Kostenerstattungsanspruch

Hallo,

der Kostenerstattungsanspruch ist der Anspruch einer Partei gegen den Verfahrensgegner, die ihr entstandenen Kosten zu ersetzen unter anderem auch die Kosten des Rechtsanwaltes. Legt nun das Gesetz fest wie viel ein Rechtsanwalt zu bekommen hat (Einheitspreis pro Stunde mal die erbrachten Stunden) und muss sich der Rechtsanwalt damit zufrieden geben, oder kann er die Differenz des Geldbetrages, die in der Gericht nicht anerkennt einfach vom seinem Kunden einholen, oder erkennt das Gericht die Kosten des Rechtsanwaltes an, die er mit einer Rechnung belegen kann? Mit anderen Worten, hat das Gericht die Möglichkeit dem Rechtsanwalt das Honorar zu kürzen?

Vielen Dank

Martin Unterholzner

Die Vergütung der Rechtsanwälte richtet sich grds. nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Anwalt und Mandant können auch eine höhere Vergütung vereinbaren, aber diese kann dann vom Gegner nicht ersetzt verlangt werden. Somit halten wir zunächst einmal fest, dass sich die Ersatzansprüche nach dem RVG richten.

Um die Vergütung nach dem RVG zu bestimmen, kommt es keineswegs auf einen Stundensatz und die Anzahl der gearbeiteten Stunden an, sondern auf den Streitwert der Sache (der in der Regel unstreitig ist und im Übrigen vom Gericht per Beschluss festgelegt wird) und die Gebührentatbestände. Es gibt z.B. einen Tatbestand, der erfüllt ist, wenn der Anwalt außergerichtlich tätig geworden ist und eine für die gewöhnliche gerichtliche Tätigkeit. Ein anderer Tatbestand gilt für Kommunikationskosten; dieser ist streitwertunabhängig.

Tatsächlich ist, wenn ein Gebührentatbestand erfüllt ist, damit noch nicht immer gesagt, wieviel Honorar der Anwalt nun wirklich verlangen kann. Das hängt nämlich teilweise auch von Umfang und Schwierigkeit der Sache ab. Welche Summe i. E. „richtig“ ist, wird im Zweifel in der Tat ein Gericht entscheiden. Wenn nun das Gericht aber zu dem Ergebnis kommt, im zu entscheidenen Fall sei (z. B.) eine 1,3-fache Gebühr gerechtfertigt, kann eben vom Gegner auch nicht mehr verlangt werden. Dann aber hat der Mandant natürlich auch gute Argumente gegenüber seinem eigenen Anwalt, wieso er ihm selbst mehr nicht schuldet.

Levay

Im Namen des Volkes!
Ich weiß weder, ob es dich interessiert, noch, ob es dich irgendwie weiterbringt, aber ich habe rein zufällig ein amtsgerichtliches Urteil zur Hand, bei dem es um solche Aspekte geht. Ich hänge es unten in anonymisierter Form an.

Dazu zwei Anmerkungen:

  1. Das Urteil wurde leider so nie verkündet. Der Kläger hat in Wahrheit verloren (wenn auch m. M. nach zu Unrecht).

  2. Da steht an einer Stelle, es könne dahinstehen, ob die Versicherung grundsätzlich vorsätzlich falsch reguliert. Der… äh… „Richter“, der dieses Urteil geschrieben hat, hatte einen guten Grund, das zu schreiben: Der Kläger behauptete das nämlich, und die beklagte Versicherung dachte gar nicht daran, es zu bestreiten; somit musste das Gericht es als unstreitig hinnehmen. Na ja, es spielte dann keine Rolle, musste aber aufgegriffen werden.

Fühl dich nicht gezwungen, das zu lesen, wenn es dich nicht interessiert. Das Anonymisieren war kein großer Aufwand.

Levay


[…]

für R e c h t erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 112,46 Euro nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juni 2007 zu zahlen.

  2. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, den Kläger i. H. v. 46,41 Euro von der Honorarforderung des Klägervertreters freizuhalten.

  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung eines restlichen Anwaltshonorars in einer Verkehrsunfallsache.

Der in Barßel wohnhafte Kläger war mit seinem Pkw an einem Unfall mit dem Versicherungsnehmer L der Beklagten beteiligt. Der Versicherungsnehmer unterzeichnete daraufhin ein schriftliches Schuldanerkenntnis.

Der Kläger beauftragte den Klägervertreter als Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Dieser machte gegenüber der Beklagten namens seines Mandanten Schadensersatzansprüche geltend und reichte zum Nachweis der Schadenshöhe ein Sachverständigengutachten ein, das er für den Kläger in Auftrag gegeben hatte. Die Beklagte regulierte den Schaden, als sie sich von dem Schuldanerkenntnis überzeugt hatte, nur zum Teil, nämlich unter Berücksichtigung von niedrigeren Stundensätzen einer Reparaturwerkstatt in Ostfriesland. Als der Anwalt des Klägers der Forderung abermals Nachdruck verlieh, wurde diese von der Beklagten schließlich voll erfüllt. Der Klägervertreter hat im Rahmen der Schadensabwicklung auf Veranlassung des Klägers telefonischen Kontakt mit einem Autohaus in Barßel und auch mehrfach mit Mitarbeitern der Beklagten gehabt.

Nach der Regulierung des geltend gemachten Schadens durch die Beklagte stellte der Klägervertreter der Beklagten sein Honorar in Rechnung, wobei er eine Geschäftsgebühr von 1,8 veranschlagte. Die Beklagte hat unter Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,3 niedrigere Anwaltskosten ermittelt und dem Kläger teilweise erstattet und ihm die kurzfristige Erstattung eines weiteren Teils in Aussicht gestellt. Streitig ist der sich aus der Differenz der Geschäftsgebühren von 1,3 und 1,8 ergebende Teil i. H. v. 112,46 Euro. Die Beklagte hat eine ihr gesetzte Zahlungsfrist zum 18. Juni 2007 verstreichen lassen.

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 112,46 Euro nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juni 2007 zu zahlen,

  2. die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, den Kläger von ihm entstandenen Kosten vorgerichtlicher Tätigkeit des Klägervertreters in Höhe von 46,41 Euro nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass dem Klägervertreter lediglich eine Geschäftsgebühr von 1,3 zusteht, weil die Angelegenheit weder umfangreich noch schwierig gewesen sei.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist soweit begründet, als sie sich hinsichtlich des Klageantrags 2) nicht auf Zinsen bezieht.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 3 Nr. 1 PflVG i. V. M. §§ 7, 17 StVG, § 823 BGB auf Zahlung von 112,46 Euro zu.

Die Beklagte muss dem Kläger wegen des Verkehrsunfalls Schadensersatz leisten, d. h. den Kläger gem. §§ 249 ff. BGB so stellen, wie dieser stünde, wenn es zum schädigenden Ereignis nicht gekommen wäre. Die Tatsachen, welche die Volleinstandspflicht der Beklagten begründen, sind zwischen den Parteien unstreitig. Der Ersatzanspruch umfasst auch die erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung, wozu insbesondere die Anwaltskosten gehören (Palandt, BGB, 65. Auflage, 2006, § 249 Rn. 38 f.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat diesem für seine Tätigkeit angesichts des – ebenfalls unstreitigen – Gegenstandswerts von 2.776,61 Euro gem. §§ 1, 2, 13, 14 RVG i. V. M. Nr. 2300, 7002 und 7008 VV RVG eine mit 1,8 nicht zu beanstandende Geschäftsgebühr sowie Auslagen und Mehrwertsteuer i. H. v. insgesamt 428,64 Euro in Rechnung gestellt. Hiervon hat die Beklagte bislang erst 229,55 Euro erstattet und die Zahlung weiterer 86,63 Euro angekündigt. Soweit die Klage auf Leistung der restlichen 112,46 Euro gerichtet ist, muss sie Erfolg haben.

Denn zu Unrecht geht die Beklage davon aus, dass die Geschäftsgebühr lediglich mit 1,3 hätte angesetzt werden dürfen. Der Rahmen dieser Gebühr reicht von 0,5 bis 2,5, was einen rechnerischen Mittelwert von 1,5 ergibt. Ausgehend von diesem Mittelwert bestimmt der Rechtsanwalt die Vergütung gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem der in dieser Norm genannten – Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers –, nach billigem Ermessen. Wenn die solchermaßen ermittelte Gebühr über der gesetzlich in Nr. 2300 VV RVG bestimmten Schwellengebühr von 1,3 liegt, kann mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn jedenfalls auch eines der ersten beiden Kriterien erfüllt ist; die Angelegenheit muss dann also umfangreich oder schwierig sein. Zumindest Ersteres war hier gegeben.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG auf alle zivilrechtlichen Fälle zugeschnitten ist und nicht etwa nur auf solche, die einen Verkehrsunfall zum Gegenstand haben (Sermond, NZV 2005, 504). Verfehlt wäre daher die Annahme, es sei, sucht man das durchschnittlich umfangreiche bzw. schwierige Mandat zu erfassen, gerade vom durchschnittlichen Verkehrsunfall auszugehen. Vielmehr dürfte schon der durchschnittliche Verkehrsunfall, der Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit wird, eine jedenfalls überdurchschnittlich umfangreiche Tätigkeit des Anwalts erfordern. Denn dieser muss nicht nur die tatsächlichen Umstände ermitteln, sondern in jedem Einzelfall auch die Rechtslage unter Berücksichtigung z. B. der Betriebsgefahr und eines etwaigen Mitverschuldens, Letzteres bezogen auch auf die Schadensminderungspflicht nach dem Unfall, eruieren. Jedenfalls aber trifft die Annahme eines überdurchschnittlichen Aufwands auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu.

Als sich die Beklagte Gewissheit über das Schuldanerkenntnis verschafft hatte, zahlte sie den dem Kläger zustehenden Betrag zwar umgehend, aber nicht in voller Höhe. Den korrekten Betrag hätte sie dabei an Hand des vorgelegten Sachverständigengutachtens korrekt beziffern können; stattdessen berief sich die Beklagte unter Zugrundelegung von Stundensätzen einer Reparaturwerkstatt in Ostfriesland, wo der Kläger nicht wohnt, auf einen niedrigeren Ersatzanspruch und regulierte den Schaden infolgedessen nur unvollständig, was weitere Maßnahmen des Klägervertreters erforderlich machte.

Zu beachten sind auch die Gespräche, die der Klägervertreter namens seines Mandanten, der als Privatmann nicht regelmäßig mit vergleichbaren Schadensfällen konfrontiert ist, mit der Reparaturwerkstatt sowie Mitarbeitern der Beklagten geführt hat. Diese hätten nach der seit 2004 nicht mehr geltenden BRAGO eine sog. Besprechungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 gerechtfertigt. Wenn nun aber das seither geltende RVG keine Besprechungsgebühr mehr vorsieht, so nicht etwa, um den Vergütungsanspruch der Rechtsanwälte zu reduzieren, sondern um das Gebührenrecht durch Reduzierung der Tatbestände zu vereinfachen. Es ist daher im Grundsatz gerechtfertigt, in jenen Fällen, in denen nach Maßgabe der BRAGO eine eigene Gebühr angefallen wäre, nunmehr von einer Erhöhung der jeweiligen Rahmengebühr auszugehen.

Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Beklagte auf Grund interner Anweisungen vorsätzlich falsche Schadensbeurteilungen vornimmt und darum grundsätzlich unzureichend reguliert oder ob der Kläger aus welchen Gründen auch immer ein berechtigtes Interesse an einer besonders zügigen Schadensabwicklung hatte. Der Ansatz der Geschäftsgebühr mit 1,8 kann nämlich unabhängig davon nicht beanstandet werden. Bereits die Verzögerung der Schadensregulierung und die vom klägerischen Anwalt mit der Reparaturwerkstatt und den Mitarbeitern der Beklagten geführten Gespräche machten die Angelegenheit jedenfalls überdurchschnittlich umfangreich. Schon sie allein rechtfertigen nach Maßgabe des § 14 RVG und auch unter Berücksichtigung der Schwellengebühr des Nr. 2300 VV RVG eine Gebühr von wenigstens 1,5. Zu berücksichtigen ist nun, dass der Anwalt bei der Festlegung der Rahmengebühr gem. § 14 RVG das Bestimmungsrecht hat. Seine Bestimmung ist, ihre Billigkeit vorausgesetzt, gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG auch gegenüber Dritten verbindlich. Eine Abweichung der Geschäftsgebühr von bis zu 20% entzieht sich dabei aber der gerichtlichen Billigkeitskontrolle (BGH – Urteil vom 31.10.2006, Az. VI ZR 261/05; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflage, 2006, § 14 Rn. 12 m. w. N.). Selbst wenn also die billige Geschäftsgebühr bei nicht mehr als 1,5 liegen sollte – was das Gericht ausdrücklich offen lässt –, wäre dem Klägervertreter ein Toleranzbereich von 20%, ergo 0,3, zuzubilligen, was insgesamt bereits die angesetzte Geschäftsgebühr von 1,8 ergeben würde.

Der Anspruch auf die mit dem Klageantrag 1) begehrten Zinsen ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB. Denn die Beklagte wurde unter Fristsetzung zum 18. Juni 2007 zur Erstattung der restlichen Anwaltskosten aufgefordert und hat gleichwohl die Leistung insoweit nicht erbracht.

Auch der mit dem Klageantrag 2) geltend gemachte Anspruch, soweit er keine Zinsen betrifft, ergibt sich aus dem Verzug. Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 ff. BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die Beklagte die restlichen Anwaltskosten i. H. v. 112,46 Euro bei Fälligkeit bezahlt hätte. In diesem Fall würde der Kläger seinem Anwalt nicht den weiteren Auftrag erteilt haben, so dass er diesem nicht gem. §§ 1, 2, 13, 14 RVG i. V. M. Nr. 2300, 7002 und 7008 VV RVG und unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr von 1,3 weitere 46,41 Euro schulden würde. Das Gericht wertet den Antrag des Klägers auf Freistellung von diesen Kosten so, dass der Kläger die Gebührennote noch nicht bezahlt hat. In diesem Fall kann er in der Tat mangels Vermögensschadens nicht den Geldwert der Verbindlichkeit, sondern nur Freistellung von dieser verlangen. Im Übrigen ist das Gericht insoweit gem. § 308 Abs. 1 ZPO an den Antrag gebunden.

Hinsichtlich der Zinsen aus dem Klageantrag 2) muss die Klage erfolglos bleiben. Der Anspruch ergibt sich schon deshalb nicht aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB, weil es sich bei der Verpflichtung zur Freistellung von einer Verbindlichkeit um keine Geldschuld handelt und die Norm auf eine solche Verpflichtung keine Anwendung findet (Staudinger-Löwisch, BGB, Bearb. 2004, § 288 Rn. 6). Auch ergibt sich der Anspruch nicht aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 ff. BGB. Denn nach Maßgabe dieser Normen muss die Beklagte den Kläger lediglich von dessen eigener Verbindlichkeit gegenüber dem Klägervertreter freistellen, und im Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten besteht kein Zinsanspruch. Das RVG sieht eine Verzinsung der Vergütungsansprüche nicht vor. Sollte der Kläger, wofür schon keine Tatsachen vorgetragen sind, seinem Anwalt Zinsen aus eigenem Verzug schulden, so wäre der Verzug der Beklagten für diesen Schaden jedenfalls nicht adäquat kausal und der Schaden damit nicht ersatzfähig.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 158,87 Euro festgesetzt.

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Interessiert mich sehr; Vielen Dank (owT)
Hallo Levay,

danke für deine Ausführungen, hat mir wie immer sehr weitergeholfen.

Einen Gruß

Martin