Ein älteres Ehepaar hat 6 erwachsene Kinder, die alle schon
ausgezogen sind. Sie sind im Besitz eines Hauses samt
Grundstück und etwas Ackerland. Der Ehemann verstirbt.
Einige Zeit später hat die Frau einen schweren Unfall und wird
zum Pflegefall. Da sie nun gelähmt im Bett liegt und nicht
mehr sprechen kann, entschließt sich eines der Kinder die Frau
bei sich aufzunehmen und zu pflegen. Sie bekommt vom Gericht
die Betreuung bzw. Vormundschaft zugesprochen. Das Haus indem
die Frau wohnte steht leer. Die Betreuerin entschließt sich
das Haus zu vermieten. Mieter wurden gefunden, ein Mietvertrag
wurde erstellt. Nach 1,5 Jahren, die die Mieter nun schon im
Haus wohnten, kommt plötzlich eines der Kinder und setzt der
Betreuerin eine Frist von 8 Wochen, in der die Mieter das Haus
zu verlassen haben.
Ich habe mich zwar schon längere Zeit nicht mehr mit Erbrecht befaßt, aber grundsätzlich müßte es so sein:
- Wie sieht die Verteilung des Erbes nach dem Tod des
Ehemanns aus, wenn kein Testament existiert? (Es geht nur um
das Haus und Grundstück!)
Es gilt gesetzliche Erbfolge. Unterstellt, die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand, dann ist die überlebende Ehefrau mit 1/4 und jedes Kind mit jeweils 1/8 am Nachlaß beteiligt.
- Kann die Betreuerin das Haus einfach so vermieten?
Nein. Die Vermietung ist eine Maßnahme der Nachlaßverwaltung, die einen entsprechenden Mehrheitsbeschluß der Erben erfordert. Die Betreuerin verwaltet den 1/4-Anteil der Mutter sowie ihren eigenen Anteil von 1/8. Macht zusammen 3/8. Das ist offensichtlich nicht die Mehrheit. Und die Vermietung ist auch keine notwendige Erhaltungsmaßnahme, die zur Not auch ohne Mitwirkung der anderen getroffen werden könnte.
Ohne Mehrheitsbeschluß dürfte der Mietvertrag unwirksam sein. Wenn die Unwirksamkeit nicht z.B. durch Nachholung einer Mehrheitsentscheidung behoben wird, müßte der Vertrag u.U. rückabgewickelt werden.
Noch unangenehmer könnte es werden, wenn die Betreuerin beim Abschluß des Mietvertrages gar nicht im Namen der Erbengemeinschaft, sonder allein im Namen der Mutter oder sogar nur in eigenem Namen gehandelt haben sollte.
In einem realen Fall wäre der Gang zum Anwalt längst überfällig.
- Darf das eine Kind einfach so fordern, dass die Mieter
ausziehen? Wer hat hier das Sagen?
Das Kind gehört der Erbengemeinschaft an, diese ist Eigentümer der Immobilie und der Eigentümer kann vom unrechtmäßigen Besitzer (Mietvertrag ist unwirksam, s.o.) die Herausgabe verlangen. Fragen müßte man sich allenfalls noch, ob er diesen Anspruch allein geltend machen darf und ob der Anspruch nicht u.U. ausnahmsweise ausgeschlossen ist, weil die Vermieter-Betreuerin die Zustimmung der Miterben zur Vermietung verlangen kann. Spätestens hier müßte man zunächst ins Gesetz und vielleicht auch mal in einen Kommentar schauen - oder (im Real Life) den Anwalt fragen.
Mit Pflichtteil hat das ganze übrigens rein gar nichts zu tun. Den Pflichtteil erhalten nur Kinder, wenn sie von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind. Dazu braucht es ein entsprechendes Testament (oder eine sonstige Verfügung von Todes wegen). Ohne Testament kein Ausschluß von der Erbfolge und ohne Ausschluß kein Pflichtteil.
- Wie sieht der ganze Sachverhalt aus, wenn alle Kinder
zugunsten der Mutter auf ihren Erbanteil vom Vater verzichtet
haben?
Wer wirksam verzichtet hat, ist erbrechtlich gesehen „Luft“. In diesem Fall wäre die Mutter Alleinerbin und könnte (ggf. durch die Betreuerin) die Immobilie nach Belieben vermieten, ohne dass die Kinder irgendetwas zu melden hätten.
Ein Verzicht ist aber nur wirksam, wenn er notariell beurkundet worden ist.