Gilt das Prinzip "in dubio pro reo" wirklich immer?

Hallo werweisswas-Community,

ich bin viel in englischsprachigen Foren unterwegs, daher lese ich zu 90% die Ansichten von Amerikanern. Es gibt auf diesen online Foren (weil im Internet mutiger als im echten Leben) die „Mens’ Rights Activists“, also Leute, die sich offiziell für die Rechte der Männer einsetzen. Inoffiziell gibt es aber viele unfundierte Behauptungen, rein emotionale Argumentation und und und. Daher vertraue ich grundsätzlich keiner Information, die von solchen Leuten kommt.

Das Thema ist Vergewaltigung: Im Mittelpunkt für diese zwielichtigen Gestalten sind die fälschlichen Anklagen der Vergewaltigung („false rape accusations“). In Amerika existiert der Grundsatz „in dubio pro reo“ überhaupt nicht und daher ist das reine Erfinden einer Geschichte bereits Mittel genug, um jemandem gehörig das Leben zu ruinieren, solange sich die Geschworenen auf schuldig eignen. Selbstverständlich hat es selbst im Falle des Urteils „unschuldig“ ziemlich heftige Konsequenzen auf sozialer Ebene für den fälschlich angeklagten. Darauf wird zwar viel Mist gebaut, doch es interessiert mich rein objektiv.

Meine Frage ist also: Wenn in Deutschland jemand der Vergewaltigung beschuldigt wird und der/die anklagende nichts als eine Behauptung vorbringen kann, ist der fälschlich angeklagte sicher? 

In Amerika soll es ja so sein, dass ein angeklagter seine Unschuld beweisen muss, aber hier in Deutschland gilt soweit ich weiss genau das Gegenteil, nämlich dass die Schuld des Angeklagten zu beweisen ist.

Ein Bekannter von mir hat zudem behauptet, „in dubio pro reo“ gelte nicht bei Vergewaltigung, aber bei allem anderen schon. Das halte ich für SEHR unwahrscheinlich, aber ich weiß es eben nicht. Daher meine Frage an euch.

Ich hoffe, jemand kennt sich gut aus!

Hallo,

in der Theorie gilt dieser Grundsatz in allen Ländern,die ihr Rechtssystem auf demokratischer Grundlage haben.

In der Praxis wird dieser Grundsatz heutzutage aber häufig durch die Medien und ihre
Vorverurteilung
über den Haufen geworfen.
Und da ist leider nicht nur in den USA die Tendenz bei den Richtern groß,publikumswirksame
Entscheidungen zu fällen,also zu Verurteilen als das Verfahren einzustellen.

Besonders gefährdet sind da natürlich die Angeklagten,die nicht über eine gute Bildung verfügen und sich auch keinen eigenen Anwalt leisten können.

siehe dazu hier
http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/artikel/n…

http://www.express.de/panorama/mit-falschaussage-rei…

Hallo,

„in dubio pro reo“ ist in D insoweit gültig, als verbleibende Zweifel an der Schuld eines Angeklagten auch zu seinen Gunsten gehen und eine Verurteilung nicht erfolgt. Dabei ist die zur Last gelegte Straftat unerheblich.

http://de.wikipedia.org/wiki/In_dubio_pro_reo#Anwend…

Das Rechtssystem in den USA tickt da etwas anders. Dort wird die Frage der Schuld von der Geschworenenjury entschieden. Diese darf keinen Schuldspruch fällen, falls berechtigte Zweifel an der Schuld des Angeklagten bestehen. Ein Schuldspruch muss einstimmig entschieden werden (da mag es möglicherweise einige US-Bundesstaaten mit Ausnahmeregelungen geben ???).

Es wäre mir zumindest neu, dass es in den USA zu einer Beweislastumkehr käme, also der Beschuldigte seine Unschuld beweisen müsste, anstatt dass ihm die Schuld nachgewiesen wird.

Gruß
vdmaster

Meine Frage ist also: Wenn in Deutschland jemand der
Vergewaltigung beschuldigt wird und der/die anklagende nichts
als eine Behauptung vorbringen kann, ist der fälschlich
angeklagte sicher? 

Bei Vergewaltigung ist es oft so. Da werden unschuldige verurteilt und so zerstört. Ein besonders schwerer Fall ist hier mal zu sehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Justizirrtum_um_Horst_A…

Meine Frage ist also: Wenn in Deutschland jemand der
Vergewaltigung beschuldigt wird und der/die anklagende nichts
als eine Behauptung vorbringen kann, ist der fälschlich
angeklagte sicher? 

Nein. Das vermeintliche Opfer ist im Strafverfahren ein Zeuge und daher ein ganz normales Beweismittel. Das Gericht kann diesem also glauben und basierend darauf zu der Erkenntnis kommen, dass hinsichtlich der Schuld des Angeklagten keine berechtigten Zweifel bestehen.

In Amerika soll es ja so sein, dass ein angeklagter seine
Unschuld beweisen muss,

Nö.

aber hier in Deutschland gilt soweit
ich weiss genau das Gegenteil, nämlich dass die Schuld des
Angeklagten zu beweisen ist.

Ja (in den USA auch).

Ein Bekannter von mir hat zudem behauptet, „in dubio pro reo“
gelte nicht bei Vergewaltigung, aber bei allem anderen schon.

Da redet er viel Unsinn.

Das halte ich für SEHR unwahrscheinlich, aber ich weiß es eben
nicht. Daher meine Frage an euch.

Er redet Unsinn.

Ich hoffe, jemand kennt sich gut aus!

Dazu muss man sich nicht mal gut ausgehen, um in Erfahrung zu bringen, dass in Deutschland auf in Verfahren des sexuellen Missbrauchs der Grundsatz gilt.

die einzelnen Fälle sind sicher schlimm aber:
die verurteilung erfolgt nicht, weil der Betr. seine Unschuld nicht beweisen konnte, sondern weil das Gericht keinen Zweifel an der Schuld hatte.
(und richter etc. sind nun mal Menschen - und bei einer Vergew. steht oft Aussage gegen Aussage, so dass die Glaubwürdigkeit entscheidendes Argument ist)

Hallo!

Das ist natürlich völlig richtig, allerdings kann man sich bei sowas schon manchmal die Frage stellen, wie groß der Einflus von Medien und hysterischer Bevölkerung auf die Meinungsbildung eines Richters ist. Außerdem stehen da Richter oft gewaltig unter Druck. Und es ist natürlich schwierigst zu entscheiden, wenn Aussage gegen Aussage steht.

Gruß
Tom

Hallo!

Ein Hinweis aus der Praxis: es gibt jede Menge radikaler Männerrechtler und Frauenrechtlerinnen, die sich gern so bei Gericht einmischen und dort auch besonders beliebt sind. Die einen sind dabei im Übrigen so dumm wie die anderen. Menschen und -innen mit psychischen Problemen, die ihre Probleme zu Ideologien machen und dem Rest der Menschheit damit auf die Nerven gehen - selbstverständlich in der Überzeugung für die gute Sache zu kämpfen.

Dein Gefühl war also richtig, dass du da nochmal nachfragst:wink: Auf die Justiz ist zwar nicht immer Verlass, aber im Großen und Ganzen arbeiten die Richter recht gut und es gilt auch der Grundsatz in dubio (wie Dea schon gesagt hat). Das größte praktische Problem ist meistens die Verurteilung durch Medien und Gesellschaft, die an sachlichen Ergebnissen der Justiz schlicht und einfach nicht interessiert ist. Deswegen ist der unschuldig Verdächtige (und Freigesprochene) sehr häufig dennoch völlig ruiniert.

Gruß
Tom

Dann sollen Staatsanwälte und Richter bei Fehlurteilen dafür haften. Bisher geht da nichts, wenn ein leben von Unschuldigen zerstört wurde.

Wie sollte denn so eine Haftung aussehen und wann konkret sollte sie eintreten?

Bei erwiesener Unschuld kommt nicht nur Einkommensverlust in Frage, sondern auch sonstiges wie Wohnungseinrichtung usw. Wer Mist baut, muß auch dazu stehen. Doch derzeit sind Richter nicht dazu bereit.

Das ist ja eher wenig konkret. Wer soll wann wieviel zahlen? Wird die Haftentschädigung angerechnet?

Hallo!

Dafür gibt es Rechtsmittel gegen Urteile. Und falls wirklich ein Urteil echt falsch „hingebogen“ würde, dann gibts sowieso derzeit auch schon eine Haftung.

Man kann jedenfalls nicht irgendwen dafür haftbar machen, falls sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass doch alles anders ist. Richter sind ebensowenig Hellseher wie andere Menschen.

Gruß
Tom

Hallo

Wenn für den Richter persönliche Konsequenzen zu befürchten sind, ist die Unabhängikeit nicht gewährleistet.

Gruss, Sama