Tötung auf Verlangen / Beihilfe zur Selbsttötung

Moin Rechtswissende,

vor einiger Zeit saßen einige Budoka nach dem Genuss einiger Gläser Wein/Bier beisammen und es entspann sich ein reges Gedankenspiel. Es ging um Seppuku , die rituelle Form der Selbsttötung in der Kaste der Samurai.

Kurze Zusammenfassung:
Der sich selber tötende hat einen Sekundanten, der auf ein Zeichen hin (das Beugen des Hauptes) selbiges mit einem Schwertschlag vom Rumpf trennte.
Dieses Zeichen konnte zu jeder Zeit des Vorganges egeben werden und das ist der Punkt.
EIne komplette Zeremonie lief ab, indem der Selbsttöter sich mit einem kurzen Schwert bzw. Dolch in den Bauch stach und einen bestimmten Schnitt vollzog, der tödliche Verletzungen herbeiführt.
Die Zeremonie musste nicht bis zum bitteren Ende vollzogen werden, es konnte zu jedem Zeitpunkt das Zeichen gegeben werden, selbst wenn der Schnitt bzw. das Einstechen in den Bauch noch nicht vollzogen war.

Nun gibt es im Deutschen Recht die Unterscheidung zwischen Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid.
Nun war der Gegenstand der Diskussion die Situation, daß in gegenwärtigen Deutschland ein Mensch sich per Seppuku entleiben will (warum auch immer) und ein Freund den Sekundanten gibt.
Ab wann wäre es nun für den Sekundanten, wenn er den Kopf vom Rumpf seines Freundes schlüge Tötung auf Verlangen und ab wann Beihilfe zum Suizid?
Wenn man annehmen müsste, daß die selbst beigefügten Verletzungen so schwer sind, daß ein Tod auch ohne Enthauptung statgefunden hätte, oder wäre allein das Geben des Zeichens schon als Beihilfe zum Selbstmord zu bewerten?

Makaberes Gedankenspiel, aber wir sind damals zu keinem rechten Schluss gekommen. Es saßen allerdings ‚nur‘ Naturwissenschaftler, Mediziner und Wirtschaftler am Tisch.

Gandalf

Glaub mir, die Realität hält auch rund um die Selbsttötung noch viel makabrere „Gedankenspiele“ bereit (abgesehen vom beim Seppuku nicht ganz leckeren Anblick und dem insgesamt recht rohen Vorgehen^^).

Und auch der Mediziner wird sich vielleicht mal mit deiner Frage beschäftigen müssen.

Die Antwort allein bzgl der Abgrenzung kann in deinem Fall noch recht kurz ausfallen: Eine straflose Teilnahme an der Selbsttötung kommt nur in Frage, wenn der Suizident die Tatherrschaft hat über den unmittelbar lebensbeendenden Akt. So wie beschrieben liegen also Tötung auf Verlangen oder ggf Totschlag vor.

Abzuwarten, bis die Verletzungen so schwer sind, dass der Tod ohnehin stattfindet, ist folgendermaßen zu bewerten: Der Tod tritt immer „ohnehin“ ein, man stellt deshalb ab auf eine Verkürzung der Lebenszeit - und sei sie minimal. War der Akt des Sekundanten lebenszeitverkürzend, lag eine Tötung vor. Ist die Lebenszeitverkürzung nicht einzuschätzen, wird in dubio pro reo davon ausgegangen, dass keine Verkürzung stattfand, mithin keine Tötung vorliegt. In Frage kommt aber immer noch der Versuch der Tötung: Die Beschleunigung des Sterbevorgangs hat der Sekundant ja jedenfalls in seinen Vorsatz mit aufgenommen.

Das einzige, was mir entfernt zu einer Straffreiheit noch einfällt, sind Rechtfertigungs- (Bsp Notwehr) und Entschuldigungsgründe. Die Tatbestände oben sind dann also erfüllt, der Täter handelte ggf aber nicht rechtswidrig bzw schuldhaft. Eine Diskussion dazu habe ich gerade nicht vor Augen. Zu beachten ist jedoch in jedem Fall, dass es auch so einen Tatbestand der Tötung auf Verlangen nicht ohne Grund gibt: Eine Einwilligung soll also keinesfalls einfach so rechtfertigend oder entschuldigend wirken. Und eine Abwägung zwischen Leben und Menschenwürde (des verendenden Suizidenten) wird wohl auch der Gesetzgeber nicht im Sinn haben oder auch nur sich anmaßen, das beurteilen zu können. Darum diskutiert man in gewissen Fällen etwa den sog „übergesetzlichen Notstand“.

Allerdings: Den würde man (um eine vergleichbare Situation zu finden) - wenn überhaupt - beim Gnadenschuss anerkennen, den man jemandem gibt, der unrettbar in einem brennenden Gefängnis (Auto) steckt. Die rituelle Tötung dagegen würde man wohl eher als Vorgang insgesamt nicht als Notstand bezeichnen. Über den ganzen Zeitablauf hin ist allen Beteiligten die Situation klar: Es wäre wohl absurd, wenn sich der Sekundant hier darauf berufen könnte, dass seine Schlag unausweichlich war. Wie alles, ist aber auch meine Ansicht nicht in Stein gemeißelt.

Auch im Fall der Teilnahme an der Selbsttötung ist übrigens immer noch zu diskutieren, ob nicht eine Strafbarkeit aufgrund „Tuns durch Unterlassen“ (wenn eine Handlungspflicht besteht) oder schlicht aufgrund unterlassener Hilfeleistung gegeben ist.

Grüße
Droitteur