Stimmen hören

Tag,
ich würde gerne alles über das Phenomen ‚Stimmen hören‘ wissen. Wie wird das Kreankheitsbild eingeordnet? Welche Erklärungsmuster gibt es?Welche Heilmethoden gibt es, bzw. werden angewendet? Usw.
Grüße
Stefan

Hallo Stefan,

das Phänomen „Stimmen hören“ ist ein Symptom bei mehreren psychischen Störungen. Charakteristisch ist „Stimmen hören“ für Schizophrenie, aber „Stimmen hören“ nicht nur Schizophrene. „Alles“ darüber zu schreiben, würde dieses Forum sprengen. Abgesehen davon, daß wohl niemand hier oder sonstwo „alles“ darüber weiß. Wenn Du Dir die Mühe machst, in diesem Brett ein wenig runterzuscrollen, dann wirst Du auf einen Artikel namens „Symptomatik der Schizophrenie“ stoßen, der noch weitere Symptome der Schizophrenie außer „Stimmenhören“ aufgeführt sind. Auch in unserem Archiv findest Du vieles, wenn Du das Stichwort „Schizophrenie“ eingibst. Heilmethoden gibt es gegen das Symptom des „Stimmenhörens“ z.B. in den Fällen, in denen eine reparable organische Ursache des Symptoms gibt, z.B. beim Trinkerwahn (Delirium tremens). Zwar sind bei dieser psychischen Störung visuelle und szenische Halluzinationen charakteristisch, aber akustische können auch auftreten. Bei der paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, für die akustische Halluzinationen typisch sind, kann man nicht heilen, wohl aber die Symptome mittels Neuroleptika (z.B. Haloperidol oder Clozapin) unterdrücken.

Gruß,

Oliver Walter

Soweit ist alles klar, nun noch ein paar konkretere Fragen zur Einordnung und Umgangsweise. Wenn ich z.B. Stimmen höre, dies nicht unterdrücken kann aber im Stande bin mich soweit zurück zu halten dass ich kein auffälliges Verhalten zeige, würde dies als Schizophren bezeichnet? Und die andere Möglichkeit, wenn ich real gehörtes, bzw. Fetzen von Unterhaltungen in ein ‚Wahngebilde‘ einfüge bzw. überempfindliche Emotionen habe (z.B. in hellhörigen Mietshäusern o.Ä.) und meinen subjektiven Leidensdruck nicht nach aussen trage, was ist das dann (außer traurig)? Und gibt es in diesen schwachen Fällen, in denen nicht das gesammte Bewußtsein getrübt ist, und zumindest der Wille, wenn auch mühslig, die Oberhand behält, harmlosere Methoden als die genannten Neuroleptika?
Grüße
Stefan

Hallo Stefan,

Wenn ich z.B. Stimmen höre, dies nicht unterdrücken kann aber im
Stande bin mich soweit zurück zu halten dass ich kein auffälliges
Verhalten zeige, würde dies als Schizophren bezeichnet?

das ist eine Frage der Differentialdiagnose, die im Fall psychotischer Störungen relativ kompliziert ist. Nach DSM-IV, einem Diagnosesystem psychischer Störungen, erhält eine Person, die mindestens 1 Monat, aber nicht mehr als 6 Monate lang schizophrene Symptome zeigt, die nicht mit deutlichen Leistungseinbußen oder der Verschlechterung der sozialen Situation einhergehen, es aber können, statt der Diagnose „Schizophrenie“ die der „schizophreniformen Störung“. Dauern die Symptome noch kürzer an (von einem Tag bis zu einem Monat), dann kann die Diagnose der „Kurzen Psychotischen Störung“ gestellt werden, wobei bei dieser Störung ebenfalls erhebliche Beeinträchtigungen im sozialen und beruflichen Bereich auftreten können, aber eben nicht müssen. Falls nur akustische Halluzinationen ohne weitere Symptome vorliegen, dann kann die Diagnose einer „Nicht Näher Bezeichneten Psychotischen Störung“ gestellt werden, falls keine andere Störung das Störungsbild besser erklären kann.

wenn ich real gehörtes, bzw. Fetzen von Unterhaltungen in ein
‚Wahngebilde‘ einfüge

dann nennt man das eine „Wahnwahrnehmung“. Von allen Wahnphänomenen ist sie am charakteristischsten für Schizophrenie. Allerdings muß man die Wahnwahrnehmung vom einfachen Inbeziehungsetzen zur eigenen Person (Eigenbeziehung) unterscheiden. Wenn die Sinneswahrnehmung richtig ist und die Person eine plausible, allerdings falsche Interpretation dieser Sinneswahrnehmung macht, dann ist es keine Wahnwahrnehmung (z.B. wenn man Leute tuscheln und in seine Richtung blicken sieht und meint, daß die Leute über einen reden = einfache Eigenbeziehung = „normal“).

bzw. überempfindliche Emotionen habe (z.B. in hellhörigen
Mietshäusern o.Ä.)

Dabei kann es sich um Wahrnehmungsanomalien handeln, die als Symptome bei einer Vielzahl von psychischen Störungen auftreten können, z.B. unter Drogen, bei Angstzuständen (Panikattacken), aber auch bei Schizophrenie. Sie sind nicht charakteristisch für eine Störung und können auch bei Personen mit sonst „normaler“ Psyche auftreten.

und meinen subjektiven Leidensdruck nicht nach aussen trage,

Leidensdruck spielt bei Schizophrenie und auch bei einigen anderen psychischen Störungen (z.B. bei der Manie) keine Rolle für die Diagnosestellung. Dieser Punkt ist deshalb nicht berücksichtigt, weil der psychische Zustand bei Menschen mit diesen Störungen dermaßen „ver-rückt“ ist, daß trotz schwerster Beeinträchtigungen kein Leidensgefühl auftreten muß, Krankheitseinsicht fehlt häufig. Außerdem ist es nicht selten schwierig, das Vertrauen eines paranoiden Schizophrenen zu gewinnen, der seine Wahnvorstellungen und seine Halluzinationen aus (für ihn) verständlichen Gründen für sich behält.

Und gibt es in diesen schwachen Fällen, in denen
nicht das gesammte Bewußtsein getrübt ist, und zumindest der
Wille, wenn auch mühslig, die Oberhand behält, harmlosere
Methoden als die genannten Neuroleptika?

Bei diesen Fällen handelt es sich nicht unbedingt um „schwache“ Fälle. Sie dauern zwar kürzer an oder es treten keine Beeinträchtigungen auf, allerdings weiß man erst nach Ablauf der genannten Zeiträume sicher, ob es sich um solche Störungen oder um Schizophrenie handelt. Im Interesse der Patienten, d.h. auch um Schlimmeres zu verhüten, wird mit Neuroleptika behandelt. Man stelle sich vor, man hätte nicht mit Neuroleptika behandelt und plötzlich stellt sich heraus, daß trotz aller Anzeichen der als schizophreniform bezeichnete Zustand in eine Schizophrenie übergeht.

Zu dem Bereich der Differentialdiagnose möchte ich hinzufügen, daß die Zeitangaben und Definitionen der Störungen vom Diskussionsstand in der Psychiatrie abhängen, also nicht bis in alle Ewigkeit gültig sind.

Gruß,

Oliver Walter

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Gesetzt den Fall jemand hat das Problem Stimmenhören seit, sagen wir mal, 8 Jahren, hat keine psychologische Hilfe gesucht und sich ‚durchgebissen‘ da er sich von Anfang an klar war das es sich um sein eigenes Problem handelt (also Krankheitsbewußtsein vorhanden ist) und sich auch nicht einer Medikamentierung ergeben will.
Inzwischen eine gewisse Kontrolle über die Inhalte der Stimmen erlangt hat, bzw. nicht mehr unbedingt nur negatives ‚zu hören‘ bekommt und auch die Frequenz abgenommen hat. Ab wann wird der Begriff geheilt angewendet? Wenn die Symthome ganz verschwunden sind, oder wenn der Umgang damit zur Normalität geworden ist?

Dann noch eine Frage zur Prüfung. Wie wird festgestellt ob jemand Stimmen hört und dies nicht nur simuliert? Gibt es Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dafür, staatliche Hilfe aufgrund dieser Einordnung? Frührente? Ist dies eine Behinderung?

Hallo!

Bei solchen Symptomen gibt es keine offizielle Heilung.
Psychiater und Psychologen die keine Symptome mehr bei
ihren „Patienten“ erkennen, sprechen von einer Remission.
Remission bedeutet: Symptomfrei! Gemeint ist dann
das der „Patient“ zwar noch Schizophren ist, aber z.Zt.
keine Symptome hat. Das hat den Vorteil, das die Menschen
immer noch als „Patient“ gelten und potentiell Geld bringen.

Gruß

Oliver-Michael