenn man die entsprechenden Passagen der Staatsphilosophie liest, sieht man überall Einschränkungen, die den Krieg - wenn überhaupt - nur als Ultima Ratio zulassen. Und mit so einer Position wäre er nicht der einzige Mensch seiner Zeit, der so dachte.
Oder sind das auch alles Fehlinterpretationen Poppers?
Ich denke, dass Popper in seiner Hegelkritik (ebenso wie in seiner Platonkritik) seinem eigenen Urteil gegen die Induktion als Methode untreu wird. Denn er verallgemeinert hier wie dort bestimmte Einzelheiten, stellt sie als zentral dar und gibt ihnen so ein Gewicht, das ihnen nicht zukommt. Freilich darf man auch Poppers Bedeutung nicht auf seine politischen Ansichten reduzieren und diese Ansichten auch nicht auf die Hegelkritik oder die Popperkritik. Popper hat einen wichtigen Punkt angeschnitten, aber es geht nicht darum, Poppers Position richtig oder falsch zu finden, sondern (wie bei allen Philosophen) das Richtige als angemessen darzustellen und das Falsche als unangemessen.
Herzliche Grüße
Thomas Miller