Was soll ich einem Psychotherapeuten beim Erstgespräch erzählen?

Liebe/-r Experte/-in,

ich möchte - wenn sie mir geben kann was ich möchte - eine Psychotherapie anfangen.

Ich hatte einige Erstgespräche mit Psychotherapeuten.

Problem war immer, daß ich von einem Thema zum nächsten komme, eine Stunde zu kurz ist und ich nicht weiß, was ein Psychotherapeut mir geben kann.

Daher die Frage: Weil mein Leben privat nicht und beruflich schlecht läuft, sammeln sich alle möglichen Probleme an, was soll ich dem Psychotherapeuten aber erzählen? Was kann er tun, und besonders wichtig was kann ich erwarten?

Wäre es nicht besser, ihm einen Brief zu schicken, in dem alles steht und dann bereits mit Vorwissen zu beginnen? Sodaß er sagen kann, was er tun kann?

Grüße

Bestattender

Lieber Bestattender,

durch Ihre Anmerkung, dass die Stunden immer zu kurz sind und es der Themen viele gibt, ist ein großes Mitteilungbedürfnis oder auch ein Leidensdruck spürbar.

Bei den sog. Erstgesprächen (egal ob die Therapie über Kasse läuft oder privat finanziert wird) geht es nicht darum zu glänzen, sondern im Kontakt, im Gespräch herauszufinden, ob man als Therapeut und Klient zusammenpasst (je nach Therapierichtung kann diese Beziehung als sehr oder „normal“ wichtig eingestuft werden - und sich auch im Verlauf einer Therapie ändern…), ob Sie spüren, dass er - der Therapeut - an mir Interesse zeigt, ob ich mich - auch in der ersten Stunde - irgendwie aufgehoben fühle, angesprochen usw.

Was Sie erwarten können?
Dass da jemand sitzt, der nur für Sie da ist - wenn auch „dienstlich“. Ein guter Therapeut lässt spüren, dass Ihre Probleme und Sie als Person wichtig sind,
dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten ((bewilligte) Zeit, Therapiemethode, Frequenz der Stunden…) Interaktionen und Interventionen einleitet, die Ihnen andere Zugänge zu Ihren Problemen (und Lösungen), Lösungsmöglichkeiten Ihrer Probleme, Anerkennung Ihrer Probleme etc. aufzeigen.

Um die Aufregung vor dieser evtl. stressigen Situation zu nehmen, würde ich in Ihrem Falle für mich alle Probleme auf einem Zettel notieren und in der Stunde vorstellen. Bleiben Sie irgendwo „hängen“, ist das vollkommen in „Ordnung“. Ein guter Therapeut muss nicht alles „sofort“ wissen. Vieles ergibt sich erst im Laufe einer Therapie.

Oft gibt es Fragebögen in den Erstgesprächen, damit der Therapeut besser Bescheid weiß. Auch da können Sie sich quasi „brieflich“ äußern.

Ich würde auch nachfragen, ob es für ihn o.k. wäre, alles, was Ihnen momentan auf der Seele brennt, in einem Brief zusammenzufassen. Das hilft oft!
Trotz des „Vorwissens“ heißt es noch nicht, dass der Therapeut weiß, was wirklich in Ihnen vorgeht. Das stellt sich oft erst während der Therapie heraus und wandelt sich manchmal auch.

Manche Therapeuten wünschen sich auch in den Erstgesprächen oder am Anfang einer Therapie verfasste Lebensläufe, mit den Ereignissen, die einen emotional am meisten bewegt haben. Das ist einfach unterschiedlich von Therapeut zu Therapeut, von Klient zu Klient.

Das „Springen“ von Thema zu Thema, weil man so viele Themen hat, ist „normal“. Hier hat ein Therapeut Mittel und Wege, damit umzugehen, um herauszufinden, mit was Sie sich wirklich in der konkreten Sitzung auseinandersetzen wollen.
Im Laufe einer Therapeut lernt man auch, sich genauer zu fokussieren, aber auch zu akzeptieren, dass dies manchmal nicht möglich ist, weil man „zu viele“ Themen hat. Ein professioneller „menschlicher“ Begleiter an Ihrer Seite kann Ihnen da normalerweise weiterhelfen!

Wünsche Ihnen alles Gute und wenn Sie noch Fragen habe, versuche ich diese möglichst schnell zu beantworten!

Julie

Hallo,
ich will es mal so formulieren: Der „Behandler“ braucht einen „Arbeitsauftrag“. Sie sollten ihm also erzählen, was Sie erreichen wollen, was Ihre Ziele sind. Je genauer umso besser.
Je nach Therapierichtung wird er dann strukturiert weiterfragen.
Solche Therapieziele wie „gesund werden“, „Depression weg“ sind recht unspezifisch. Stellen Sie sich vor was Sie bräuchten um in Zukunft mit Ihrem Problem besser fertig zu werden. Z.B. besser „Nein“ sagen können, mehr Sebstsicherheit usw.
OK so?
Grüße
B. S.

Lieber Bestattender,
danke für Deine Anfrage.
Gute Psychotherqapeuten freuen sich über eine schriftliche Zusammenfassung zur Vorinformation . Exzellente Therapeuten stellen sogar bei der telefonischen Anfrage ein paar gezielte Fragen, die sie dann vom zukünftigen Klienten vor dem Erstgespräch erwarten.

Dann kann der Therapeut gezielt und lösungsorientiert vorgehen.
Jetzt gibt es halt unterschiedlich ausgebildete Therapeuten. Zum Beispiel wird ein analytischer Therapeut solche Fragen nicht stellen, er ist eher an dem sich entwickelnden Prozeß zwischen Klient und Berater interessiert. Das heißt Du hast auch zu fragen welcher Schule ein Berater ist. Vor Jahren habe ich mal ein paar Fragen zusammen gestellt, die mir wichtig erscheinen beim Finden eines guten und passenden Therapeuten. Hier sind sie eingefügt. Doch zuvor empfehle ich auch einen Link, der grundsätzliche Informationen gibt: „Basis-Informationen aus: http://www.psychotherapiesuche.de/psychotherapie.html
Meine Fragen gebe ichauch gerne weiter:
Entscheidungsgedanken zum Finden
eines gut passenden Psychotherapeuten

  1. Ich fühle mich bei der Psychotherapeutin gut aufgehoben.
  2. Der Psychotherapeut erscheint kompetent.
  3. Sie / er antwortet mir auf meine Fragen nach ihrer / seiner Qualifikation / Qualität.
  4. Der Psychotherapeut ist eher beweglicher und offen für neue Ideen.
  5. Die Psychotherapeutin stellt sich auf mich ein und versucht mich zu verstehen.
  6. Der Psychotherapeut benennt auch seine Grenzen und Bereiche, in denen er / sie sich nicht auskennt.
  7. Der Psychotherapeut ist dazu bereit, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die eine wesentliche Rolle in meinem Leben spielen.
  8. Was der Psychotherapeut sagt, erscheint mir sinnvoll.
  9. Die Vereinbarungen, die ich mit dem /der PsychotherapeutIN treffe, führen meist dazu, daß meine Selbstachtung wächst und ich zuversichtlicher in die Zukunft schaue.
  10. Der Psychotherapeut traut mir Kompetenz zu. Er behandelt mich nicht so, als wäre ich krank oder unzureichend und kurz vor dem Zusammenbruch.
  11. Der Psychotherapeut hat Sinn für Humor.
  12. Die Psychotherapeutin gibt mir Rückmeldung und ist bereit, mir zu sagen, wie er über mich denkt und welche Gefühle er in Bezug auf mich hat.
  13. Der Psychotherapeut entschuldigt sich für Fehler und rechtfertigt sich nicht groß.
  14. Der Psychotherapeut erläutert den formalen Ablauf der Psychotherapie mit Abrechnung und Arztbesuch.
  15. Die Psychotherapeutin beantwortet auch meine direkte Fragen, ohne mich zurückzufragen, was ich dazu meine.
  16. Der Psychotherapeut erzählt auch von sich aus oder auf meine Frage etwas über sich selbst. Es steht im Zusammenhang mit dem Thema und ist nicht unnütz oder angeberisch.
  17. Die Psychotherapeutin erläutert mir ihre Vorstellung des Ablaufes der Therapie mit seinen Risiken und Möglichkeiten.
  18. Die Psychotherapeutin erläutert mir ihre Vorstellung des Therapieablaufes mit seinen Risiken und Möglichkeiten.

Ich hoffe Dir nützlich gewen zu sein und grüße mit Freude
G.K.

Lieber Bestattender,

auch wenn es für uns Männer ungewohnt ist, sollten Sie so viel wie möglich über Ihre Emotionen und Gefühle sprechen. Denn alles was Sie im privaten oder beruflichen Alltag erleben, basiert auf den Emotionen, die Sie damit verknüpfen.

In der Regel sind alle Probleme auf maximal 5 Hauptemotionen zurückzuführen und ein guter Psychotherapeut wird den Fokus auf Ihre Gefühle legen.

Ansonsten erzählen Sie ihm das, was Sie bisher noch niemals jemandem erzähölt haben und eigentlich auch Ihrem Therapeuten nicht erzählen wollten. Diese „Geheimnisse“ sind in der Regel eines der größten Probleme, die man mit sich herumschleppt.

Und zu guter Letzt: Ihr Psychotherapeut ist immer nur eine Unterstützung - niemals die Lösung.

Ansonsten prügen Sie mal bitte, ob Sie noch mehr Nicknames haben wie hier (Bestattender). Dadurch entsteht schnell eine selbst erfüllende Prophezeihung und ratzfatz bestatten Sie sich selbst. Also taufen Sie sich um in Glückskäfer 2010

Gruß Sven

Lieber Ratsuchender,

das sind ja gleich mehrere Fragen auf einmal - ich versuche zu sortieren.

  1. Ich würde Ihnen nicht empfehlen, Erstgespräche bei mehreren Therapeuten parallel zu führen. Psychotherapie ist immer eine Frage des Vertrauens und der Beziehung. Ihnen stehen 5 Probestunden zur Verfügung. Nehmen Sie sich diese Zeit zu entscheiden, ob ein Therapeut/eine Therapeutin zu Ihnen paßt und Sie miteinander arbeiten können. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man das auch besprechen und dann ggf. einen zweiten Anlauf bei einer anderen Person starten.

  2. Wenn Sie bei der Fülle Ihrer Sorgen nicht wissen, was Sie in einer Stunde (50 min) zuerst erzählen sollen, machen Sie sich vorher Gedanken und setzen Sie Prioritäten. Es wird sicher Problembereiche geben, die Sie besonders belasten. Wählen Sie einige der wichtigsten Punkte aus und beschränken Sie sich darauf. Auf einen Brief mit Ihren Sorgen werden sich nur die wenigsten TherapeutInnen einlassen, weil es ja darum geht, einen Menschen im persönlichen Kontakt kennenzulernen. Es gibt zwar KollegInnen, die auch E-mail-Beratung anbieten, das ist dann aber keine Therapie.

  3. Was Sie von einer Therapie erwarten können, hängt stark von Ihren Beschwerden und Ihrer Persönlichkeit ab - deshalb kann ich das hier nicht beurteilen. Am besten Sie machen sich auch über Ihre Erwartungen an eine Therapie im Vorfeld Gedanken und besprechen diese dann mit dem/der Therapeuten/in. Er/sie wird Ihnen dann sagen können, ob Ihre Erwartungen realistisch sind.

Viel Erfolg,

J. Steinitz
Dipl.-Psychologe/Psychotherapeut
[email protected]
www.steinitz.net

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Die Auskünfte und Ratschläge, die hier erteilt werden, ersetzen nicht die Beratung durch einen Arzt/Therapeuten und sind vollkommen unverbindlich. Ratschläge von Fachkundigen (Ärzten und/oder Heilpraktikern, Apothekern usw.) sind von diesem Vorbehalt nicht ausgenommen, da durch die Schriftform eine echte Diagnosestellung, somit auch ein Therapievorschlag, ausgeschlossen ist.

Gleichzeitig warnen wir ausdrücklich vor Selbstmedikation ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, Heilpraktiker oder mit dem Apotheker.