Kräfte in unterschiedlichen Bezugssystemen

Hallo,

Körper werden aufgrund der Erdanziehung gleich stark beschleunigt. So weit, so gut. Lasse ich also einen Apfel der Masse m von einem Turm der Höhe x nach unten fallen, so wird er von der Erde mit g beschleunigt. Daraus ergibt sich nach dem zweiten Newtonschen Gesetz,. dass die Erde eine Kraft F = m(Apfel)*g auf den Körper ausübt.

Nun wechsle ich das Bezugssystem. Der Apfel ruht.

Nun wird doch die Erde vom Apfel mit g beschleunigt. Daraus ergibt sich doch, der Apfel übt eine Kraft F= m(Erde)*g auf die Erde aus. Dies ist aber eine weitaus höhere Kraft als die, die von der Erde auf den Apfel ausgeübt wird.

Sollten es nicht so sein, dass die beiden Kräfte gleich groß sind?

Gruß,

Pere

Hallo, Pere, faszinierend, dein (Schein)Paradox! Das werden ja aber wohl all die klugen Physiker, vor allem schon Newton, durchbedacht haben, oder meinst Du nicht?
Obwohl uns Deine Frage als (provokativem) Test für „Experten“ gefällt, muß wir als Amatöre (wir sind eben eher nur „Füsiker“ als Physiker) doch fragen, in wieweit wir dabei das Gesamtsystem Erde-Apfel bedenken müssen, also wir meinen, Apfel und Erde bewegen sich auf einen gemeinsamen Schwerpunkt zu, der sich dabei natürlich, wenn wir den Apfel als Bezugspunkt nehmen, auf diesen Apfel zubewegt. Und nehmen wir die Erde als Bezugspunkt (deren Mittelpunkt), so bewegt sich der gemeinsame Schwerpunkt auf die Erde zu.
Sollten wir nicht die „wahre“ Bewegung von Erde bzw. Apfel in Bezug auf den gemeinsamen Schwerpunkt „mehr berücksichtigen“?
(Okay, was ist „wahre Bewegung“?)
Wenn ich zwischen zwei Schränke, einen großen und einen kleinen, ein starkes Gummiband spanne und dann erst die Schränke „loslasse“, dann werden natürlich die beiden in ihre gemeinsame Mitte gezogen, und zwar so, daß für den kleinen die Geschwindigkeit/Beschleunigung des großen genauso groß IST wie für den großen die Geschwindigkeit/Beschleunigung des kleinen.
Die „Konsequenz“ des kleinen: „was bin ich stark!“ scheint mir dabei ziemlich „egozentrisch“ und „sinnfrei“ zu sein, was meinst du? Sollte er nicht doch eher erstmal die Umgebung fragen?
Am Ende landen wir da, daß sich doch die Sonne um die Erde dreht!
Lieber Krüsse, Kurt und Gudrun
PS.: Das sind aber einglich eher nur Fragen zu Deiner Frage; wir nehmen an, daß es hier genug Experten gibt, die uns das Problem „wissenschaftlicher“ erklären können.

Es geht auch einfacher: Der Apfel hat keineswegs denselben Ortsfaktor wie die Erde!

Du kannst ihn über das Gravitationsgesetz ausrechnen: F=G x m1 x m2 / r^2, wobei G die Gravitationskonstante ist (Größenordnung: 10^-11).
Der Ortsfaktor eines Körpers ergibt sich immer zu: g=Gm/r^2

Ok, durch G sind wir bei 10^-11, r^2 im Nenner dürfte ein paar weitere Nullstellen dazuaddieren und auch die Masse eines Apfels dürfte nochmal 2 Nullen addieren.

Deswegen übt der Apfel eine sehr viel kleinere Beschleunigung auf die Erde aus!

Mfg
Rainer

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Sollten es nicht so sein, dass die beiden Kräfte gleich groß
sind

Hi,

sind sie ja auch. gApfel ist eben viel kleiner als gErde

Liebe Grüße,

Max

Sollten es nicht so sein, dass die beiden Kräfte gleich groß
sind?

Nein. Du spielst vermutlich auf das dritte Newtonsche Axiom an, aber Du vergißt dabei, daß das nur für Inertialsysteme gilt und das Ruhesystem des beschleunigten Apfels ist kein Inertialsystem. Um die Newtonschen Mechanik auch in beschleunigten Bezugssystemen nutzen zu können, muß man Scheinkräfte einführen, die dafür sorgen, daß der Trägheitssatz gilt. Im Deinem Beispiel sieht das folgendermaßen aus:

Das System besteht in jedem Fall aus Apfel und Erde. Es werden aber drei Bezugssysteme unterschieden:

1. Ruhesystem des Masseschwerpunktes

Auf die Erde wirkt die Kraft

FErde = γ·mErde·mApfel/r²

und sie wird mit

aErde = γ·mApfel/r²

beschleunigt.

Auf den Apfel wirkt die Kraft

FApfel = -γ·mErde·mApfel/r²

und er wird mit

aApfel = -γ·mErde/r²

beschleunigt.

Das zweite und dritte Axiom sind hier erfüllt und das erste findet keine Anwendung (weil sich beide Körper bewegen). Es handelt sich offenbar um ein Inertialsystem.

2. Ruhesystem der Erde

Auf die Erde wirkt die Kraft

FErde = γ·mErde·mApfel/r²

sie wird aber nicht beschleunigt:

aErde = 0

Auf den Apfel wirkt die Kraft

FApfel = -γ·mErde·mApfel/r²

und er wird mit

aApfel = -γ·(mApfel+mErde)/r²

beschleunigt.

Hier gilt zwar noch das dritte Axiom, aber das erste und zweite Axiom wird verletzt. Es handelt sich also nicht um ein Inertialsystem. Abhilfe schafft die Einführung der Trägheitskraft

Ft = -m·γ·mApfel/r²

Dann gilt für die Summe aller auf die Erde wirkenden Kräfte

FErde = γ·mErde·mApfel/r² - mErde·γ·mApfel/r² = 0

womit das erste Axiom erfüllt wäre und für die Summe aller auf den Apfel wirkenden Kräfte gilt

FApfel = -γ·mErde·mApfel/r² - mApfel·γ·mApfel/r² = -γ·mApfel·(mApfel+mErde)/r²

womit auch das zweite Axiom erfüllt ist. Das dritte Axiom ist auf die Scheinkräfte nicht anwendbar, weil diese nicht von einem weiteren Körper ausgeübt werden, sondern Eigenschaft des Bezugssystem sind.

2. Ruhesystem des Apfels

Deiser Fall ist analog zum Ruhesystem der Erde, nur daß hier die Scheinkraft

Ft = m·γ·mErde/r²

eingeführt werden muß, um die Gültigkeit der Newtonschen Axiome zu erhalten.