Seltsame Logik im Verleumdungsparagraphen

Hi zusammen.

Der Verleumdungsparagraph § 187 StGB besagt bekanntlich folgendes:

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe usw.

Wiki sagt dazu („Verleumdung“):

Die Tatsache muss unwahr sein, d. h. es muss vor Gericht bewiesen werden, dass das Gegenteil der Behauptung zutrifft (anders bei übler Nachrede: „nicht … erweislich wahr“). Bereits hieran scheitert in der Praxis häufig eine Verurteilung nach dem Gesetz.

Na toll. Es steht also nicht der Behauptende in der Beweispflicht, sondern der von der Behauptung Betroffene.

Wie das? Ist das nicht ein Freibrief für Schandmäuler, um über andere die abenteuerlichsten Behauptungen zu verbreiten, wenn es für die Betroffenen unmöglich ist, die Behauptungen zu widerlegen?

Mal angenommen, X verbreitet, dass Y ein Kinderschänder ist. Natürlich ist Y kein Kinderschänder. Hat Y dann überhaupt eine Chance, mit einer Verleumdungsklage gegen X durchzukommen, wenn er in der Pflicht steht, seine Unschuld zu beweisen? Wie soll er das? Warum steht X nicht in der Pflicht, die Wahrheit seiner Behauptung zu beweisen?

Chan

Ein Blick in § 186 StGB würde da wohl helfen.

Unterschied von Verleumdung und Übler Nachrede

Ein Blick in § 186 StGB würde da wohl helfen.

Nicht wirklich. Denn zwischen den §§ 186 und 187 gibt es zwei erhebliche Unterschiede.

Erstens das Strafmaß: Der Rahmen liegt bei 186 bei 2 Jahren, bei 187 bei 5 Jahren.

Zweitens die Tatumstände:

Im Fall der Verleumdung weiß der Behauptende, dass seine Behauptung unwahr ist.

Im Fall der Üblen Nachrede weiß er es nicht, d.h. er behauptet etwas in gutem Glauben, ohne es aber beweisen zu können.

  1. Wird also (in meinem Beispiel) X wegen Verleumdung verurteilt, bedeutet das, dass er gelogen hat, dass die verbreitete Behauptung also definitiv falsch ist.

  2. Wird X aber wegen übler Nachrede verurteilt, heißt das nur, dass die Behauptung „nicht erweislich wahr“ ist und dass er ledliglich in gutem Glauben gehandelt hat.

Was bedeutet das für Y?

Dass er im Falle von 1) rehabilitiert ist.

Dass er im Falle von 2) eigentlich nur als nicht-überführter Täter dasteht.

Unterschied verstanden?

Chan

Entschuldige, ich habe dich überschätzt, soll nicht wieder vorkommen. Du monierst bei 187, dass der Täter nur verurteilt werden kann, wenn erwiesen ist, dass er die Unwahrheit gesagt hat. Ich dachte, ein kurzer Blick in 186, wo genau das anders ist, würde dir genügen. Der Fall, der nicht unter 187 subsumiert werden kann, ist eben ein Fall von 186. Dass das Strafmaß ein anderes ist, ist ja gerade der Sinn der Differenzierungen im Tatbestand. Übrigens: Gutgläubigkeit ist keine Voraussetzung für 186. aber das würde nun zu weit führen.

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