Begründung für Thesen?!

Hallo zusammen,

muss ein Pschotherapeut oder Dipl.-Psychologe seine „Diagnosen“ begründen, zumal wenn er als Gutachter tätig ist?

Oder reicht es in einem Gutachten (gegenüber des MDK oder eines Gerichtes) irgendwelche Tests zu erwähnen, deren Ergebnis aber nicht näher erläutert werden oder er/sie festhält, dass „anzunehmen ist, dass der Proband ABC sich XY verhält…“ ohne zu begründen, wie es zu dieser Annahme (These) kommt?

Gruß
Bori

Hallo Bori,

selbstverständlich müssen die Diagnosen begründet werden, und zwar nicht nur z.B. mit der Aussage „der xy-Test ergab folgenden Befund“, sondern bis ins Detail, damit der Richter versteht, wie die Aussage des Probanden zur gegebenen Interpretation, zur Diagnose, geführt hat. Ich habe schon erlebt, daß die Beweisführung bis in die Testkonstruktion hineinreichte. (Da zeigt es sich, ob man sein Metier beherrscht.)

Ich halte dieses Verfahren für völlig richtig. Es schützt den Beschuldigten/Angeklagten vor wilden Deutungen (solchen, wie Du sie in „w-w-w Psychologie“ zuhauf findest).

mfg
Rumpelstelz

Ein Gutachten muss verständlich geschrieben werden, sowohl vom Ausdruck als auch vom Inhalt. Die Hypothesen werden dargelegt und daraufhin als Erklärung für die Auswahl der Verfahren verwendet. Jede Diagnostik muss das eigentlich beinhalten. Deswegen kommt ja auch noch extra die Anamnese mit hinein.

Hallo Myra,

Es werden keine „Hypothesen“ dargelegt, sondern Befunde. Ein gewaltiger Unterschied! Mit Hypothesen machen sie Dich vor Gericht fertig - und zwar alle 3, der Richter und beide Anwälte. Zu Recht, Du sollst nämlich Entscheidungshilfe leisten, nicht schwafeln.

Gruß
R.

Wenn man Tests und Testergebnisse im Bericht vorstellt, muss man auch die Hypothesen, vom Getesteten oder Tester, darstellen! Diese wiederum werden aus der Vorgeschichte und aktuellen Beobachtungen abgeleitet. Du musst doch erklären, warum du für Phänomen y zuerst Test x und dann Test y genommen hast, um Ausschlussdiagnostik zu betreiben. Oder was auch immer man da machen würde. Was als Schlussfolgerung des ganzen herauskommt, das ist eine andere Sache.

Hallo ihr beiden,

erstmal danke für eure Antworten.
Ich habe aber noch zwei Nachfragen.

Wenn ein Gutachter Tests macht, muss er, soweit ich das verstanden habe, begründen warum er diese tests gemacht hat und welche Ergebnisse aus den Tests erhalten wurden.
Es reicht also nicht zu sagen: Sterne-Wellen-Test nach Ave-Lallemant, Schloßzeichentest nach Michaelis, Familie in Tieren und die „Ergebnisse“ darzulegen ala „seinen Vater stellte es als YX dar, seine Mutter XZ und sich selber als YBC“ und „er zeichnete ein Kleines, schlichtes Haus“?

Wie ist es zu bewerten, wenn ein Gutachter schreibt: „Vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstruktur wäre aus psychologischer Sicht jedoch nicht zu erwarten, daß ABC ein höheres Maß an Bindungstoleranz aufzubringen vermag, als dies derzeit bei der Mutter des Kindes der Fall ist.“ Zusatzinfo: Die „erkannte“ Persönlichkeitsstruktur des Probanden seitens des Gutachtgers wurde zwischenzeitlich von einem Facharzt für Psychotherapie und einer psychologischen Hochschulambulanz als abstruse Bewertung tituliert.

Gruß
Bori

Es reicht also nicht zu sagen: Sterne-Wellen-Test nach
Ave-Lallemant, Schloßzeichentest nach Michaelis, Familie in
Tieren und die „Ergebnisse“ darzulegen ala „seinen Vater
stellte es als YX dar, seine Mutter XZ und sich selber als
YBC“ und „er zeichnete ein Kleines, schlichtes Haus“?

Diese Aussagen stehen in einem Kontext. Ist das vom Teil der Ergebnisdarstellung oder schon vom Gesamtbefund? Das ist, nehme ich an, ein projektives Verfahren. Die sind schwer auszuwerten!!! Du sagst, was du sehen kannst und hoffst, dass es darüber irgendwelche „allgemeingültigen“ Informationen gibt. Bei Kindern wird das immer noch angewendet, um eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Die Aussage könnte als Teil der Ergebnisse in diesem Fall vielleicht ausreichen, sobald keine weiteren Infos zur Auswertung existieren.

Wie ist es zu bewerten, wenn ein Gutachter schreibt: „Vor dem
Hintergrund seiner Persönlichkeitsstruktur wäre aus
psychologischer Sicht jedoch nicht zu erwarten, daß ABC ein
höheres Maß an Bindungstoleranz aufzubringen vermag, als dies
derzeit bei der Mutter des Kindes der Fall ist.“ Zusatzinfo:
Die „erkannte“ Persönlichkeitsstruktur des Probanden seitens
des Gutachtgers wurde zwischenzeitlich von einem Facharzt für
Psychotherapie und einer psychologischen Hochschulambulanz
als abstruse Bewertung tituliert.

Auch hier muss man den Kontext kennen. Diese Aussagen bauen ja aufeinander auf.
Wenn du dem Gutachter nicht traust, dann frage doch nach einem neuen. Da du ja scheinbar mit einem anderen Psychologen gesprochen hast, kann der dir vielleicht helfen.

Hallo Bori,

"Vor dem Hintergrund seiner Persönlichkeitsstruktur wäre aus psychologischer Sicht jedoch nicht zu erwarten, daß ABC ein höheres Maß an Bindungstoleranz aufzubringen vermag, als dies derzeit bei der Mutter des Kindes der Fall ist."

Aus dem Zusammenhang gerissen, läßt sich das schwer beurteilen.

Wenn ich aber einfach so mal die Nase dran halte, neige ich dazu zu sagen, es sei zumindest eigenartig formuliert: „Maß an Bindungstoleranz“ ist eine Nebelwand. Wer so geschwollen daher redet, pflegt seiner Sache nicht sicher zu sein.

Ich bekenne meine Ahnungslosigkeit, was dieser Ausdruck meint - aus dem Zusammenhang gerissen.

Meine Fantasie reicht auch nicht, mir vorzustellen, wie die Aussage wissenschaftlich begründet werden könnte, d.h. auf welche Testbefunde, Verhaltensbeobachtungen, Vorgeschichte u.ä. der Gutachter sich stützen könnte.

Man müßte wirklich das ganze Gutachten kennen. Ich tendiere zur Annahme, es sei nicht überzeugend und könne zerpflückt werden.

Wenn Du mit dem Gutachten nicht einverstanden bist, versuche doch, ein Gegengutachten zu bekommen: Zweifel zu säen, scheint mir hier einen Versuch wert. Ist natürlich ein Kostenrisiko.

mfg
Rumpelstelz