Denken ohne Sprache

Hallo Wissende,
Bin neugierig was Ihr für Meinungen habt zu folgender Frage:
Ich denke mittels meiner Sprache, d.h.die Gedanken sind unausgesprochene Worte und Sätze. Wie aber denkt ein Mensch, der seit seiner Geburt gehörlos ist ?
Mit Gruss: hardy

Hallo,
Gehörlosensprache, also sign language, ist auch eine Sprache, wenn auch keine gesprochene, sondern gestikulierte. Gehörlos zu sein, bedeutet also nicht, keine Sprache zu haben.

Aber ich merke bei mir manchmal (spreche drei Sprachen, zwei davon quasi als Muttersprache, und denke halt mal in der oder mal in der Sprache, depending on which language I was just speaking/reading), dass ich einen Gedanken habe, aber in keiner Sprache auf das richtige Wort komme. Es liegt mir auf der Zunge, will aber irgendwie nicht raus. Und da hab ich mich auch ab und an mal gefragt, ob die Gedanken eben schon VOR dem Ausdrücken in Sprache da sind.

Gruss, Isabel

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Hallo Hardy,

wir hatten vor einigen Jahren hier im Brett ein ähnliches Thema besprochen; nämlich die Kommunikationsfähigkeit von Taubblinden: http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv….

Wie aber denkt ein Mensch,
der seit seiner Geburt gehörlos ist ?

Nun ja… Kommunikations-, Denk- und Lernfähigkeit bedingen einander und das Gehirn eines Gehörlosen ist schließlich kein Vakuum. Außerdem haben wir noch mehr Sinne als nur das Gehör zur Verfügung. Ich behaupte, daß wir von Geburt an über ein Potential verfügen, das es uns ermöglicht, den Ausfall von einem oder sogar zwei Sinnen zu kompensieren. Helen Keller bringe ich bei solchen Fragen immer gerne ins Spiel… Sie - ab einem Alter von 18 Monaten taubblind - schrieb später in ihrer Autobiographie ‚Meine Welt‘ ISBN: 3925817166 Buch anschauen:

Draußen erkenne ich durch Geruch- und Tastsinn den Grund, worauf wir gehen, und die Stellen, woran wir vorbeikommen. Zuweilen, wenn es windstill ist, sind die Gerüche so gruppiert, dass ich den Charakter einer Landschaft wahrnehme, eine Heuwiese, einen Dorfladen, einen Garten, ein Scheune ein Bauerngehäft mit offenen Fenstern, ein Fichtenwäldchen gleichzeitig ihrer Lage nach erkenne.

Sie wird sich dabei etwas gedacht haben, gelle? :wink:

Gruß

Renee

Das Schicksal der Mehrsprachigen :wink:
Hallo Isabel,

Aber ich merke bei mir manchmal (spreche drei Sprachen, zwei
davon quasi als Muttersprache, und denke halt mal in der oder
mal in der Sprache, depending on which language I was just
speaking/reading), dass ich einen Gedanken habe, aber in
keiner Sprache auf das richtige Wort komme. Es liegt mir auf
der Zunge, will aber irgendwie nicht raus. Und da hab ich mich
auch ab und an mal gefragt, ob die Gedanken eben schon VOR dem
Ausdrücken in Sprache da sind.

ich mußte schmunzeln als ich das las, weil es mir manchmal ebenso geht. Auch bei mir ist es kein Problem binnen von Sekundenbruchteilen z. B. von Deutsch auf Polnisch zu wechseln, allerdings kann es zu einem wunderhübschen Kauderwelsch führen, wenn ich mal wieder gleichzeitig auf polnisch telefoniere und auf deutsch schreibe. Lustig sind auch mehrsprachige Träume…

Grinsegruß

Renee

Hallo Hardy,

ist Denken gleich lautlosem Sprechen? Oder ist Denken das, was davor kommt?

Grüße,

Oliver Walter

Hallo Hardy

Ich denke mittels meiner Sprache,

ICH NICHT NUR
d.h.die Gedanken sind

unausgesprochene Worte und Sätze. Wie aber denkt ein Mensch,
der seit seiner Geburt gehörlos ist

Ich denke auch in Bildern und fand es schon immer ziemlich daneben, als damals an der Uni so Sätze wie „Ohne Sprache kein Denken“ gefallen sind.
Gruß, Branden

Hallo,

Ich denke mittels meiner Sprache, d.h.die Gedanken sind unausgesprochene Worte und Sätze.

ist das so ? Die Sprache hat sicher einen Einfluß auf das Denken, da sie die Begriffe prägt, an denen sich das Denken orientiert. Das Denken an sich, erfolgt aber m.M. wesentlich paralleler, als es durch (unausgesprochene) Sätze darstellbar wäre. Beim Aussprechen werden die Gedanken „normiert“/„synchronisiert“ wiedergegeben.

Gruss
Enno

Hallo hardy,

Ich denke mittels meiner Sprache, d.h.die Gedanken sind
unausgesprochene Worte und Sätze. Wie aber denkt ein Mensch,
der seit seiner Geburt gehörlos ist ?

Gebärde ist (inzwischen) eine anerkannte Sprache!

Es ist übrigens so, daß bei Gehörlosen, die gebärden, die gleichen Gehirnregionen aktiv sind, die bei hörenden für das Sprechen zuständig sind.

Gandalf

Ich denke mittels meiner Sprache, d.h.die Gedanken sind
unausgesprochene Worte und Sätze. Wie aber denkt ein Mensch,
der seit seiner Geburt gehörlos ist ?

wie jeder mensch in einer sprache! wenn es keine gesprochene ist, dann eben eine gebärdete, gemalte und bebilderte.

begriffe sind vor den worten da. die worte sind nur fingerzeige auf die begriffe. du kannst ebensogut hindeuten - nicht nur auf „tisch“ und „maus“ sondern auch geistig durch umschreibung. das merkt man daran, daß man über dinge sinnvoll sprechen kann, ohne ein gemeinsames wort dafür zu haben. der extremfall ist eben ein gehörloser, der null worte hat.

gruß
datafox

Hmm,

das merkt man daran, daß man über dinge sinnvoll sprechen kann, ohne ein
gemeinsames wort dafür zu haben.

das gestaltet sich schwierig, bei abstrakteren Begriffen. Denken und die zugrunde liegende Begriffssprache sind schon voneinander abhängig.

Gruss
Enno

das gestaltet sich schwierig, bei abstrakteren Begriffen.

und grade die abstrakteren begriffe sind es oft, für die man das wort nicht weiß :smile:

Denken und die zugrunde liegende Begriffssprache sind schon
voneinander abhängig.

was ist begriffssprache für dich?

ich unterscheide zwischen begriffen und worten. begriffe und die beziehungen zwischen ihnen sind universell für alle menschen, die in derselben „welt“ (grob gesagt) leben. wenn du weißt was eine autobatterie ist und ein anderer es ebenfalls weiß, dann könnt ihr drüber sprechen, obwohl du nicht sein und er nicht dein wort dafür kennt. der begriff ist gleich, nur das wort ist anders. (wenn nie oder selten ein input von außen kommt, dann entsteht eine privatsprache: man erfindet wörter zum persönlichen gebrauch.)

ich sehe nicht ein, warum sich ein gehörloser von einem anderen menschen in seiner sprache und seinem denken unterscheiden soll. ein gebärdensprecher macht gesten die ich nicht verstehe, ein anderer mensch, zb. ein japaner, bewegt seinen mund und erzeugt laute, die ich nicht verstehe. beide denken und träumen in der sprache, die sie zu „sprechen“ gewohnt sind. und die begriffe sind mit ziemlicher sicherheit dieselben.

so war das gemeint.

gruß
datafox

Hallo,

und grade die abstrakteren begriffe sind es oft, für die man das wort nicht weiß :smile:

Exakt, deshalb erweitert man in solchen Fällen auch häufig seine (Begriffs-)sprache. Die Bedeutung des neuen Begriffs, ergibt sich aus den Beziehungen, zu bereits vorher bekannten Begriffen.

was ist begriffssprache für dich?

Scheinbar im wesentlichen dasgleiche, wie für Dich. Begriffe als „abstrakte Denkeinheiten“, die z.B. über Merkmale kategorisiert werden. Begriffssprache als Gesamtheit aller beim Denken verwendeten Begriffe.

ich unterscheide zwischen begriffen und worten.

Das ist richtig. Worte sind zu einem gewissen Grad, die kulturspezifische Wiederspiegelung der Begriffe.

ich sehe nicht ein, warum sich ein gehörloser von einem
anderen menschen in seiner sprache und seinem denken unterscheiden soll.

Addieren wir ein Handicap und betrachten den gehörlosen Blinden oder gehörlosen Analphabeten. Würdest Du hier einen Unterschied sehen ? Insbesondere, wie vermittelt man dieser Person die „gängige“ Begriffssprache ?

Gruss
Enno

Hallo,

ganz interessant in diesem Zusammenhang:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,314…

Schoenen Gruss, Gnlwth

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Psycholinguistik
Hallo!
Und hier zum Weiterlesen (und Denken… :wink: der Fach-Link zu den Spezialisten:
http://www.psycholinguistik.uni-muenchen.de/
(Interessante Artikel unter „Internetpublikationen“).
LG, Norah

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wie vermittelt man dieser
Person die „gängige“ Begriffssprache ?

durch den tastsinn. aber das dürfte schon sehr schwierig sein.

(rest gelöscht wegen zustimmung.)

gruß
datafox

ganz interessant in diesem Zusammenhang:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,314…

„Sollte die Theorie stimmen, müsste es in bestimmten Kulturen Denkweisen und Konzepte geben, die Mitglieder eines anderen Kulturkreises nicht verstehen können - einfach, weil sie keine Worte dafür kennen.“

oder man sagt: „die worte gibt es nicht, da diese konzepte in dieser kultur eben nicht existieren.“

was stimmt denn jetzt? was war zuerst, die henne oder das ei? „dann müßte es geben“ finde ich lustig. natürlich gibt es konzepte in kulturen, die mitglieder einer anderen nicht oder nur sehr schwer verstehen. dazu muß man nicht in den urwald! so extreme dinge wie mit zahlen wird man schwer in der „zivilisation“ finden, aber doch jede menge anderer! mit der sprache hat es m.e aber nichts zu tun.

der ausdruck „wahrnehmumgsstörung“ stört mich in diesem artikel. da spricht die überheblichkeit über diese dummen wilden, die nichtmal bis drei zählen können.

gruß
datafox

Hallo,

was stimmt denn jetzt? was war zuerst, die henne oder das ei?

Worte sind essentiell, um ein neues Konzept bzw. einen neuen Begriff anderen zu vermitteln. Ich glaube nicht, daß neue Konzepte „druckreif“ entwickelt werden und dann „wörtlich“ repräsentiert werden. Vielmehr dürften solche Konzepte „wachsen“, durch Interaktion von vielen und den daraus „erkannten“ Assoziationen zu anderen Konzepten. Die Sprache und damit den Wörtern kommt dabei die Rolle des Interaktionsmediums zu.

Gruss
Enno