PersEntwicklung Sohn/Vater und Tochter/Mutter

Hallo (und ein frohes neues Jahrzehnt!),

sehr häufig und oft habe ich gehört und gesehen, wie enorm wichtig der eigene Vater für einen Jungen ist. Für seine persönliche Entwicklung zu einem ganzen Mann. Er braucht den starken, gesunden, integrierten und stabilen Vater als Vorbild und zur Identifikation. Anleitung, Unterstützung, Freund, Erzieher, usw. Der Vater muss da sein! Oder zumindest eine adäquate Ersatz-Bezugsperson (männlich, erwachsen) muss zuverlässig da sein.

Auch und gerade für den Jungen, um sich von der Mutter loszulösen, die ja doch vor allem in den ersten Lebensjahren eine überaus starke Bindung aufbaut, bzw. aufgebaut hat. Ist klar, denke ich.

Dabei habe ich unterschiedliche Konstellationen betrachtet. Familien mit und ohne Scheidung, mit/ohne Alkoholismus (und Gewalt), mit/ohne depressiven Elternteilen, o. ä., usw. Ich kenne viele junge Männer (Alter 27-35), die sich so ziemlich exakt analog zu ihrer väterlich familiären Konstellation, Umstände, Ausstattung, Verfassung, Unterstützung, usw. entwickelt haben.

Meine Frage bezieht sich auf die Tochter: Sie muss sich nicht in der Form und Stärke von der Mutter loslösen um eine ganze Frau zu werden.

Frage: Ist die Mutter für sie so entscheidend wichtig, wie für den Sohn der Vater? Entwickelt sie sich auch so ziemlich exakt analog zu ihrer mütterlich familiären Konstellation, Umstände, Ausstattung, Verfassung, Unterstützung, usw.? Oder spielt hier der Vater als Geldverdiener und möglicher Familienverlasser (nur mal als Beispiel) eine gewisse prägende Rolle mit hinein?

Gerne auch Links zu Web-Artikeln dazu! Danke.
@ Mod: Ich würde das hier gerne vornehmlich unter psychologischen Gesichtspunkten betrachten und nicht, oder zumindest nicht allein unter pädagogischen Gesichtspunkten.

Gruß,
Yedi386

Moin
Du berührst mit deiner Frage die ödipale Konstellation, die Freuzd entdeckte. Meiner Ansicht nach hat er sie etwas zu sexuell getönt, aber im Prinzip die Wichtigkeit der Beziehung zum gegengeschlechtlichen Elternteil erkannt.
Nach etwa 40 Jahren Beschäftigung mit dieser Materie und etwa 20 Jahren ausschließlicher Praxisarbeit mit neurotischen Patienten bin ich -immer noch zögernd und vorsichtig- zu der Annahme gekommen, dass insbesondere bei Mädchen/Frauen die Beziehung zu ihrem Vater ganz wesentlich für ihre spätere Entwicklung und ihre spätere Beziehungsmöglichkeit ist. Der Vater ist der erste Mann, den die Tochter erlebt und der ihre Vorstellung von Männern prägt.
Natürlich ist ebenfalls die Beziehung zur Mutter (inwieweit kann ich mich als Mädchen mit der Mutter identifizieren oder sogar eher mit dem Vater - ich hatte einige solcher Patientinnen) eminent wichtig.
Gruß,
Branden

Hallo vanBranden,

dass insbesondere bei Mädchen/Frauen die
Beziehung zu ihrem Vater ganz wesentlich für ihre spätere
Entwicklung und ihre spätere Beziehungsmöglichkeit ist. Der
Vater ist der erste Mann, den die Tochter erlebt und der ihre
Vorstellung von Männern prägt.

Dies könnte man aber umgekehrt doch auch auf den Sohn zu seiner Mutter übertragen, oder? Insbesondere bei einem schwachen, depressiven Vater (Typ: Verlierer), der sich von seinem Sohn eher distanziert (also kühl und wortkarg gibt). Und insbesondere bei einer dabei auch noch herrischen und dominanten Mutter, die mit Strenge, Beschneidung, Erpressung und Verboten den Sohn (mehr oder weniger allein) erzieht. In einem solchen Fall wäre der Sohn nämlich unnatürlicherweise geradezu gezwungen, sich an der Mutter zu identifizieren und gute Miene zu dem bösen Spiel zu machen.

Was mir zu der Tochter zudem noch auffällt:

Der Vater ist der erste Mann, den die Tochter erlebt und der ihre
Vorstellung von Männern prägt.

Wie sieht es denn aus, wenn sie noch 1-3 ältere Brüder hat? Die könnten ihr doch auch als Orientierung dienen, oder? Hhhhhhmmmmm…

Gruß,
Yedi386

Moin
Beide Fragen würde ich mit einem herzhaften „ja“ beantworten. :wink:
Wobei es schon einen gewissen Unterschied macht, ob der Sohn sich mehr mit dem Vater, mit einem seiner Brüder oder seiner Mutter identifiziert (vice versa Tochter). Die Psychoanalyse sah und sieht hier eine Entwicklungsmöglichkeit zur Homosexualität.
Gruß,
Branden

Hallo zusammen!

Bin zufällig auf eure Unterhaltung gestoßen und Interessiere mich persönlich sehr für das Thema.

Ich selbst bin ohne Vater aufgewachsen und habe ihn auch nie kennen gelernt. Jetzt bin ich 20 und hatte noch keine Liebesbeziehung zu einem Mann. Ich habe mir schon oft die Frage gestellt ob das mit der fehlenden Vater Figur zu tun hat oder ob ich einfach noch nicht bereit bin.
Zwar habe ich ein 2 Jahre älteren Bruder aber ich finde es ziemlich anmaßend von ihm zu verlangen mein Männliches Vorbild zusein.

Vielleicht habt ihr ja ein paar anregungen wenn ich mich mal einfach in euer Gespräch einbringen kann vielleicht kann ich euch ja sogar helfen die Sicht der „Tochter“ zuschildern.

Danke euch schonmal im voraus!

Liebe Grüße!

Hi Violet

Vielleicht habt ihr ja ein paar anregungen wenn ich mich mal
einfach in euer Gespräch einbringen kann vielleicht kann ich
euch ja sogar helfen die Sicht der „Tochter“ zuschildern.

Warum nicht - ich bekomme zwar fast täglich diese Schilderungen von Töchtern (von meinen beiden Töchtern eher weniger, aber von den Patientinnen, die eine Vater-Übertragung auf mich hin aufgebaut haben) - schreib doch einfach, was dir alles so dazu einfällt.
Es grüßt dich
Branden

Achso ja wenn du dich damit auskennst hättet ich eher Fragen zu diesem Thema! Inwiefern hängt die Vater/Tochter Beziehung mit den späteren Beziehungen der Tochter mit Männern zusammen? Welche Probleme treten auf und wie kann man diesen entgegenwirken?

Viele Grüße

Violet

Hi

Inwiefern hängt die Vater/Tochter Beziehung
mit den späteren Beziehungen der Tochter mit Männern zusammen?
Welche Probleme treten auf und wie kann man diesen
entgegenwirken?

Nun ja, das ist ein weites Feld. Der Vater ist wiegesagt der erste Mann auf der Lebensbühne der Tochter und prägt entscheidend ihr Männerbild. Wenn er so eine starke Persönlichkeit ist wie z.B. Vater Freud selber, dann konnte eine jüngste Tochter wie Anna Freud kaum noch einen anderen Mann toll finden, einfach ausgedrückt. Sie zog es dann vor, eine Frau zur Partnerin zu nehmen. Aber das sind Spezialitäten, die sich individuell ergeben. Man kann keine genaue Prognose abgeben.
Gruß,
Branden

okay wenn also der Vater eine sehr starke Persönlichkeit aufweist könnte es in diese Richtung gehen. Wie ist es denn aber wenn, wie zum Beispiel bei mir der Fall, keine generelle Vaterfigur vorhanden ist.
Welche Probleme enstehen bei diesem extrem?
Und wie stark und welche Auswirkung können eintreffen wenn der Sohn ohne Vaterfigur aufwächst?

Viele Grüße!
Violet