Wann kocht Wasser?

Folgendes Problem spaltet momentan unsere Familie in zwei Lager:

Wenn man Kochbücher liest, so steht dort, dass manche Speisen kräftig sprudelnd kochen sollen. Andere sollen nur einmal kurz aufkochen und dann sanft vor sich hin köcheln.

Jetzt kommt das Problem: gibt es diese unterschiedlichen Kochvorschriften, weil zwischen stark kochen und köcheln ein Temperaturunterschied ist oder bedeutet das Aufsteigen von Gasblasen in der Flüssigkeit immer, dass – in Abhängigkeit von momentanem Luftdruck – die Siedetemperatur erreicht ist, unabhängig von der Stärke der Blasenbildung?

Wenn die Temperatur bei starkem oder schwachem Kochen gleich ist, dann wollte man mit der Forderung nach sanftem Köcheln ja eventuell nur die starke Strömung im Topf und die dadurch mögliche Beschädigung des Kochgutes vermeiden.

Der chemisch geprägte Teil unserer Familie meint, dass Wasser bei 100 °C kocht (mit leichten Abweichungen wegen Luftdruck und gelösten Verunreinigungen), egal ob stark oder schwach während der maschinenbauerische Teil meint, dass zwischen stark und schwach kochen ein Temperaturunterschied von ca. 4°C ist mit der Begründung, dass auch schon bei etwa 92°C der Dampfdruck zu Blasenbildung führt.

Um zu vermeiden, dass es beim Weihnachtsbraten innerhalb der Familie zu Duellen mit Thermometern kommt, bitten wir Sie um Ihre Meinung.

Vielen Dank

DH

Ich denke mal, dass es beim Weihnachtsbraten keine Probleme gibt, da dieser nicht unbedingt sprudelnd gekocht sondern doch i.d.R. eher gebraten wird. Also könnte das Fest ein Fest ungetrübter Freude bleiben.

Hallo,

der Unterschied zwischen stark und schwach kochen liegt nicht in der Temperatur des Wassers sondern der Stärke der Wärmequelle unterm Topf. Wenn die Wärmequelle niedrig genug ist, wird sie das Wasser auf etwa 100 °C (+/- der von dir genannten Abweichungen) halten. Großartige Siedeerscheinungen hat man nicht, nur ein zartes Blubbern, wenn die Platte mal kurz hochfährt. Dreht man die Flamme hoch, dann führt man eben viel Energie zu, die in kurzer Zeit viele Wassermoleküle in die Gasphase übergehen läßt. Diese verlassen dann mit der bekannden Wuselei (=Sprudelei) den Verband.

Die Maschinenbauer haben auch nciht ganz unrecht. Es bildet sich schon vor Erreichen der eigentlichen Siedetemperatur Wasserdampf. Win Teil der wassermoleküle hält es halt auch bei kühleren Temperaturen von von mir aus 92°C nicht mehr im Verband. Das bedeutet aber nicht, dass das Wasser schon siedet.

Und dabei fällt mir noch ein, dass die Maschinenbauer daran denken müssen, dass es auf dem Topfboden trotz Konvektion heißer sein kann als in den höheren Wasserschichten. Daher halte ich es auch für möglich, dass die unterste Schicht tatsächlich schon lossiedet,während das Wasser darüber noch zu kalt dazu ist.

LG Barbara

zusätzlich zur antwort auf deine frage, die schon gegeben wurde, möchte ich nur anmerken, dass die meisten kochrezepte einfach irgendwas wiederholen, was immer mehr oder weniger gut funktioniert hat, und sich kaum jemand die mühe macht, solche angaben zu hinterfragen. das gilt auch für dinge wie scharf anbraten, salz ins kochwasser usw.

ich empfehle das „kleine lexikon der küchenirrtümer“ von ludger fischer. seit ich es gelesen habe, gebe ich zb. die spaghetti in kochendes wasser und drehe die herdplatte dann komplett ab, da wird also weder sprudelnd gekocht noch geköchelt, und sie werden trotzdem genausoschnell weich. funktioniert auch mit gemüse, kartoffeln und vermutlich mit vielen anderen dingen.

Hallo Barbara!

… dass es auf dem Topfboden trotz Konvektion
heißer sein kann als in den höheren Wasserschichten. Daher
halte ich es auch für möglich, dass die unterste Schicht
tatsächlich schon lossiedet,während das Wasser darüber noch zu
kalt dazu ist.

In einem Topf mit kochendem Wasser gibt es unterschiedliche Temperaturen. Das merkt man, wenn man sich im Labor auf schnelle und einfache Weise „Temperaturnormale“ mit kochendem Wasser und mit Eiswasser schaffen möchte. Erst durch Umrühren lässt sich eine annähernd gleichmäßige Temperaturverteilung herstellen.

Gruß
Wolfgang

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Hallo!

…das „kleine lexikon der küchenirrtümer“ von
ludger fischer. seit ich es gelesen habe, gebe ich zb. die
spaghetti in kochendes wasser…

Und auf fast allen Verpackungen ist zu lesen, man solle pro 100 g Nudeln oder Spaghetti 1 l Wasser verwenden, also für eine 500 g-Packung einen Riesenpott mit 5 Litern. Das ist Unsinn und pure Energieverschwendung.

Gruß
Wolfgang

Hallo!

Ganz so ist es nicht. Es stimmt zwar, dass höhere Leistung der Herdplatte zu einem stärkeren Wärmefluss führt. Es stimmt auch, dass Wasser unter Normalbedingungen bei 100°C siedet und dass sich daran nichts ändert, wenn wenn der Wärmefluss größer ist. Aber die starken Blasen zeigen an, dass sich im Wasser etwas verändert hat. Wolfgang hat die Ursache schon angedeutet: Die Temperaturverteilung.

Wasser ist ein sehr schlechter Wärmeleiter bei sehr hoher Wärmekapazität, Schmelzwärme und Verdampfungswärme. Wenn man es von unten heizt, kann es deswegen oben immer noch kalt sein. Ganz extrem sieht man das bei gefrorenem Spinat: Da kocht das Wasser (100°C) und gleichzeitig schmilzt nur wenige Millimeter daneben das Eis (0°C).

Die Anweisung „In sprudelndem Wasser kochen“ möchte bezwecken, dass das Kochgut von allen Seiten sofort die maximale Hitze erfährt. Ob das tatsächlich notwendig ist, ist zu bezweifeln, wie gyuri sehr plastisch dargestellt hat.

Michael

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Genaus so kann man die Nudeln auch schon in warmes Wasser geben und die Energie beim Aufheizen benutzen. Zu warten bis das Wasser kocht ist Energie und Zeitverschwendung…

Hi.

Genaus so kann man die Nudeln auch schon in warmes Wasser
geben und die Energie beim Aufheizen benutzen. Zu warten bis
das Wasser kocht ist Energie und Zeitverschwendung…

Oder eben gleich rein mit, noch mehr gespart.
Mache ich immer.

Gruß

Balázs

Hallo,

ich empfehle das „kleine lexikon der küchenirrtümer“ von
ludger fischer.

Ich glaube das muß ich mir mal ansehen und an einige Leute veschenken.

gebe ich zb. die
spaghetti in kochendes wasser und drehe die herdplatte dann
komplett ab,

Bei dünneren Nudeln kann ich mir das noch vorstellen, aber dickere Sorten sind doch kalt bevor sie servierfertig sind? Bzw. wie viel Wasser verwendest du für 500g Nudeln damit das funktioniert und wie lang brauchen die dann?
Bei Kartoffeln kann ich mir das noch weniger vorstellen. Die aus meinem Garten brauchen so schon 45 Minuten (keine Ahnung, wie manche im Fernsehen das unter 30 Minuten schaffen), wenn ich sei ins kalte Wasser gebe. 10 Minuten vorher schalte ich aber auch ab.

Cu Rene

Hi,
wenn du Nudeln schon ins lauwarme Wasser gibst, kleben sie gern am Topfboden an, da müßtest du regelmäßig umrühren.
und der Energiegewinn ist fraglich.
Beim Umrühren ist der Deckel weg und da geht zusätzlich Energie verloren.
Daher ins kochende Wasser, Energie zurückschalten dann stimmt auch in etwa die angegebene kochzeit.

zum Buch : lies zuerst einmal die Rezensionen.

und da wir hier im Physikbrett sind
das Kochbuch des Physikers Werner Gruber: Die Genußformel
auch hier wird mit einigem aufgeräumt, physikalisch begründet und äußerst amüsant zu lesen.
Werner Gruber ist auch mitglied der Sciencebusters
http://www.youtube.com/watch?v=pbnPr8NQzXg

Grüße

M@x

nicht unbedingt, ich gebe immer eher wenig wasser in den topf und den rest erhitze ich im wasserkocher, dann hab ich in 2 minuten kochendes wasser. die nudeln gebe ich mikadomäßig in den topf, gieße das kochend heiße wasser aus dem wasserkocher drüber, dann legen sie sich schön hin, und dann kann ich die herdplatte auch schon abdrehen, deckel drauf und in 15-20 minuten fertig.

Bei dünneren Nudeln kann ich mir das noch vorstellen, aber
dickere Sorten sind doch kalt bevor sie servierfertig sind?

ich beziehe mich zb. auf spaghetti 72 von buitoni, keine ahnung ob du sie dicker magst. die kochzeit ist mit 11 minuten angegeben, meine frau mag sie aber deutlich weicher, also haben wir sie immer schon um die 15-17 minuten gekocht. jetzt sind sie halt 15-17 minuten im heißen, nicht mehr kochenden wasser. geht genauso. tortellini (kochzeit mit 13 minuten angegeben) funktionieren auch.

heute hab ich überhaupt was neues probiert, was ich irgendwo gelesen habe: nudeln (in diesem fall waren es pipe rigate) wie risotto kochen, also mit angebratenen zwiebeln und gemüse ungekocht in den topf und immer wieder mit etwas brühe aufgießen und zugedeckt dünsten. hat etwa eine viertel stunde gebraucht, dafür nicht mal einen halben liter brühe, und war viel besser, als wenn man die nudeln extra kocht und dann mit dem gemüse vermischt. viel parmesan dazu und wir sind schon im falschen brett…

Bei Kartoffeln kann ich mir das noch weniger vorstellen. Die
aus meinem Garten brauchen so schon 45 Minuten (keine Ahnung,
wie manche im Fernsehen das unter 30 Minuten schaffen), wenn
ich sei ins kalte Wasser gebe. 10 Minuten vorher schalte ich
aber auch ab.

ich glaube, bei kartoffeln gibt es große unterschiede, außerdem kommt es natürlich auch drauf an, ob du sie im ganzen kochst oder in stücke schneidest. ich wette aber mit dir, wenn du nochmal 10 minuten früher abdrehst, werden sie genauso weich.

Ist es nicht so, daß es schon weit unter 100 Grad zur Blasenbildung kommt, weil im Wasser gelöste Gase austreten?

Hi,
ja, aber das sind die kleinen Bläschen, die ähnlich wie bei Mineralwasser sind. die hört man auch wie ein Rauschen.
Wenn der Topfboden dann heiß genug ist kommt es zu den Dampfblasen und zum Blubbern

Gruss

M@x

Hallo,

das ist eine sehr interessante Fragestellung, die mich als Physiker auch schon beschäftigt hat.

Ein Kochtopf auf konstanter Temperatur verliert ja zu jeder Zeit genau die Wärmemenge, die ihm gerade zugeführt wird. Bei einem typischen Nudeltopf etwa ca. 100 Watt durch Abstrahlung, den Rest durch Stofftransport (Dampf).

Der am Topfboden entstehende Dampf dürfte auch durchaus etwas heißer als 100 Grad sein, denn der Topfboden ist auf jeden Fall heißer als das.

  • Bei schwachem Köcheln, d.h. kleiner Heizleistung (wenige 100 W), sind Wärmeverluste durch Abstrahlung nicht zu vernachlässigen. Dabei entsteht wohl am Topfboden Dampf, aber schafft es kaum nach draußen, weil er weitgehend im Wasser (kälter als 100 Grad) rekondensiert. Die mittlere Temperatur des Garguts und Wassers muß also einige Grad unterhalb der Siedetemperatur liegen.
  • Mit steigender Heizleistung verschiebt sich die mittlere Temperatur im Topf Richtung Siedepunkt.
  • Bei kräftigem Kochen durchströmt viel Dampf so schnell das Gargut, so daß überall im Topf annähernd Siedetemperatur herrscht.
  • Der bei starkem, sprudelndem Kochen entstehende Dampf steigt schnell durch das Wasser auf und hat dabei Kontakt zum Gargut. Dabei erhitzt sich das (nicht aus Wasser bestehende) Gargut durchaus auf die Dampftemperatur von etwas über 100 Grad.

Durch die Größe des Wärmestroms stellt man also eine Gleichgewichtstemperatur im Gargut ein, die sich meiner Schätzung nach (bei permanenter Durchmischung, Rühren) zwischen 85 und 105 Grad bewegt, auch wenn immer Teile des Wassers sieden. Durch diese scheinbar geringen Temperaturunterschiede läßt sich jedoch die chemische Reaktionsgeschwindigkeit (Garzeit) je nach Substanz um das 4 bis 20fache variieren, mit entsprechend völlig verschiedenen Resultaten.

Natürlich ist dies alles eine enorme Energieverschwendung, ähnlich wie wenn man die Füllhöhe eines löchrigen Eimers dadurch einstellt, wieviel Wasser man permanent einlaufen läßt.

Um mindestens den Faktor 10 bis 20 energiesparender wären wohl thermisch isolierte Gargefäße.

Gruß
Moriarty

Hallo,

vielen Dank für deine - und natürlich auch die vielen anderen - Antworten

wir hatten es ja weniger auf praktische Anwendungen und die 1001 Arten Nudeln zu kochen abgesehen :wink:

eher darauf, ob unter Idealbedingungen (destilliertes, entgastes) Wasser (unter Normalbedingungen und bei perfekter Durchmischung) bei genau 100 °C kocht (Chemiker), oder in einem Bereich darum (Maschinenbauer)

den Vorgang als Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieabgabe zu betrachten hatten wir gar nicht so genau weiterverfolgt

Durch die Größe des Wärmestroms stellt man also eine
Gleichgewichtstemperatur im Gargut ein, die sich meiner
Schätzung nach (bei permanenter Durchmischung, Rühren)
zwischen 85 und 105 Grad bewegt, auch wenn immer Teile des
Wassers sieden.

meinst du wirklich, dass man auch bei gutem Rühren durch den unterschiedlichen Wärmestrom einen so großen Temperaturbereich abdecken kann? - das ist doch ausschließlich ein Effekt der unvollständigen Durchmischung

jedenfalls vielen Dank nochmal für deine Antwort

Gruß

DH

Hallo,

auch dir natürlich vielen Dank für deine Antwort

Die Maschinenbauer haben auch nciht ganz unrecht. Es bildet
sich schon vor Erreichen der eigentlichen Siedetemperatur
Wasserdampf. Win Teil der wassermoleküle hält es halt auch bei
kühleren Temperaturen von von mir aus 92°C nicht mehr im
Verband. Das bedeutet aber nicht, dass das Wasser schon
siedet.

das heisst da springt schon mal ein Teilchen raus weil wir eine Boltzmann-Verteilung haben

das ist aber nur ein Effekt an der Wasseroberfläche, weil die Energie sonst einfach an ein beliebiges Nachbarmolekül abgegeben werden wird?

aber sieden (mit Blubbern und so) sollte es doch erst bei 100°C - wir haben schließlich eine ganze Temperaturskala daran festgemacht

Gruß

DH

bis dahin sind ja erstmal noch 11 Monate Zeit :smile:

Hallo!

eher darauf, ob unter Idealbedingungen (destilliertes,
entgastes) Wasser (unter Normalbedingungen und bei perfekter
Durchmischung) bei genau 100 °C kocht (Chemiker), oder in
einem Bereich darum (Maschinenbauer)

Wenn es tatsächlich um diese akademische Frage ging, dann hat der Chemiker recht. Reinstoffe (und destilliertes Wasser ist ohne Zweifel ein Reinstoff) haben einen definierten Siedepunkt. Bei Stoffgemischen ist das anders. (Denke z. B. an die Destillation von Alkohol).

Übrigens bringt das einen sofort auf einen interessanten Gedanken: Wenn Wasser tatsächlich einen definierten Siedepunkt hat, dann gilt dies natürlich für jeden einzelnen noch so kleinen Wassertropfen im Kochtopf. Wenn es also gelänge, Wasser auf 100°C zu erhitzen, dann würde es schlagartig und komplett bei dieser Temperatur verdampfen. Kochendes Wasser hat also stets eine niedrigere Temperatur als 100°C! (Der Temperaturunterschied kann aber theoretisch infinitesimal klein sein.)

Michael