Hinduismus - panta rhei

Hallo!
Gibt es im Hinduismus einen ähnlichen Ausspruch wie dieses „panta rhei“, alles wandelt sich, nichts bleibt?

Gruß,
Eva

Hallo Eva,

im Buddhismus gibt es das Prinzip ‚anitya‘ (Skrt, Pali ‚anicca‘), eines der drei durchgängigen Merkmale (laksana) alles Seienden. Es wird meist mit „Unbeständigkeit“ übersetzt, impliziert jedoch Einiges mehr. Auch im Hinduismus kennt man ‚anitya‘, doch wird dieses gewissen ewigen, unveränderlichen Dingen / Sachverhalten entgegengesetzt, die nitya sind. Das wiederum widerspricht dem ‚panta‘ im ‚panta rhei‘ - wobei freilich nicht zweifelsfrei zu klären ist, wie Heraklit dies tatsächlich verstanden haben wollte.

Freundliche Grüße,
Ralf

Vergessen …
der nachgefragte ‚Ausspruch‘: sabbe samskara anitya (Pali: sabbe sankhara anicca) - etwa: ‚Alles Zusammengesetzte ist unbeständig‘. Samskara (Zubereitung, Zurüstung, Bearbeitung) ist ein terminus technicus; es steht hier (im Kontext der Dharma-Theorie) für alle bedingten Seinsmomente (Dharmas) - praktisch alles, was existiert.

Das ist jedoch, wie schon geschrieben, eine spezifisch buddhistische Aussage. Die hinduistische Samkhya-Philosophie beispielsweise versteht und verwendet ‚samskara‘ völlig anders.

Gruß,
Ralf

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Hinduismus ohne panta rhei
Eva,

ergänzend zu dem, was Ralf schon erklärte:
„Hinduismus“ ist ein weites Feld. Es ist ja ein Kunstbegriff (aus den Anfängen der Religionswissenschaft im 19. Jhdt), der eine Menge von religiösen Strömungen und Traditionen umfaßt, die teilweise sehr unterschiedliche Weltanschauungen tragen. Der Begriff beinhaltet vor allem eine Differenzierung gegen den Buddhismus und (nach der arabischen Landnahme) den Islam.

Zudem umfaßt der Begriff auch eine beachtliche Zeitspanne der Geistesgeschichte mit enorm unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Es wäre also bzgl deiner Frage das Problem, wo man da überhaupt suchen sollte.

Summarisch aber läßt sich sagen: In den hinduistischen Traditionen gab es etwas Analoges wie die ionische Naturphilosophie nicht. Im Unterschied etwa zum chinesischen Daoismus mit Andeutungen schon bei Lao Zi, Diffeernzierteres dann später bei Liè Zi (im 4. und 6. Buch seiner nach ihm benannten Textsammlung), oder im Guān Yìn Zi, den Büchern des legendären Yìn Hi, die man durchaus als naturphilosophischen Ansatz lesen kann.

Das Spezifikum der Ionier war nämlich die Suche nach einer „archē“, einem „Prinzip“, das dem „kosmos“ zu Grunde liege: Ein logischer Anfang sozusagen, weniger ein zeitlicher. Dieser logische Anfang wäre dann nicht nur das strukturelle Prinzip, sondern zugleich auch das Entwicklungs-Prinzip des Kosmos. Bei Heraklit ist dieses Prinzip der „logos“, eine Konstante in sich selbst, die aber in ihrer Explikation zur sinnlichen Welt die Eigenschaft bewirkt, daß es keinerlei Konstanz gibt. Der logos ist ein Prinzip des Wandels aller Dinge.

Das pointiert sich dann in diese wenigen der tatsächlich auf ihn zurückführbaren Sätze: „Wir steigen nicht zweimal in denselben Fluß“ und „In denselben Fluß steigen wir und steigen woir nicht. Wir sind (es) und wir sind (es) nicht.“ (Das „alles fließt“ stammt btw. nicht von ihm, wird ihm nur später unterstellt).

Den frühesten Zeugnissen hinduistischer Kosmologie (im Rgveda und später) ist immerhin der Grundgedanke zyklischer, periodischer Bewegungen und Entwicklungen zu entnehmen, denen das Universum als Ganzes unterliegt. In den erwähnten chinesischen, daoistischen Philosophien dagegen ist die wechselseitige und ebenfalls zyklische Verwandelbarkeit aller Substanzen ineinander das Thema. Vor allem (im Guān Yìn Zi) der Elemenarsubstanzen Feuer, Wasser, Erde, Metall und Holz. Das „Grundprinzip“ (nicht ganz der zutreffende Begriff), das dem wiederum unterliegt, ist hierbei dao (das als „Weg“ übersetzt werden kann).

Eine Analogie zu solchen zugleich metaphysischen und physikalischen Theorien gibt es in den hinduistischen Strömungen nicht. Im von Ralf erwähnten Samkhya, ebenso im zeitgleichen Yoga, findet sich zwar der Gegensatz (bzw das Zusammenspiel) zwischen purusha und prakrti. Aber diese Begriffe werden nicht so weit expliziert und tiefer strukturiert wie im Chinesischen.

Ein direktes Analogon zum pseudo-heraklitischen Satz jedenfalls gibt es, soweit ich dort blicke, nicht. Nichteinmal ein analoges kosmologisches Konzept.

Im Buddhismus dagegen - im Kontext der von Ralf erwähnten dharma-Theorie - findet sich schon eher etwas, das der heraklitischen Philosophie näherkommt. Das ist aber viel subtiler und tiefgründiger ausgeführt (zB im Avatamsaka-Sutra) als bei dem Griechen. Und es hat ganz andere Intentionen.

Gruß
Metapher

Danke und -

  • Sternchen selbstredend, auch habe ich den Artikelbaum gespeichert, um mich später, wenn Kopf wieder frei, nochmals damit zu beschäftigen.

Der Grund für meine Frage war viel banaler, eine kurze Passage in einem Roman, wo der Protagonist den Brahmanen die Frage vorlegt, ob man nicht als man selbst wiedergeboren werden kann und nach langer Diskussion die Antwort erhält, er solle nicht albern sein, man wird schlechter oder besser, aber immer anders. „… yout get better or you get worse but all things change …“

Gruß,
Eva