Vertragssprache in Deutschland?

Hallo wwwler,
wer weiss, ob ich in Deutschland an Deutsch als Vertragssprache gebunden bin? Ein (potentieller) Kunde will mit mir einen Beratungsvertrag abschliessen, besteht aber auf englisch als Vertragssprache (spricht nämlich keiner ein Wort Deutsch, außer: guten Tag… ein Schinkenbrötchen bitte… oh, sehr nett von Ihnen… und: haben sie eine elektrische Hundehaarschneidemaschine?..). Geht das nach deutschem Recht überhaupt? Ich will für dieses Indisch-amerikanische Unternehmen ein paar organisatorische Aufgaben übernehmen und verstehe/spreche ganz gut englisch, um Verträge zu formulieren reichts aber nicht. Vielleicht kennt ja auch jemand eine Quelle mit Musterverträgen auf englisch?

Vielen Dank für gute Tips

Tobias

Hallo Tobias,

es herrscht Vertragsfreiheit. Damit kannst Du mit Deinen Geschäftspartnern auch Suaheli als Vertragssprache vereinbaren.

Ich warne Dich aber dringend vor Verträgen in anderer als Deiner Muttersprache oder in einer Sprache, die Du wie Deine Muttersprache sprichst, einschließlich sämtlicher semantischer Feinheiten und Doppeldeutigkeiten. Solange alles zur allseitigen Zufriedenheit läuft, zieht man sich kaum auf Vertragstexte zurück. Der Vertrag wird deshalb insbesondere im Streitfall interessant. Wenn Du bedenkst, welchen Streit es um Auslegungen schon bei einem deutschen Text mit nur deutschen Beteiligten geben kann, kannst Du vielleicht erahnen, welche Risiken Du bei einem fremdsprachigen Text eingehst.

Ich habe vor Jahren mit einem englischen Vertragstext eine teure Erfahrung gemacht. Seitdem steht in meinen AGBs der Satz „Vertragssprache ist deutsch. Alle Irrtümer durch in anderer Sprache abgefaßte Texte gehen zu Lasten des Kunden“. Nur zu gut kenne ich die Neigung etlicher auch deutscher Unternehmen, die ihren internationalen Charakter unterstreichen möchten, alle möglichen Texte bis zur normalen Korrespondenz in englisch abzufassen. Wer sich darauf ohne zwingende Notwendigkeit einläßt, hat selbst Schuld. Lasse Dich nicht von blasierten BWLern mit dem Satz „na, Sie werden doch wohl englisch können“ in diesen gefährlichen Unfug jagen. Ich habe bis jetzt noch jedes Unternehmen, auch einen wirklich weltweit tätigen 100.000-Köpfe-Konzern, dazu gebracht, mit mir in deutscher Sprache zu korrespondieren. Mache Dich nicht selbst zum Mops. Kein Kunde dankt es Dir, wenn Du Deine Zeit damit vertust, fremdsprachige Mehrdeutigkeiten zu interpretieren, soweit Du sie überhaupt erkennst.

Es gibt begründete Ausnahmen. Wer Geschäfte machen will, spricht seine Partner in ihrer Muttersprache an, vermeidet jedenfalls unnötige Sprachbarrieren. Ich würde dabei alle Texte vom Vertrag bis zu irgendwelchen Spezifikationen in deutsch als zu unterzeichnendes Originalexemplar abfassen und ein von einem Übersetzer anzufertigendes fremdsprachiges Exemplar beifügen.
Selbstverständlich kommt ohne Ausnahme deutsches Recht zur Anwendung und Gerichtsstand ist Dein Firmensitz. Auch das gehört in den Vertrag. Jede andere Vorgehensweise kannst Du Dir als Einzelkämpfer oder Inhaber eines kleinen Unternehmens nicht leisten. Du hast eben keinen Stab von Juristen und verschiedensten Muttersprachlern auf Deiner Chefetage, ähem, an Deinem Schreibtisch im Privatbüro.

Gruß
Wolfgang

Ergänzend zur sehr wichtigen Begründung von Wolfgang den Tip:

Mache zwei Verträge: Deutsch und Englisch. In beide schreibst rein, „im Zweifel gilt der deutsche Vertragstext“.

In manchen Verträgen mit Ausländern habe ich noch zusätzlich eine Klausel eingebaut. Es gibt internationale Handelskammern, die als Schiedsrichter bei Streitigkeiten weiterhelfen. Die IHK in Deiner Region kann Dich dazu beraten. Bei „normalen“ Verträgen wird allg. die Internationale IHK in Paris als Schiedsstelle verwendet, bei Osteuropasachen (insb. Ungarn und Umgebung), verwendete ich die IHK in Wien (die korrekte Anschriften erfahrst jeweils von der IHK).

Hallo Tobias,

es besteht keine Verpflichtung, einen Vertrag in einer bestimmten Sprache abzufassen. Sinnvoll dürfe es aber sein, einen solchen Vertrag rechtzeitig von jemand prüfen zu lassen, der Wirtschaftsenglisch perfekt beherrscht. Nicht jede Darstellung nach deutschem Recht muss nämlich sinngemäss denselben Sachvedrhalt im Ausland betreffen.

Grüss GünterW